
Marine Le Pen und acht weitere EU-Abgeordnete aus dem französischen „Rassemblement National“ (RN) wurden der Veruntreuung öffentlicher Gelder für schuldig befunden. Das erklärte ein Pariser Gericht in einem Urteilsspruch vom 31. März. Der Gesamtschaden betrug, so die Vorsitzende Richterin Bénédicte de Perthuis, 2,9 Millionen Euro, weil Fraktionsmitarbeiter für den RN gearbeitet hätten. Für Le Pen hat die Staatsanwaltschaft ein fünfjähriges Kandidierverbot (Verlust des passiven Wahlrechts auf Zeit), fünf Jahre Haft (davon zwei auf Bewährung) und eine Geldstrafe von 300.000 Euro gefordert. Das genaue Strafmaß für die neun politischen Angeklagten (sowie zwölf weitere) bleibt noch unklar. Marine Le Pen könnte mit dem Entzug des passiven Wahlrechts also bei den französischen Präsidentschaftswahlen im April 2027 nicht antreten. Es sei denn, es gelingt ihr, dass das Urteil noch rechtzeitig revidiert wird. Ein Berufungsgericht will 2026 entscheiden.
Nach den Wahlen zum EU-Parlament vom Mai 2019 handelten die EU-Regierungs- und Staatschefs aus, dass die damalige, reichlich überforderte deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (vdL, CDU) Präsidentin der EU-Kommission werden solle. Spitzenkandidat für die CDU/CSU war zwar Manfred Weber (EVP/CSU) gewesen, aber Macron und Merkel fädelten die Personalie anders ein. Von der Leyen hatte sich als Verteidigungsministerin vier Wochen nach der EU-Wahl im Juni 2019 bei der Luftfahrtschau in Le Bourget mit Macron getroffen. Nur ein Schelm kann annehmen, dass es dabei nicht um Zusagen Deutschlands für das von Frankreich vorangetriebene Projekt des neuen europäischen Kampfjets FCAS (Future Combat Air System) ging. Und urplötzlich wurde von der Leyen im Juli 2019 EU-Kommissionspräsidentin. Die EU-Wahlen waren erneut zur Farce degradiert.
Bei den Wahlen zum EU-Parlament vom Juni 2024 war Ursula von der Leyen – pro forma – Spitzenkandidatin der CDU/CSU. Allerdings ohne dass sie auf einem Stimmzettel erschien. Sie konnte vom Wahlvolk also nicht gewählt und auch nicht nicht gewählt werden. Dennoch wurde sie am 18. Juli 2024 erneut Präsidentin der EU-Kommission.
So weit, so schlecht! Zwischen von der Leyens beiden „Wahlen“ zur Präsidentin der EU-Kommission gab es „Corona“. Dieses Virus konnte wohl nur die vormalige Ärztin vdL besiegen. Oder? Im Frühjahr 2021 soll sie – bis heute nebulös – mit dem Pharmariesen Biontech/Pfizer ein Geschäft über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff eingefädelt haben. Das Vertragsvolumen – laufend bis 2027 – wurde damals auf 35 Milliarden Euro geschätzt. Wegen Ablauf des Haltbarkeitsdatums mussten Impfdosen bislang wohl in der Größenordnung von rund 4 Milliarden Euro vernichtet werden.
Die New York Times (NYT) bekam von diesem „Deal“ Wind und berichtete davon, dass es vor dem Deal einen persönlichen Kontakt zwischen vdL und Pfizer-Chef Albert Bourla gab. Dabei sollen beide per SMS kommuniziert haben. Die NYT und ihre Korrespondentin Matina Stevis-Gridneff beantragten den Zugang zu sämtlichen Textnachrichten, die vdL und der Pfizer-CEO zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 11. Mai 2022 ausgetauscht haben sollen. Die EU-Kommission verweigerte dies aber mit dem Hinweis, dass sich in ihrem Besitz keine solchen Dokumente befänden. Die am 25. Januar 2023 eingereichte Klage der Korrespondentin und der New York Times stützt sich auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, die den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments regelt, sowie einen Verstoß gegen Art. 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die EU-Kommission und vdL waren für Transparenz bis heute nicht zu haben.
Zu den milliardenschweren Corona-Impfstoffkäufen ermittelte schließlich die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO). Die Angelegenheit sollte/wollte das Gericht der EU (EuG) klären. Am 17. Juli 2024 hat das EuG immerhin schon mal festgestellt, dass die EU-Kommission den Zugang zu den Verträgen über den Kauf des Impfstoffs Covid-19 für die Bürger zu Unrecht beschränkt hat. 17. Juli: Das war exakt am Tag, bevor das EU-Parlament am 18. Juli vdL erneut als Präsidentin der EU-Kommission bestätigte. In Luxemburg startete im November 2024 derweil die mündliche Verhandlung zur NYT-Klage über die Herausgabe von SMS-Nachrichten (Rechtssache T-36/23).
Zwischenzeitlich gab es unter anderem eine Klage eines Belgiers gegen vdL. Ein Gericht im belgischen Lüttich hat diese Klagen aber abgewiesen und sie für unzulässig erklärt. Der belgische Lobbyist Frédéric Baldan hatte im April 2023 Strafanzeige wegen Machtmissbrauchs, Vernichtung öffentlicher Dokumente und Korruption gestellt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass Baldans Klage nicht zulässig sei, da er keinen persönlichen Schaden nachweisen konnte. Auch habe er kein legitimes Interesse gehabt, in diesem Fall zu klagen. Dasselbe gelte für die Klagen von Impfgegnern und anderen Beteiligten.
Das öffentliche Interesse an diesem seltsamen Deal besteht aber weiterhin. Noch einmal: Es geht um den Kauf von 1,8 Milliarden Impfstoffdosen gegen Covid-19 im Wert von über 35 Milliarden Euro. Viele Impfdosen wurden nicht gebraucht und mussten vernichtet werden. Ein gigantischer Schaden für den Steuerzahler!
Der deutsche Europaabgeordnete Martin Sonneborn von der Satirepartei „Die Partei“ will sich damit nicht zufriedengeben. „Wenn jemand über 35 Milliarden Euro öffentlicher Gelder in den Sand setzt, ist der Schaden ein allgemeiner“, sagte er der taz.
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass es Ärger um die SMS-Kommunikation von der Leyens gibt. In ihrer Zeit als Verteidigungsministerin wurden die Daten auf einem ihrer Handys gelöscht. Das Verteidigungsministerium begründete dies 2019 mit einem „Sicherheitsvorkommnis“. Kritiker monierten, dass dadurch Beweise in der 200 Millionen Euro teuren Berateraffäre verloren gegangen seien, in der es um Vorwürfe von unkorrekter Auftragsvergabe bis zu Vetternwirtschaft ging. TE hat wiederholt darüber berichtet.
Fazit: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es nicht das Gleiche. Vor allem dann nicht, wenn ein Schaden knapp drei Millionen Euro ausmacht, der andere Schaden das etwa gut Tausendfache, also 3 bis 4 Milliarden. Und wenn der Verursacher des geringeren Schadens hart bestraft, der Verursacher des gigantisch größeren Schadens weiterhin „große“ Politik machen darf. Solche Ungleichheiten lassen „Europa“ in der Wahrnehmung durch die Bürger zur Farce und Politik erneut zu einem schmutzigen Geschäft werden.