
Nur wenige Stunden, nachdem Trump das Ende der finanziellen Unterstützung der Ukraine bekanntgab, verkündete die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Plan zur Aufrüstung Europas. „Wir befinden uns in einer Epoche der Aufrüstung“, sagte sie vor Journalisten in Brüssel. In einem Brief, den sie am Dienstag an die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten verschickte, legt sie ihren Plan für das europäische Aufrüstungsprogramm „Rearm Europe“ vor.
Das Aufrüstungsprogramm könne bis zu 800 Milliarden Euro umfassen, sagte von der Leyen. Damit übersteigt die tatsächliche Summe die geschätzte Summe deutlich. Letztes Jahr hatte die EU-Kommission geschätzt, dass innerhalb der nächsten Dekade 500 Milliarden Euro nötig sein würden, um die Waffenproduktion in Europa und der Ukraine anzukurbeln, wie Euractiv berichtet.
In dem Brief an die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten schreibt von der Leyen zu Beginn: „Eine neue Ära liegt vor uns. Europa sieht sich einer deutlichen und aktuellen Gefahr gegenüber, die ein Ausmaß hat, das keiner von uns zu unseren Lebzeiten als Erwachsener gesehen hat“. Der Brief wurde von der Politico-Journalistin Karina Moessbauer auf X veröffentlicht.
Mit diesem Brief schlägt vdL ihren Plan „REARM Europe“ vor:➡️ Neues Instrument, um EU-Staaten Kredite zu gewähren➡️ Ausnahmeklausel bei den Schulden-Regeln➡️ Anreize für Verteidigungsausgaben➡️ Einbindung der European Investment Bank ➡️ privates Kapital pic.twitter.com/xIUX1e9kwe
— Karina Moessbauer (@K_Moessbauer) March 4, 2025
Weiter heißt es in dem Brief, dass die Zukunft einer freien und sicheren Ukraine wie eines sicheren Europas auf dem Spiel stehe. „Das ist unsere Schlussfolgerung: Europa muss für seine eigene Abschreckung und Verteidigung verantwortlich sein“. Der Kontext, in dem gehandelt werde, ändere sich „drastisch und dramatisch“, wie es auf der zweiten Seite des Schreibens in Bezug auf die Beziehung zu den USA heißt. Die politische und wirtschaftliche Ordnung Europas werde im Kern erschüttert.
„Und wenn die europäische Ordnung erschüttert wird, das lehrt uns die Geschichte, dann kann die gesamte internationale Ordnung destabilisiert werden“, schreibt von der Leyen an die Regierungschefs. Angesichts dieser Situation will sie vor dem EU-Gipfeltreffen am Donnerstag den Plan für ein europäisches Aufrüstungsprogramm vorstellen. „Wir haben zwei mögliche Pfade vor uns“, schreibt die EU-Kommissionspräsidentin.
Entweder reagiere die Europäische Union mit marktwirtschaftlichen Mitteln und kleinschrittig auf die Situation oder „wir müssen unseren kollektiven Geist mobilisieren, um die Demokratie zu verteidigen“. Und weiter: „Ich glaube, die zweite Option ist unsere einzige Wahl. Es ist schließlich unser ureigener Zweck.“ Um die Sicherheit und Demokratie in Europa zu schützen, müsse die „industrielle und produktive Macht“ der Europäischen Union „entfesselt“ werden.
Konkret schlägt die EU-Kommissionspräsidentin fünf Maßnahmen vor: Erstens solle ein neues Finanzierungsinstrument eingeführt werden, das es erlaubt, den EU-Mitgliedsstaaten insgesamt bis zu 150 Milliarden Euro zur Förderung von Verteidigungsausgaben bereitzustellen. Dazu soll die Ausweichklausel des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts aktiviert werden, sodass die Staaten mehr Geld zur Waffenproduktion ausgeben können, ohne wegen Überschuldung belangt zu werden, wie Euractiv berichtet.
Das Geld solle vor allem zur Förderung der Produktion von Luftwaffensystemen, Drohnen, Raketen und Munitionen und Maßnahmen zum Schutz kritischer Infrastruktur verwendet werden. Außerdem soll privates Kapital mobilisiert werden, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. So soll auch die Europäische Investitionsbank (EIB) solche Ausgaben unterstützen. Genaue Details sind noch nicht bekannt.
Des Weiteren fordert Ursula von der Leyen, dass die „Milliarden von Ersparnissen von Europäern in Märkte innerhalb der EU investiert“ werden. Dazu soll zum Beispiel die Kapitalmarktunion vorangetrieben werden. Firmen sollen leichter Zugang zu Kapital bekommen, denn öffentliche Investitionen alleine würden nicht ausreichen. In einem Pressestatement, das die EU-Kommission zum geplanten Verteidigungspaket am Dienstag veröffentlichte, heißt es: „Die eigentliche Frage, die sich uns stellt, ist, ob Europa bereit ist, so entschlossen zu handeln, wie es die Situation erfordert. Und ob Europa bereit und in der Lage ist, so schnell und so ambitioniert zu handeln, wie es nötig ist.“
Wenn die Mitgliedsstaaten ihre jährlichen Verteidigungsausgaben um 1,5 Prozent des BIPs erhöhen, könnte es einen zusätzlichen Spielraum von 650 Milliarden Euro geben, heißt es in der Presseerklärung weiter. Das zusätzliche Geld könne genutzt werden, um die Ukraine besser zu unterstützen. Am nächsten Montag und Dienstag sollen die EU-Finanzminister zusammenkommen, um den Aufrüstungsplan weiter zu besprechen, wie Politico schreibt.
Mehrere Beamte äußerten gegenüber Politico die Ansicht, dass nicht genutztes Geld aus dem Post-Covid-Konjunkturfonds verwendet werden könnte. Aus dem Post-Covid-Fonds sind 93 Milliarden Euro an Darlehen nicht verwendet worden. Die Kommissionsbeamten sind zuversichtlich, dass ungenutzte Gelder mit der Unterstützung einer einfachen Mehrheit der EU-Länder – im Gegensatz zur Einstimmigkeit – umgewidmet werden können. „Das ist Europas Moment und wir müssen dem gerecht werden“, appelliert von der Leyen.