
Dieses als Verschlusssache gestempelte Dokument – gut 1.000 Seiten stark – soll belegen, dass Teile der AfD systematisch gegen zentrale Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FDGO) agieren. Am Dienstagabend veröffentlichten mehrere Medien das Papier, nachdem Anfragen abschlägig beschieden wurden. Schon die Geheimhaltung war ein Skandal: Die AfD sollte öffentlich gebrandmarkt werden, Bürger von der Mitgliedschaft abgehalten werden und politische Partner blockiert werden – und das mit Geraune und Gemurmel, das nicht belegt war. Ein paar dünne Zeilen einer Presseerklärung sollten genügen.
Es ist eine Politik mit Geheimdienstmethoden – Behauptungen werden im Verborgenen aufgestellt, aber politisch wirksam gemacht. Statt zu berichten wird mit Geheimdienstmethoden agiert. Aus dem Beobachtungsorgan Verfassungsschutz wurde damit ein Inlandsgeheimdienst, der auf Weisung des Innenministers gegen die Oppositionspartei agiert – ein ungeheuerlicher Vorgang.
Denn dass ein Geheimdienst eine große Oppositionspartei beobachtet, ist ein drastischer Eingriff in den demokratischen Prozess. Noch dramatischer, dass der Geheimdienst gezielt eingreift – ohne Begründung, ohne gerichtliche Überprüfung, ohne die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Woran erinnert das?
Und worauf stützt der Verfassungsschutz seinen Extremismus-Verdacht? Das wissen wir jetzt – aus einem Geheimdokument, dessen bloße Veröffentlichung bereits illegal ist. Das ist nicht die mediale Praxis eines demokratischen Rechtsstaats, indem wesentliche politische Fragen öffentlich verhandelt werden.
Über die AfD erfährt man nichts, was man nicht weiß oder blitzschnell googeln kann. Denn es werden nur öffentliche Zitate aneinandergereiht. Wer geglaubt hat, unter der drohenden, dräuenden, Gefährlichkeit signalisierenden Überschrift „gesichert verfassungsfeindlich“ werde etwas offenbart, eine geheime Verschwörung zum Umsturz etwa, Waffenlager, Training von Attentätern – nichts davon. Es geht um Papier, das umgewälzt wird, um Worte, aus dem Zusammenhang gerissen, um kunstvoll aufgebauschte Behauptungen und zusammengezimmerte, wacklige Konstruktionen.
Ein Beispiel: In Deutschland tobt ungehindert ein antisemtischer Kampf von Hamas-Anhängern gegen Juden, die niedergeschlagen, bedroht, beschimpft werden. Ist die AfD dabei? Nein. Zwar werden seitenlang Hamas-kritische Einlassungen des Bundesvorstandes, von Alice Weidel, Tino Chrupalla und anderen zitiert, aber die lässt das Amt nicht gelten: „Die angeführten Aussagen in Bezug auf die Ermordung und Verschleppung von Menschen durch die Hamas in Israel lassen daher die Feststellung von Anhaltspunkten für Antisemitismus in der AfD nicht entfallen.“
Das ist eine weitgehende Bewertung. Begründet wird sie nicht. Das ist Methode: Behauptungen bedrohlichster Art aufzustellen – Gegenargumente werden nicht wahrgenommen und schon gar nicht einbezogen. Denn, die Beobachtungsmenschen: Sie denken eigentlich anders, und so werden „Äußerungen“ angeführt.
