15 Euro Mindestlohn als Wahlkampfhilfe für Lars Klingbeil

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Noch über eine Woche ist es hin bis zum Bundesparteitag der SPD in Berlin. Das Antragsbuch umfasst jetzt schon deutlich über 300 Seiten. Din A 4. Eng bedruckt. Gleich mehrere Anträge gibt es zu den Kriegen in der Ukraine und im Gaza-Streifen. Darunter solch bunte Vorschläge wie die des “AK Säkuläre”, die “Weltliche Seelsorge für konfessionsfreie Soldat*innen” fordern: “Bewährte Formen der religiösen Seelsorge sollen nicht in Frage gestellt werden, sondern der Dialog zwischen den verschiedenen Weltanschauungen gefördert werden.”

Doch die meisten Anträge in diesem Komplex sind grundsätzlicher Natur. Die einen kommen von dem Teil der Partei, der die Regierungspolitik trägt. Berufspolitiker bestimmen diesen Teil. Sie unterstützen die Regierung darin, das deutsche Engagement für die Ukraine fortzusetzen. Andere Gruppen wie die “60 plus Bundeskonferenz” fordern indes: “Ukrainekrieg: Friedensverhandlungen anstreben!” Das Thema spaltet die Partei, seit eine Gruppe um Ralf Stegner und Rolf Mützenich sich in einem “Manifest” gegen die Erhöhung der Militärausgaben ausgesprochen hat.

Eine Woche später hat Parteichef Lars Klingbeil öffentlich deutlich gemacht, dass es mit ihm als Vizekanzler eine Erhöhung des Verteidigungsetats auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes geben wird. Das würde eine Erhöhung von jetzt rund 50 auf dann etwa 135 Milliarden Euro im Jahr bedeuten. Nach einem Vorschlag von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll die Erhöhung in Schritten von 0,2 Prozentpunkten des Inlandproduktes passieren und in sieben Jahren abgeschlossen sein.

Auf dem Parteitag nächste Woche stellt sich Lars Klingbeil zur Wiederwahl. Im Duo mit Arbeitsministerin Bärbel Bas. Die Gruppe um Stegner hat der Vorsitzende dabei weniger zu fürchten. Berufspolitiker haben auf den Parteitagen eine deutliche Mehrheit. Zudem ist Stegner in der Partei randständig. Als er 2019 um den Vorsitz in der Partei kandidierte, belegte er den sechsten Platz – von sechs Plätzen. Seine Wahlniederlagen, aber auch seine häufige und unglückliche Präsenz in den Talkshows des Staatsfernsehens machen Stegner nicht beliebt.

Trotzdem muss Klingbeil ein schlechtes Ergebnis fürchten. Zum einen, weil er als Vorsitzender die Wahlpleite vom Februar zu verantworten hat, aber seitdem mehrfach befördert wurde – bis hinein ins Finanzministerium. Während er zum anderen in der Aufarbeitung der Wahlpleite mehrere politische Morde beging. Namhafte Bauernopfer: Saskia Esken, Hubertus Heil, Nancy Faeser… Alles Funktionäre, die es durchaus verstehen, in der Partei Strippen zu ziehen. Kurz vor Klingbeils geplanter Wiederwahl sieht die Regie des Parteitags eine große Abschiedsrede der scheidenden Vorsitzenden Esken vor.

Klingbeil braucht für seine Wahl also gute Argumente. Die liefert ihm nächste Woche voraussichtlich die “Mindestlohn Kommission”. Diese muss bis “Ende Juni” einen Vorschlag für die zukünftige Höhe des Mindestlohns machen. Das wäre der Montag nach dem Parteitag. Spätestens. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Kommission ihr Ergebnis schon in der Woche davor macht. Und dass der 15 Euro – oder mehr – beträgt. So wie es die SPD im Wahlkampf gefordert und Klingbeil im Koalitionsvertrag verankert hat.

Als das dritte Kabinett Angela Merkel (CDU) 2015 den Mindestlohn einführte, gab die Bundesregierung das Versprechen ab, eine unabhängige Kommission werde die Höhe des Mindestlohns festlegen. Der verkomme damit nicht zum politischen Kampfinstrument. Doch dieses Versprechen hat die SPD bereits 2021 gebrochen, als sie im Wahlkampf eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro versprochen und nach der Wahl unter Bundeskanzler Olaf Scholz durchgesetzt hat.

2025 hat die SPD dann Wahlkampf mit dem Versprechen einer Erhöhung auf 15 Euro gemacht. Die Höhe des Mindestlohns sollte niemals zum PR-Instrument werden. Das haben Merkel und Frank-Walter Steinmeier (SPD) seinerzeit beteuert. Zehn Jahre später ist er ein PR-Instrument in jedem Wahlkampf. Jetzt sogar in parteiinternen. Denn Klingbeil wird die Erhöhung auf 15 Euro als PR-Instrument für die Wiederwahl zum SPD-Vorsitzenden verwenden. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Bundesregierung die Kommission über die Höhe des Mindestlohns entscheiden lässt, der aber mindestens 15 Euro zu betragen hat. Beim Verhohnepipeln des Bürgers geben sich die Mächtigen des Landes nicht einmal mehr Mühe.

Zur Kommission gehören die Vorsitzende Christiane Schönefeld, zwei Wissenschaftler und jeweils drei Vertreter der organisierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft. Eingesetzt wurde sie von der Regierung Scholz im Januar und ist damit für die nächsten fünf Jahre für die Höhe des Mindestlohns zuständig. Jetzt steht die Gruppe unter massivem Druck. Eigentlich kann sie gar nicht anders, als den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Die Formulierung im Koalitionsvertrag wirkt wie ein Messer an der Kehle.

Im Internet gibt bzw. gab es eine Seite der Kommission, auf der die Namen der einzelnen Mitglieder zu finden sind. Die Seite ist nicht mehr aktiv. Den “HTTP Status 404” bekommt angezeigt, wer sich nach den Namen erkundet. Ein verständlicher Schritt. Die Fachverbände warnen vor einer politisch motivierten Erhöhung des Mindestlohns um fast ein Fünftel der bisherigen Höhe von 12,82 Euro. Wenn die Politik die Kommission für kaum verhohlene Machtspielchen nutzt, ist es verständlich, wenn die Kommission die betroffenen Mitglieder dann wenigstens davor beschützt, öffentlich bekannt zu werden.

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