
Zu Zeiten der Bonner Republik hieß es, der Bundestag sei mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer! Im Prinzip hat sich daran im 20. Deutschen Bundestag wenig geändert, wenn man den Spottvers als Metapher dafür nimmt, dass nur noch wenige Volksvertreter mitten aus dem Wirtschaftsleben kommen.
Dies bestätigt ein Blick in das aktuelle Abgeordneten-Handbuch („Kürschner“), das in diesen Tagen offiziell erscheint. Es gibt Auskunft über die beruflichen Hintergründe der Bundestagsabgeordneten.
Die hohe Akademikerquote zeigt: Es fehlt an Abgeordneten, die praktische Berufserfahrung in Unternehmen oder eine berufsnahe Ausbildung haben. Zudem machen 52 der jetzt 630 Abgeordneten keine Angaben über den beruflichen Hintergrund. Vielleicht, weil sie oder er keinen hat?
Einigermaßen erfreulich (aber leider nur relativ) ist: Unter den aufgeführten Berufen nahm die Zahl der ehemaligen Beamten oder Angestellten im Öffentlichen Dienst ab. Waren es zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode 215 Abgeordnete aus diesem Bereich, sind es jetzt noch 179. Allerdings ist der Rückgang in Wahrheit nicht der Rede wert. Denn der Bundestag verkleinerte sich gleichzeitig von 736 auf nunmehr 630 Abgeordnete.
Fast keine Handwerks-Unternehmer
Anlass zu Besorgnis gibt: Die Zahl der ehemals selbstständigen Abgeordneten verkleinerte sich von 54 auf jetzt nur noch 37 – ein Rückgang um rund 20 Prozent. Unter den Selbstständigen stammen dabei nicht einmal mehr drei von 100 Abgeordneten aus den Tätigkeitsfeldern Handwerk, Handel, Gewerbe oder Industrie. Zu dieser aussterbenden Spezies gehört etwa AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla (Malermeister).
Gleichzeitig sank der Anteil der sogenannten freien Berufe (dazu zählen etwa Wirtschaftsberater, medizinische Angestellte oder freie naturwissenschaftliche Berufe) um 14 Prozent. Aus dem Bereich stammen nur noch 17 unter 100 Abgeordneten.
Das neue Handbuch gewährt Einblick auch in die Studienfächer der Abgeordneten. Wenig überraschend ist, dass mit 162 die meisten Abgeordneten Rechts- und Sozialwissenschaften studierten, 99 Politikwissenschaften. Immerhin: 46 können noch ein BWL-Studium vorweisen, 14 weniger als 2021. Zumindest darf man unterstellen, dass dieses Fähnlein wenigstens einen blassen Schimmer von Wirtschaft hat. (oys)