„Zielobjekt dieser (angeblich antisemitischer, der Verf.) Äußerungen sind … Personen, die – wie Klaus Schwab – nicht jüdisch sind, die jedoch mit antisemitischen Negativattributen belegt und beschrieben werden, wie sie typischer- und traditionellerweise auf Jüdinnen und Juden angewendet werden. Damit wird nicht nur die Menschenwürde von Jüdinnen und Juden angetastet, sondern auch diejenige von Nicht-Juden, indem sie unter antisemitischem Vorzeichen de facto zu Juden erklärt werden.“
Wie geht das denn? Das BfV weiß wie: Es würden „mehrdeutige Begriffe kombiniert, die nur in Bezug aufeinander und/oder im konkreten Äußerungskontext als eindeutig antisemitisch erkennbar“ seien, während sie „isoliert mehrere Lesarten zulassen“. Ganz schön trickreich, diese AfD. Und: Man kann sich nicht wehren, gegen das BfV, denn es legt ja fest, was WIRKLICH gemeint ist. Dabei sind es eher abenteuerliche Wortverdrehungen des Verfassungsschutzamtes.
Einzelne Begriffe werden vom Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ chiffriert. Wer sie bewusst oder unbewusst verwendet, aus Bedacht oder einer Laune – sage oder schreibe „Umvolkung“ oder „Überfremdung“, und schon ist es geschehen: Du bist rechtsextrem, und das ist amtlich. Nur: Will man ernsthaft aus Einzelbegriffen eine Partei, die von über 20 Prozent gewählt wird, an solchen Begriffen aufhängen? Man will. Das ist die Methode der begrifflichen Denunziation. Sie funktioniert praktischerweise mit modernen Computerschreibsystemen wie dem verbreiteten „Word“ von Microsoft. Man gibt in die Suchmaske Worte wie „Blockpartei“, „Kartellpartei“, „Systempartei“ ein, und wenn ein AfD-Miglied oder -Funktionsträger sie verwendet, landet er im Körbchen „Rechtsextremismus“. Das Verfahren funktioniert blitzschnell, je gewagter die Behauptungen.
Und dann geht es los. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Rene Bachmann teilte danach am 11. November 2023 auf Facebook einen Beitrag von David Bendels, dem Herausgeber und Chefredakteur des Deutschland-Kuriers, und schrieb hierzu:
„Hier ein weiterer Grund, um sich von den Systemmedien abzuwenden, hin zur Realität. Deshalb Deutschland Kurier statt Spiegel!“
Nun gut, eine Werbung in eigener Sache – schon wird sie umgedeutet in einen massiven Angriff.
Der Verfassungsschutz kritisiert ernsthaft, mit der Forderung, sich generell von „den Systemmedien“ abzuwenden, werde „die deutsche Medienlandschaft insgesamt … diffamiert“ (S. 568).
Und schon ist der Staat in Gefahr, der Beleg für das rechtsextreme Umsturzvorhaben da:
Statt „einen bloßen Beitrag im Rahmen des pointierten politischen Meinungskampfs“ zu geben, seien diese Wortmeldungen „in ihrer verunglimpfenden Pauschalisierung“ darauf ausgerichtet, „demokratische Institutionen und Strukturen selbst fundamental in Frage zu stellen“. Sie würden „deshalb gegen das Demokratieprinzip als solches verstoßen“. (S.571)
Aha. Wer also mit der Medienlandschaft unzufrieden ist stellt „demokratische Institutionen und Strukturen selbst fundamental in Frage? Neben der Staatskritik wird auch gleich Medienkritik diskreditiert. Es gibt sie offensichtlich doch, die von Bendels und anderen gefürchtete Einheitsfront aus Medien, Parteien und Politik.
Selbst neutrale, warnende Erinnerungen an die deutsche Geschichte sind den Gutachtern eine Erwähnung und jede Menge Platz wert. Fast eine halbe Seite nimmt dieser Beitrag ein:
„Der bayerische AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka (Mdß, BY) veröffentlichte am 22. Februar 2024 auf Telegram eine Grafik mit folgender Aufschrift: „… 1933 darf sich nicht wiederholen! Bürger wurden von den Nationalsozialisten diffamiert.
Andersdenkende wurden verraten Die Medien wurden kontrolliert Meldestellen wurden eingerichtet Das Volk wurde gespalten Parteien wurden verboten.“
Angeblich wird die Gegenwart mit der NS-Zeit gleichgestellt. Man reibt sich die Augen: Wo genau? Die Beschreibung ist korrekt. Sie wird ständig wiederholt, von Linken. Dort bleibt sie unbeanstandet.
