
Kaum war Friedrich Merz zum Kanzler in spe gewählt, da kündigte er an, ein „Sondervermögen des Bundes“ in Höhe von 500 Milliarden Euro zur Modernisierung der Infrastruktur schaffen zu wollen.
Als ich das gehört habe, sind mir sofort eine Menge Fragen eingefallen. Zum Beispiel: Was bedeutet eigentlich Sondervermögen? Wo kommt das Geld her? Ist dieses Vermögen tatsächlich ein Vermögen, das schon da ist – oder ist das ein Euphemismus für Schulden, die erst gemacht werden sollen? Und wenn das Sondervermögen tatsächlich nur aus Schulden besteht, verstoßen diese dann nicht gegen die Schuldenbremse? Und überhaupt: Was wird damit eigentlich gemacht? Schlussendlich: Was hat das für Auswirkungen auf den deutschen Bundeshaushalt in der Zukunft?
Ich bin vermutlich nicht der Einzige, den diese Fragen umtreiben. Deshalb gehen wir sie jetzt der Reihe nach durch.
Friedrich Merz kündigte – entgegen aller Wahlversprechen – ein „Sondervermögen des Bundes“ in Höhe von 500 Milliarden Euro an.
Das geplante Sondervermögen der Bundesrepublik Deutschland umfasst zwei zentrale Bestandteile. Ein erstes 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen, das über einen Zeitraum von zehn Jahren genutzt werden soll. Ziel ist es, den Investitionsstau in Bereichen wie Verkehr, Digitalisierung und Energie zu beheben. Und dann gibt es ein zweites 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr, das zur Modernisierung und Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der deutschen Streitkräfte genutzt werden soll. Das wurde bereits 2022 durch eine Grundgesetzänderung ermöglicht.
In der Buchhaltung jedes Unternehmens gibt es die Unterscheidung in Aktiva und Passiva. Aktiva sind Vermögenswerte, die vorhanden und bezahlt sind, zum Beispiel Maschinen, Gebäude, Geld in der Kasse und Forderungen an Kunden. Passiva sind nach dem Eigenkapital in der Hauptsache Verbindlichkeiten, also Schulden in Form von Krediten, die zurückgezahlt, oder offenen Rechnungen, die beglichen werden müssen.
Und so müssen wir auch das Sondervermögen betrachten. Ist es ein Aktivum oder ein Passivum? Ist es ein bereits vorhandenes, bezahltes Vermögen – oder sind das im Endeffekt Schulden?
Sie merken es schon an meinem genervten Ton: Das „Sondervermögen“ besteht nur aus Schulden. Das, was uns als „Vermögen“ verkauft wird, ist keines. Das muss erst noch durch eine gigantische Neuverschuldung der Bundesrepublik aus dünner Luft geschaffen werden.
Das heißt also: die ganze Diskussion um das Sondervermögen beginnt von vornherein mit einer Unwahrheit. Das, was uns als Guthaben auf der Bank verkauft wird, ist ein angefragter Kredit, der noch nicht einmal genehmigt ist.
Am Ende des Tages kommen alle Staatsausgaben immer aus dem Bundeshaushalt, auch wenn sie durch buchhalterische Tricks daran vorbeigeschwindelt werden. Woher denn sonst? Und sie werden immer und ausschließlich von den Steuerzahlern finanziert.
Nun wird ja immer behauptet, ein solch gigantischer Kredit würde den Jahresetat der Bundesrepublik nicht belasten, weil die Mittel ja über Jahrzehnte zurückgezahlt werden. Diese Aussage ist leider falsch. Alle Staatskredite werden über Jahrzehnte zurückbezahlt, da die Schulden praktisch aller Staaten ja seit Jahrzehnten nicht mehr sinken, sondern im Gegenteil stetig steigen.
Das von Merz geforderte Sondervermögen würde die deutsche Schuldenbilanz dramatisch erhöhen. Deutschland hat im Moment eine Staatsverschuldung von rund 2,4 Billionen Euro. Betrachtet man nur das anvisierte Sondervermögen für die Infrastruktur von 500 Milliarden Euro, dann stiege die Schuldenlast damit um rund 21 Prozent. Oder anders ausgedrückt: 500 Milliarden Euro sind mehr als der gesamte Bundeshaushalt, der für 2025 auf 476 Milliarden Euro veranschlagt ist.
Die Autobahn A3 Frankfurter Kreuz. Das Sondervermögen soll u.a. für die Modernisierung der Infrastruktur aufgewendet werden.
