
In der AfD ist ein Konflikt um den Umgang mit den israelischen Angriffen auf die Hamas und die iranischen Mullahs ausgebrochen. Am Mittwochabend veröffentlichte die Partei ein Statement ihrer Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla: „Die kriegerischen Handlungen zwischen Israel und Iran führen zur weiteren Eskalation des Nahost-Konflikts. Diese Eskalation macht uns Sorgen und bedroht die Sicherheit Deutschlands, Europas und der ganzen Welt.“
Weidel und Chrupalla sind Vorsitzende und Bundessprecher der AfD.
Die Parteichefs nehmen Bezug auf die Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz, der mit Blick auf die israelischen Angriffe auf Irans Atomprogramm davon gesprochen hatte, Israel mache die „Drecksarbeit“ für die westlichen Verbündeten. Weidel und Chrupalla halten Merz’ Aussage für „pietätlos und schädlich für Deutschlands Ansehen“ und warnen: „Aktiv zum Krieg beizutragen, ist nicht im Interesse Deutschlands und Europas. Wir rufen die Kriegsparteien zur Mäßigung auf und hoffen, dass die USA nicht in den Krieg eintreten müssen.“
Am Statement der Parteichefs lassen sich drei Dinge ablesen, die über den Israel-Konflikt hinausweisen und strukturelle Entwicklungen der Partei aufzeigen:
Seit Wochen wird innerhalb der AfD um die Frage gerungen, wie sich die Partei zum Vorgehen Israels in Gaza und nun auch im Iran positionieren soll. Ein Teil der Partei bekennt sich klar zur Solidarität mit Israel, ein anderer distanziert sich mit teils scharfen Worten, und wieder andere versuchen vor allem, das Thema Israel zu meiden, weil damit nichts zu gewinnen sei.
Als prominenteste Vertreter pro Israel traten in den vergangenen Wochen die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch und der ehemalige AfD-Chef Alexander Gauland auf. Anfang Juni sagte Beatrix von Storch im Bundestag, sie sei der Ansicht, „dass kein Land der Welt eine solche terroristische Bedrohung seiner Bürger dauerhaft hinnehmen kann. Israel kann es nicht und wir könnten es auch nicht.“ Das erklärte Ziel der Hamas sei „das Auslöschen von Israel“.
Beatrix von Storch im Bundestag
Noch klarere Worte fand Gauland. Es stehe den Deutschen nicht zu, „Israel zu verurteilen, wenn es sich gegen einen Angreifer wehrt, der Juden ermordet und von der Auslöschung des Judenstaates träumt.“ Er entwickelte seine Position explizit aus einer historischen Argumentation. Die Hamas wolle das „Werk Hitlers fortsetzen“.
Manche Stimmen in der Partei bedienen hingegen offen antisemitische Stereotype. So warf der Brandenburger Landtagsabgeordnete Dominik Kaufner Israel vor, „ethnische Säuberungen im Inneren und Staatsterrorismus nach außen“ zu betreiben und unterstellte, Saudi-Arabien und andere arabische Staaten seien „von der zionistisch-atlantischen Seite eingekauft“.
Anders als Weidel und Gauland klang in den vergangenen Wochen auch Chrupalla, der sich immer wieder mit Kritik an Israel hervortat. „Ans Pulverfass Naher Osten ist Lunte gelegt“, verkündete er erst vor wenigen Tagen. „Die Verhandlungen um zivile Nutzung von Kernenergie durch Iran sind gescheitert. Krieg in der Region ist nicht im Interesse von Deutschland und Europa. Ich verurteile die Angriffe und rufe die Beteiligten zur Mäßigung auf!“
Chrupalla verurteilte das Vorgehen von Israel in Gaza scharf.
Das Statement vom Mittwoch kann Chrupalla als Erfolg verbuchen. Die Äquidistanz zum iranischen Terrorregime und der demokratisch gewählten Regierung Israels, die darin zum Ausdruck kommt, und der Aufruf zu Mäßigung dürfte genau nach seinem Wunsch ausgefallen sein. Weidel hatte es zuletzt gerne so aussehen lassen, als bilde sie innerhalb der Führungsduos das israelfreundliche Gegengewicht zu Chrupalla. Das nun erschienene Statement belegt, dass ihr die Verbündeten fehlen, um sich durchzusetzen, und sie vor dem Druck ihrer Partei kapituliert.
Mit seinen Einsätzen gegen die Hamas und erst recht gegen das Mullah-Regime entpuppt sich Israel als tatkräftigster Islamisten-Jäger der Welt. Da Migration das wichtigste Thema der AfD ist, wäre es also strategisch durchaus klug, den Kampf von Benjamin Netanjahu gegen atomar bewaffnete Islamisten für die eigene Agenda zu nutzen.
Einige in der AfD haben das erkannt. Ansgar Schledde, Vorsitzender der AfD Niedersachsen, erklärte in einem Tweet: „Weckruf für die Mullahs in Teheran: Israel hat mit seinem Schlag gegen das iranische Atomprogramm gezeigt, dass es keine Kompromisse eingeht, wenn es um die eigene Sicherheit und die Stabilität der Region geht. Der Islamofaschismus muss konsequent gestoppt werden. Übrigens auch in unserem Land. Ich stehe darum voll hinter Israels entschlossenem Handeln – ein starkes Signal gegen die Aggression der Islamisten!“
Insgesamt aber sind innerhalb der Partei die anti-westlichen Reflexe einflussreicher als die anti-islamistischen. Akteure aus dem Vorfeld der Partei arbeiten beharrlich daran, die AfD gegen westliche Verbündete zu positionieren, die Israels Krieg unterstützen. Das Vorgehen gegen den Iran wird in diesen Kreisen als Fortsetzung eines westlichen Interventionismus gewertet, ähnlich wie von manchen Linken und Grünen, die den durch Israel herbeigeführten iranischen „Atomausstieg“ auf einmal harsch kritisieren. Das rechte Magazin Compact von Jürgen Elsässer kündigte gar an, die „Donald-Trump-Silbermünze“ aus dem Sortiment seines Shops entfernen zu lassen, wenn die USA in den Krieg einträten.
Neben Donald Trump in den USA haben sich zuletzt auch Rechte in Ungarn und die Niederlande als verlässliche Partner Israels erwiesen. Viktor Orbán und Geert Wilders bekräftigten immer wieder ihre Solidarität mit dem jüdischen Staat. Die AfD, die von Europas rechtem Lager lange gemieden wurde, hätte die Chance der derzeitigen Konfliktsituation nutzen und eine Allianz mit diesen Partnern bilden können – zumal die Union unter Merz und Außenminister Johann Wadephul zuletzt wankelmütig erschien und die AfD diesen Raum hätte füllen können.
Doch die AfD entschied sich, die Gelegenheit auszuschlagen. Auf der konservativen Konferenz CPAC in Budapest wurde Weidel im Mai von Orbán wie ein Stargast empfangen. Vor der Bundestagswahl in Deutschland hatte das Trump-Umfeld demonstrativ die Nähe zur AfD gesucht. Dass die Partei nun weniger entschlossen an der Seite Israels steht als die Trump-Administration, dürfte auch international wahrgenommen werden.
In Budapest wurde Weidel von Orbán hofiert.
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