Auch ein Tweet von Tino Chrupalla am 26. November 2022 auf Facebook erscheint im Gutachten unter der Überschrift „Gleichsetzungen mit dem Nationalsozialismus“.
Chrupalla hatte geschrieben: „Und Bundesinnenministerin Nancy Faeser stand mit bunter Armbinde auf der Tribüne. Deutsche Regierungspolitiker mit Armbinde. Ich hatte gehofft, dass wir dieses Bild nie wieder sehen müssen.“ Man erinnert sich an das peinliche Bild der Innenministerin; leicht gekleidet, ihr Gegenüber korrekt angezogen und ohne Armbinde.
Immerhin gibt der Verfassungsschutz selbst einschränkend zu, dass dieser Vergleich lediglich „implizit“ sei (S.586). Hat Chrupalla Faeser mit Nazis gleichgesetzt? Wegen der Armbinde in Regenbogenfarben? Absurd.
Solcherlei Beispiele aus Sprache, verwendeten Begriffen und dem Personal der AfD werden angeführt – doch wie belastbar sind diese Indizien? Wo endet legitime Meinungsäußerung und wo beginnt verfassungsfeindliche Agitation?
Es ist wie ein Blick in den Spiegel: Nicht so sehr die AfD argumentiert verfassungsfeindlich – das Bundesamt für Verfassungsschutz selbst überschreitet jede Grenze und sieht sich selbst im Spiegel: Nun sind historische Vergleiche immer Glatteis. Aber hier geht es nicht um Geschmacksfragen, sondern darum, ob wegen durchaus überspitzter Bemerkungen eine Partei in ihrer Arbeit behindert werden darf. Ein kurzer Blick in Rhetorik von Politikern nicht-verfolgter Parteien zeigt eine Fülle von Nazi-Vergleichen, passend, unpassend, beleidigend, willkürlich, zutreffend oder unzutreffend. Das Parteibuch entscheidet über erlaubt und unerlaubt.
Beim Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka (BY) reichte bereits eine Frage, die er am 13. August 2021 auf Twitter stellte für den Beobachtungsfall und der Bezeichnung rechtsextrem: „Ich bin Jetzt ein Mensch zweiter Klasse, ich bin #Ungeimpft. Muss ich jetzt irgendeine Armbinde tragen?“ (S.536) Und das Vergehen der Bundestagsabgeordneten Barbara Lenk (mittlerweile: Barbara Benkstein; SN): Sie teilte ein Meme des Kinofilms „lnglourious Basterds“, in dem Christoph Waltz als SS-Oberst die Frage stellt: „Sie verstecken Ungeimpfte unter ihrem Fußboden, nicht wahr?!“ Lenk, so der Verfassungsschutz, setze „bewusst das im Film dargestellte Leid der Juden in Europa mit der Situation von Ungeimpften in Deutschland heute gleich und relativiert damit NS-Verbrechen“ (S.537).
Es ist abenteuerlich. Nochmal: Man kann über solche Bemerkungen streiten – aber ein Beleg für die unterstellten verfassungsfeindlichen Umsturzvorhaben sind sie nicht. Und die ständigen Faschismusvorwürfe der etabllierten Parteien und Medien, die die Besitzer von Dackel-Hunden des Nazismus verdächtigen wie die Süddeutsche Zeitung? Ist natürlich blanker Unsinn, aber nicht extrem. So wird mit zweierlei Maß gemessen, andauernd und ständig.
Und es ist ermüdend. Wie viel staatlich bezahltes Hirnschmalz wurde hier verpulvert?
