80.000 zusätzliche Soldaten für die Bundeswehr

vor etwa 10 Stunden

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Im Koalitionsvertrag vom Mai 2025 liest es sich locker und vollmundig: „Wir werden sämtliche Voraussetzungen schaffen, damit die Bundeswehr die Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung uneingeschränkt erfüllen kann. Unser Ziel ist es, dass die Bundeswehr einen zentralen Beitrag zur Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit der NATO leistet und zu einem Vorbild im Kreis unserer Verbündeten wird.“

Wenig später heißt es: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert. Für die neue Ausgestaltung dieses Dienstes sind die Kriterien Attraktivität, Sinnhaftigkeit und Beitrag zur Aufwuchsfähigkeit leitend. Wertschätzung durch anspruchsvollen Dienst, verbunden mit Qualifikationsmöglichkeiten, werden die Bereitschaft zum Wehrdienst dauerhaft steigern. Wir orientieren uns dabei am schwedischen Wehrdienstmodell. Wir werden noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen.“

Aus einer Bundeswehr mit derzeit 178.000 „Mann“ soll bis 2035 eine Bundeswehr mit 260.000 „Aktiven“ und 200.000 Reservisten werden. So die Zusage gegenüber der NATO. Die verflossene Rest-„Ampel“ hatte im Januar 2025 noch auf den letzten Drücker versucht, das umzusetzen. Reichlich spät – drei Jahre nach der von Kanzler Scholz Ende Februar 2022 wenige Tage nach Russlands Überfall auf die Ukraine angesagten “Zeitenwende.“ Von der „Trendwende Personal“ des Jahres 2016 einer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ganz zu schweigen. Bei ihr war ja ziemlich alles in diesem Amt lauwarme Luft.

Im Januar 2025, also kurz vor Konstituierung des neuen Bundestages, legte die Rest-„Ampel“ den 36 Seiten umfassenden „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung wehrersatzrechtlicher Vorschriften und zur Einführung eines neuen Wehrdienstes“ vor. Dieser Entwurf war bald dem Diskontinuitätsprinzip unterlegen und damit hinfällig. In diesem Entwurf ist – inkl. Reservisten – langfristig sogar von einem Verteidigungsumfang zwischen 370 000 und 460 000 Soldaten die Rede.

Nun hat Pistorius einen Referentenentwurf mit Eckpunkten für eine „neue“ Wehrpflicht erarbeiten lassen. Am 7. Juli hat er ihn in der SPD-Fraktion vorgestellt. Kernpunkte dieses Entwurfes sind folgende:

Die Wehrerfassung soll reaktiviert werden. Es sollen nicht nur die jeweils gerade volljährig gewordenen Männer erfasst werden, sondern alle im Krisenfall möglicherweise Wehrpflichtigen. Junge Männer ab dem Geburtsjahrgang 2008 müssen einen Fragebogen ausfüllen, mit Fragen zu persönlichen Daten, Gewicht, Größe, Bildungsabschluss, Gesundheitszustand und Interessenlage. Junge Frauen können dies tun. Man erwartet sich, dass sich die jungen Leute dann intensiver mit der Bundeswehr auseinandersetzen. Auf der Basis der Antworten soll entschieden werden, wer von den mehr oder weniger Interessierten im Spannungs- und Verteidigungsfall zuerst eingezogen wird.

Außerhalb des Spannungs- und Verteidigungsfalls soll der Bundestag entscheiden können, dass auch in Friedenszeiten für sechs Monate Pflichtwehrdienst geleistet werden muss. All dies soll nach der Sommerpause, am 27. August, von der Koalition auf den Weg gebracht und ab 2026 umgesetzt werden.

Nicht im Entwurf enthalten sind Maßnahmen, die bereits in der Diskussion waren und die die Attraktivität eines Dienstes bei der Bundeswehr steigern sollten: zusätzliche Rentenpunkte, Boni bei der Vergabe von Studienplätzen, Gutscheine für einen Führerschein, kostenlose Kurse beim Bundessprachenamt usw.

Nun ja, das ist alles noch etwas unausgegoren. Denn wie bereits vor dem Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 wird sich erneut die Frage nach der Wehrgerechtigkeit stellen. Die Fachliteratur geht jedenfalls davon aus, dass von einer Wehrpflicht dann keine Rede mehr sein könne, wenn weniger als die Hälfte eines Jahrgangs eingezogen würde.

Der CDU/CSU-Koalitionspartner ist nicht ganz zufrieden. Er wünscht sich mehr Pflichtelemente. Die AfD wünscht sich eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Rüdiger Lucassen, AfD-Verteidigungsexperte und Oberst der Reserve, sagt: „Nur die Reaktivierung der Wehrpflicht stellt die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wieder her.“

Pistorius hat so oder so eine Herkulesarbeit vor sich: gesetzgeberisch, koalitionspolitisch und parteipolitisch. Erst im Juni 2025 wurde das Memorandum der friedensbewegten SPD-Leute Rolf Mützenich, Ralf Stegner und hundert weiterer Unterzeichner veröffentlicht: In seiner eigenen Partei dürfte Pistorius also jedenfalls mit mehr Widerstand zu rechnen haben als beim CDU/CSU-Partner.

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