Ja, das tut es. Die Schuldenbremse wurde 2009 im Grundgesetz verankert, um die Staatsverschuldung Deutschlands zu begrenzen. Sie erlaubt dem Bund eine strukturelle Neuverschuldung von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den Ländern grundsätzlich keine Neuverschuldung. Zur Klarstellung: Die maximal erlaubte Neuverschuldung gemäß der Schuldenbremse beim Bundeshaushalt betrüge bei einem Volumen von 476 Milliarden Euro im Jahr 2025 rund 1,67 Milliarden Euro.
Das geplante Sondervermögen von 500 Milliarden Euro zur Modernisierung der Infrastruktur würde also eine massive Neuverschuldung bedeuten und somit gegen die Bestimmungen der Schuldenbremse verstoßen. Um dies zu ermöglichen, wäre eine Änderung des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheit erforderlich.
Nun, genau so, wie es 2022 bereits einmal geschehen ist: mit einer Änderung des Grundgesetzes. Damals wurde das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr durch eine Grundgesetzänderung beschlossen, um es außerhalb der Schuldenbremse zu finanzieren. Da Änderungen am Grundgesetz eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erfordern (Artikel 79 Absatz 2 GG), konnte das Sondervermögen nur mit breiter Zustimmung beschlossen werden. Dazu wurde das Bundeswehr-Sondervermögen als außerbudgetärer Fonds eingerichtet, sodass es nicht direkt als Neuverschuldung des Bundes erscheint. Die Regierung nutzte die Notlagenklausel aus Artikel 115 GG („Die Kreditaufnahme kann bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder in einer außergewöhnlichen Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entzieht, über die reguläre Schuldenbremse hinausgehen“), um die Schuldenbremse aufgrund der veränderten Sicherheitslage (Ukraine-Krieg) auszusetzen.
Das von Friedrich Merz angestrebte Sondervermögen ist nur mit einer Änderung im Grundgesetzes möglich. Diese erfordert eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.
Und genau so wollen CDU und SPD jetzt wieder vorgehen – allerdings gibt es dieses Mal einen gravierenden Unterschied zum Jahr 2022: Die CDU hat in ihrem Wahlkampfprogramm ausdrücklich versichert, die Schuldenbremse beizubehalten („Die Schuldenbremse im Grundgesetz ist nicht verhandelbar – sie schützt die Zukunft unserer Kinder“).
Das geplante 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen soll über einen Zeitraum von zehn Jahren gezielt in Infrastruktur, Digitalisierung und Klimaschutz investiert werden. Ein großer Teil der Mittel ist für den Ausbau und die Sanierung der Verkehrswege vorgesehen, darunter Straßen, Schienen und der öffentliche Nahverkehr. Zudem soll die digitale Infrastruktur durch flächendeckendes Breitband-Internet und den Ausbau des 5G-Netzes verbessert werden.
Ein Windpark östlich von Geilenkirchen in NRW. Ein Teil des 500-Milliarden-Sondervermögens soll für den Ausbau von erneuerbaren Energien verwendet werden.
In den Energiesektor fließen Investitionen in erneuerbare Energien, Netzausbau und Maßnahmen zur Versorgungssicherheit. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Bildung und Forschung, insbesondere durch Modernisierung von Schulen sowie Förderung von Universitäten und Technologiezentren. Auch das Gesundheitswesen soll profitieren, etwa durch die Modernisierung von Krankenhäusern und die Digitalisierung medizinischer Prozesse.
Die geplante Erhöhung der deutschen Staatsverschuldung durch das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen könnte erhebliche Auswirkungen auf die Steuerzahler haben. Prognosen zufolge könnte die Schuldenquote Deutschlands bis 2030 von derzeit etwa 65 Prozent auf mindestens 75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen. Diese zusätzliche Verschuldung würde zu einem Anstieg der jährlichen Zinszahlungen um zweistellige Milliardenbeträge führen, was den finanziellen Spielraum für notwendige Reformen und Investitionen einschränken könnte.
Der Bund der Steuerzahler warnt außerdem vor einer unkontrollierten Schuldenpolitik, die zu ineffizienten Ausgaben führen könnte. Präsident Reiner Holznagel kritisiert, dass die Möglichkeit unbegrenzter Kredite für die Bundeswehr und Infrastrukturprojekte zu einer Verschwendung von Steuergeldern führen könnte, da Projekte möglicherweise nicht ausreichend auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden.
Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V., kritisiert, dass unbegrenzte Kredite zu einer Verschwendung von Steuergeldern führen könnte.
Kauft einer etwas auf Kredit, also mit Geld, das er gar nicht hat und das er eines Tages zurückzahlen muss, dann sollte er sich fragen, was er dafür überhaupt bekommt. Also: Was bekommen wir Bürger eigentlich für diese gigantischen Ausgaben, die CDU und SPD nun unbedingt durch den Bundestag bringen wollen?
Versprochen werden wieder einmal blühende Landschaften – geliefert werden aber möglicherweise Trümmer und Ruinen. Da auch ich nicht in die Zukunft blicken kann und einem wie Friedrich Merz immerhin guten Willen unterstellen möchte, prüfen wir jetzt einmal, was wir bislang für die 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr erhalten haben. Hat das gereicht, um unsere Armee in eine moderne, kampfstarke Truppe zu verwandeln? Spoiler vorweg: leider nein.
Ein erheblicher Teil der Mittel war für die Modernisierung der Luftwaffe vorgesehen, insbesondere für die Beschaffung von F-35-Kampfflugzeugen und die Entwicklung des Future Combat Air System (FCAS). Für die Landstreitkräfte waren Investitionen in Schützenpanzer vom Typ PUMA und das Main Ground Combat System geplant. Im maritimen Bereich sollten Mittel für neue Fregatten der Klasse 126 und U-Boote der Klasse 212 eingesetzt werden. Zudem waren erhebliche Investitionen in die Digitalisierung und Führungsfähigkeit der Bundeswehr vorgesehen, darunter das Projekt „Digitalisierung landbasierter Operationen“ (D-LBO). Trotz dieser ambitionierten Vorhaben wurden bis 2023 lediglich 8,4 Milliarden Euro des Sondervermögens ausgegeben, für das Jahr 2024 waren Ausgaben in Höhe von 19,8 Milliarden Euro geplant. Bis März 2025 war also gerade einmal ein Viertel der Mittel zur Ertüchtigung der Bundeswehr eingesetzt.
Wenn wir nun analysieren, was wir bislang für die verausgabten 28 Milliarden Euro zur Stärkung der Bundeswehr bekommen haben, dann ist das Fazit extrem ernüchternd: Die Bundeswehr ist im März 2025 personell und materiell massiv eingeschränkt: 200.000 Soldaten sollte sie haben, 180.000 hat sie. Vom Material sind nur etwa 50 Prozent einsatzbereit. Die geplanten drei kampfbereiten und kaltstartfähigen Divisionen mit acht Brigaden zu jeweils 5000 Mann, die zusammen rund 40.000 Soldaten umfassen sollten, sind aufgrund von Verzögerungen in der Beschaffung und strukturellen Problemen nicht kampfbereit.
Wenn ich mir den Zustand der Bundeswehr anschaue, dann habe ich wenig Hoffnung, dass es mit dem 500-Milliarden-Infrastruktur-Sondervermögen besser laufen sollte. Mir ist – wie allen Bürgern dieses Landes – klar, dass die Bahn auf dem letzten Loch pfeift und Brücken, Autobahnen, Straßen, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser mehr kaputt als heil sind. Ich sehe aber nicht, wie diese Katastrophe durch einen Superkredit des Staates und allein durch staatliche Maßnahmen beendet werden soll.
Die eingestürzte Carolabrücke in Dresden.
Es ist ein alter sozialistischer Gedanke, dass immer dann, wenn etwas nicht funktioniert, der Staat ran muss. Das funktioniert nicht – der Staat ist nicht der beste, sondern der schlechteste Unternehmer. Der Staat ist weder innovativ noch kreativ, er erfindet und verbessert nichts – er macht alles immer nur langsamer, schwerfälliger, ineffizienter oder verhindert es gleich ganz.
Wenn es um Infrastruktur, Bahn, Bildung, Schulen, Krankenhäuser und Universitäten geht, wird in Deutschland viel zu wenig überlegt, wie private Initiativen Abhilfe schaffen könnten. Die Bahn hätte längst an die Börse gebracht werden müssen, was sie mit neuem Kapital ausgestattet und ihr die Pflicht zu Effizienz und Rendite auferlegt hätte. Krankenhäuser, Schulen und Universitäten könnten ebenfalls privatisiert oder wenigstens teilprivatisiert werden.
Das würde viel mehr bringen als eine steuerfinanzierte Ausgabenorgie, die kein Mensch kontrollieren kann.