Eine Schlüsselrolle spielt das völkisch-nationalistische Weltbild, das laut BfV in der AfD verbreitet ist. Im Gutachten wird der Erhalt eines „organisch-einheitlichen Volks“ als oberstes Ziel der Untergruppierung allerdings aufgelösten „Flügel“ beschrieben. Nun ist es eindeutig, dass sich die Parteiführung, Parteitag und Parteiprogramm davon distanzieren, viele Migranten in der AfD Mitglied sind. Aber da sieht man die Verfassungsschützer überlegen lächeln. Mit den Mitteln ihrer Sprachanalyse schauen sie hinter das Wort in das Herz und Hirn und entdecken die wirkliche Gedankenwelt.
„Bestimmte Bevölkerungsgruppen“ sollen von der AfD angeblich aus der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen, und einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung ausgesetzt werden. Geschlossen wird das aus einem wüsten Sammelsurium von Aussagen, die meist aus dem Zusammenhang gerissen werden oder, schlimmer noch, auf empirische Beobachtungen zurückgreifen. Wehe, man schreibt über Straftaten von Ausländern:
„Derartige Aussagen sollen die Angst schüren, als ethnisch Deutsche(r) in einen Minderheitnstatus zu verfallen, und bedienen eine hierauf ausgerichtete Bedrohungskommunikation.“
Zukünftig darf also medial auch nicht mehr über Schulen berichtet werden, in denen der deutschen Sprache nicht mächtige Kinder längst die Mehrheit bilden – denn dies könnte Angst verbreiten. Damit überschreitet der Geheimdienst eine wichtige Grenze: Fakten dürfen nicht berichtet und behandelt werden, wenn sie nicht in das allgemein verordnete Wohlgefühl passen, sondern Störung der erwünschten Harmonie auslösen könnten. Auch Forderungen nach vermehrter und verbesserter Integration, Sprachkenntnissen und Anpassung an hiesige Lebensumstände gelten als „verfassungsfeindlich“.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik, die Anteile bestimmte Bevölkerungsgruppen bei Kriminalfällen ermittelt, ist nach dieser Lesart „Bedrohungskommunikation“, die Ängste schürt. Begriffe wie „Messermigration“ sind die Keulen, die wie „Hinweise auf ein rückständiges Frauenbild“ oder sexuell motivierte Straftaten nicht mehr benutzt werden dürfen – die Benennung unstrittiger Fakten ist mittlerweile verfassungsfeindlich. Ein Schleier soll sich vor die Wirklichkeit senken, ein rosa Schleier, der die blutige Wirklichkeit verdeckt. So wollen es das BfV und sein weisungsgebendes Innenministerium, folgt man dem Gutachten.
Längst haben viele Verfassungsrechtler diesen Punkt der ethnisch-kulturellen Volksbegriffs als verfassungsrechtlich irrelevant eingestuft. Die Realität darf laut BfV aber weiterhin nur beschrieben werden, wenn sie nicht vom Leitbild der Bundesregierung abweicht. Fakten sind verfassungsfeindlich.
Das Demokratieprizip, und darum geht es in der eigentlichen Bewertung, also Bestrebungen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen, hätte sich dagegen „quantitativ und qualitativ nicht in einem Maß bestätigt, dass sie als prägend für die Gesamtpartei einzustufen wären“. Mit anderen Worten: Die AfD steht zu Demokratie und Rechtsstaat. Aber nur wer dagegen verstößt, kann ernsthaft als Demokratiefeind bezeichnet werden. Warum dann diese Stigmatisierung der AfD, wenn sie auf dem Boden des Grundgesetzes steht und allenfalls Meinungen vertritt, die anderen Parteien nicht gelaufen?
An anderer Stelle wiederum lautet die „Analyse“: Dagegen würden Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung einen extremistischen Verdachtsfall rechtfertigen und würden eine Beobachtung der Partei als „gesichert rechtsetremistische Bestrebung“ geradezu gesetzlich erzwingen.
Wie passt das zusammen? Die Antwort ist geradezu phantastisch.
Dabei seien auch „prognostische“ Bewertungen vorzunehmen, ob diese zurückgedrängt würden – die Verfassungsschützer als Propheten der Demokratietauglichkeit. So steht es in der Zusammenfassung ab Seite 1010.
Das Bundesamt weiß also, wohin die Reise geht. Und da haut es die Bremse rein. Und genau jetzt wird es für Demokratie und Rechtsstaat wirklich gefährlich. Aber die Gefahr geht weniger von der AfD aus, sondern von der Behörde, die unternimmt, was sie der AfD sehr gekünstelt glaubt vorwerfen zu können: Das Amt zerstört die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung mit falschen Behauptungen und willkürlichen „Prognosen“ über zukünftiges Verhalten.
Warum es „verfassungsfeindlich“ sein soll, wenn man die Einwanderung begrenzen will, wird an keiner Stelle begründet. Man kann für Einwanderung sein oder dagegen – genau das wird vom Grundgesetz nicht vorgeschrieben, und selbst dann darf man andere Ziele verfolgen. Man darf gespannt sein, ob die sich herausbildenden Parteien von Migranten auch diesem Diktum unterworfen werden – schließlich sind sie auf den ethnischen Volksbegriff per Definition ausgerichtet. Aber diese Gruppen werden dem Diskurs entzogen. Generell gilt: Wer muslimkritische Aussagen trifft, macht sich generell „der Feindschaft zu Minderheiten und Fremden“ schuldig. Es gilt also laut BfV, den Islam in allen seinen Ausprägungen zu schützen und die Debatte über die kulturellen Folgen und Eigenheiten zu verbieten. Denn wenn ein Missstand auf muslimischen Hintergrund zurückzuführen ist – zack, verfassungsfeindlich.
Solcherart Debattenfeindlichkeit prägt und durchzieht das Gutachten: Nicht nur einzelne Sichtweisen werden kriminalisiert – jede Kritik wird pauschal untersagt. Denn das Vertrauen der Bevölkerung werde durch kritische Bemerkungen erschüttert. Die Frage ist nicht mehr, ob Kritik am Regierungshandeln berechtigt ist – sondern nur noch, „ob das Vertrauen in das Funktionieren der demokratischen Prozesse erschüttert“ wird.
Damit ist ein weites Tor geöffnet. Jede Kritik kann als Angriff auf die Vertrauenswürdigkeit gewertet werden. Umgekehrt gefragt: Nicht die Fehler von Politik, Medien und Parteien werden angeprangert, sondern der Überbringer der schlechten Nachricht wird diskreditiert.
Fazit: Bitte keine Kritik mehr, es könnte die Bürger befremden, wenn über Korruption, Missstände, Missbräuche und Ungesetzlichkeit geredet wird. Ausdrücklich erwähnt wird Kritik an der Pandemiepolitik. Die sei hinzunehmen. Kritik: klar verfassungsfeindlich.
Es ist ein düsteres Bild, das das Bundesamt für Verfassungsschutz entwirft. Ziel ist eine Art Maulkorbgesellschaft, die tatsächliche oder vermeintliche Missstände nicht mehr verhandelt. Es kommt zu absurden Vorstellungen.
Florian Jäger, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der AfD und zum damaligen Zeitpunkt Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Fürstenfeldbruck (BY), hatte im Dezember 2021 auf Facebook die Lage der Ungeimpften angesichts der Corona-Beschränkungen mit der Situation der Juden im Nationalsozialismus verglichen. Insbesondere verglich er Markus Söders Warnung vor den Ungeimpften („Pandemie der Ungeimpften“) während der Corona-Zeit mit der Warnung des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels vor den Juden im Dritten Reich. In beiden Fällen werde auf diese Weise ein Volkszorn geschürt, so Jäger.
Absurd: Für diese Warnung vor einer Volksverhetzung, wurde Jäger selbst zunächst wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt (2021und 2022), später jedoch vom Bayerischen OLG wieder freigesprochen (2023). Der Verfassungsschutz kennt diesen Freispruch des Gerichts und schreibt selbst, dass die eigene, scharfe Sichtweise auf wackeligen Beinen steht: „Damit ist die Äußerung ungeachtet ihrer strafrechtlichen Beurteilung gleichwohl als – wenn auch schwacher – Anhaltspunkt für antisemitische Bestrebungen bei der AfD zu bewerten.“ Und der Verfassungsschutz fügt noch an: „Florian Jäger trat im Juli 2024 aus der AfD aus (S.535).
Das BfV weiß es eben besser als jedes ordentliche Gericht.
Mit dieser Methode rührt das Gutachten einen ungenießbaren Brei von Verdächtigungen, falschen Schlußfolgerungen, Behauptungen und Unterstellungen an. Sich dagegen zu wehren, ist aussichtslos – dass der obergenannte Jäger die Partei längst verlassen oder andere Exponenten ausgeschlossen wurden – das alles hilft der AfD nicht. Es ist die „Prognose“, die zählt, und die suggeriert Gefährlichkeit.
Die AfD kann tun und lassen, was sie will. Es reicht nie. Obwohl die AfD sich in vielen Beiträgen mit dem Staat Israel solidarisiert hat und insbesondere die Terroranschläge der Hamas am 7. Oktober 2023 scharf verurteile, unterstellt der Verfassungsschutz der Partei weiterhin Antisemitismus: „Fraglich ist, ob die Positionierungen der AfD und ihrer Vertreterinnen und Vertreter zu den terroristischen Anschlägen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 auf eine Relativierung der festgestellten Anhaltspunkte für antisemitische Bestrebungen hinweisen“, schreibt der Verfassungsschutz (S.537). Er zitiert zwar seitenlang Hamas-kritische Einlassungen von Weidel, Chupalla und dem AfD-Bundesverband, will sie aber irgendwie nicht gelten lassen: „Die angeführten Aussagen in Bezug auf die Ermordung und Verschleppung von Menschen durch die Hamas in Israel lassen daher die Feststellung von Anhaltspunkten für Antisemitismus in der AfD nicht entfallen.“ (S.539)
Aha, das höchste Gericht hat entschieden: Die Feststellung für Antisemitismus ist nicht entfallen, Berufung unmöglich.
Auf diese Art beendet man Debatte und Diskussion in einem Land: Wörter werden mit neuen Bedeutungen bösartigen Hinhalts aufgeladen und damit kriminalisiert, wer sie bewusst oder unbewusst benutzt, macht sich des Rechtsextremismus schuldig. Allerdings hat das Gutachten einen ungewollten Effekt:
Wer sich durch den Wortmüll wühlt, findet sich irgendwo selbst. Jeder Einzelne hat schon einmal böse Wörter benutzt, sicherlich.
„Am 29. Juni 2021 unterstellte Karsten Hilse unter Berufung auf einen unzutreffenden und irreführenden Bericht von Tichys Einblick mit dem Titel ‚Bildungsministerium erwägt Sozialpunktesystem nach chinesischem Vorbild für Deutschland‘, im Bundesministerium für Bildung und Forschung planten ‚die Erben von Lenin, Trotzki und Stalin‘, kommunistische Umerziehungssysteme in Deutschland einzuführen.“
Warum der TE-Bericht „unzutreffend“ und sogar „irreführend“ sein soll, wird weder erläutert noch irgendwie belegt. Der Verfassungsschutz stellt diese Behauptung einfach in den Raum (S. 599). Dabei ging es um ein Schülerbewertungssystem, das tatsächlich an chinesische Vorbilder erinnert. Aber das zu schreiben, darf nicht mehr sein. Scharfe Kritik ist verboten, es könnte ja das Vertrauen in die allwissende Weisheit und Gerechtigkeit einer Politikerin erschüttern. Und das ist bereits „rechtsextrem“.
Da drängt sich der Eindruck auf, dass hier mit staatlichen Mitteln Politik gemacht wird. Und zwar heftig. Es ist ein Stück politischer Schund, der da über das Land gegossen wird und es verdreckt.