AfD-Kandidat Paul von Wahl ausgeschlossen: Sendete Bürgermeisterin das Geheimdienst-Gutachten an alle Fraktionen – außer an die AfD?

vor etwa 7 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (ehemals SPD), die maßgeblich daran beteiligt war, dass der AfD-Kandidat Joachim Paul bei der kommenden Kommunalwahl nicht zugelassen wurde, stand in Kontakt mit einem NGO-Bündnis, das gegen Paul agitierte. Brisant: NIUS-Anfragen und Recherchen legen nahe, dass die Bürgermeisterin den Aktivisten das Gutachten des Verfassungsschutzes zustellte. Der betroffene Kandidat selbst erfuhr hingegen erst aus der Presse von dem Dokument.

Wie die Stadt Ludwigshafen auf eine NIUS-Anfrage hin preisgab, schrieb Bürgermeisterin Steinruck am 31. Juli folgende E-Mail-Nachricht an die Aktivisten, sowie an alle Parteien im Stadtrat, mit Ausnahme der AfD:

„Sehr geehrte Initiatoren des Netzwerks, sehr geehrte Beisitzer des Wahlausschusses, sehr geehrte Mitglieder der Parteien, ich danke den Initiatoren des Netzwerks für Ihr Engagement, sich für das Einhalten der Prinzipien und Werte unserer fundamentalen freiheitlich-demokratischen Grundordnung und für das Leben in unserer Stadt Ludwigshafen einzusetzen. In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass die zur Verfügung gestellten Informationen ausschließlich zur eigenen Meinungsbildung herangezogen werden dürfen. Ich appelliere ausdrücklich an die Mitglieder des Wahlausschusses, dass Sie einzeln anhand der Tatsachen eine eigene Bewertung vornehmen müssen. In der Sitzung des Wahlausschusses lege ich Ihnen das Ergebnis der Vorprüfung der eingereichten Wahlvorschläge vor und werde Sie in die Lage versetzen, eine Entscheidung zu treffen. [Grußformel]“

Jutta Steinruck (ehemals SPD) bei ihrer Ernennung zur Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen im Jahr 2018.

Steinrucks Dankes-Schreiben ist die Antwort auf eine Kontaktaufnahme durch die Aktivisten, die die Bürgermeisterin am 30. und am 31. Juli angeschrieben hatten. Den Inhalt dieser Nachrichten will die Stadt nicht verraten.

Interessant sind an Steinrucks Antwort vor allem zwei Punkte: Zum einen die zunächst verschwiegene Grußformel, die die Stadt auf Nachfrage von Anwalt Steinhöfel verriet:

Mit freundlichen GrüßenJutta Steinruck Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen

Dann folgen Adresse und Telefonnummer.

Rechtsanwalt Steinhöfel zu NIUS: „Die Tonalität ist problematisch und nur teilweise neutral. Als Oberbürgermeisterin in amtlicher Funktion (zugleich Wahlleiterin) gilt das staatliche Neutralitätsgebot und das Gebot der Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb. Ein amtlicher Dank an ein aktivistisches Netzwerk, das sich explizit gegen einen bestimmten Kandidaten positioniert, überschreitet diese Grenze.“

Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel bei einem Verfahren am Kammergericht Berlin.

Zum anderen legt die zeitliche Abfolge der Ereignisse nahe, dass mit den „zur Verfügung gestellten Informationen“ das Gutachten des Verfassungsschutzes gemeint sein könnte.

Ein Rückblick:

Der Grünen-Landtagsabgeordnete feiert mit einem Parteikollegen aus Ludwigshafen die Entscheidung des Wahlausschusses.

NIUS hat bei der Stadt nachgefragt: Auf welche „Informationen“ bezieht sich die Bürgermeisterin? Und: Wurde die Mail mit Anhang versendet? Letztere Frage stellten wir, weil der Wortlaut der Nachricht die Vermutung nahelegt, dass Steinruck im Anhang das soeben erhaltene Gutachten des Verfassungsschutzes versendete. Eine Antwort auf die Anfrage erhielten wir nicht.

Rechtswissenschaftler Prof. Volker Boehme-Neßler

„Sollte es sich bei den Informationen wirklich um das Gutachten handeln, wäre das ein eklatanter Bruch der Vertraulichkeitsbestimmungen, die es in der Verwaltung gibt“, erklärt Rechtswissenschaftler Prof. Volker Boehme-Neßler (Universität Oldenburg) gegenüber NIUS. Er sieht aber noch ein weiteres Problem: „Wenn die Bürgermeisterin diese Informationen an den Stadtrat mit der Argumentation weitergibt, man müsse Transparenz schaffen, dann hätte sie auch die AfD informieren müssen. Es wäre eine maßlose Verletzung des Gleichheitsprinzips, wenn alle Parteien des Stadtrats das Gutachten erhalten hätten, lediglich die AfD nicht.“

Auch Anwalt Joachim Steinhöfel erkennt in dem Vorgehen einen Verstoß: „Entscheidend ist, dass Steinruck der AfD die Informationen vorenthalten hat, und damit das rechtliche Gehör verletzt hat.“

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat Pauls Eilantrag gegen den Wahlausschluss am Montag mit der Begründung abgelehnt, der AfD-Politiker müsse das nachträgliche Wahlprüfungsverfahren abwarten.

„Dieser Hinweis, den das Gericht gegeben hat, ist eigentlich eine Frechheit“, findet Jurist Boehme-Neßler. „Die Wahlanfechtung bringt in der Regel nichts, denn es müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden.“ Die erste Voraussetzung sei, dass ein Fehler passiert sei. Dieser könne sowohl formal als auch inhaltlich sein. „Wenn das Gericht, bei dem die Wahlanfechtung stattfindet, zu dem Schluss kommt, die Wahl sei rechtswidrig gewesen, liegt ein Wahlfehler vor.“ Das sei allerdings nur der erste Punkt und reiche noch nicht für die Anfechtung. „Dafür muss eine zweite Voraussetzung erfüllt sein, und die ist sehr schwer zu erreichen.“ Man müsste nachweisen können, dass der Fehler Auswirkungen auf das Ergebnis hatte. „Man hebt die Wahl nicht einfach wegen eines Fehlers auf, dafür ist eine Wahl zu wichtig. Die Auswirkungen sind aber nicht immer leicht nachzuweisen.“

Ob Paul Chancen gehabt hätte, lässt sich nur schwer sagen. Bei der Bundestagswahl im Februar erhielt die AfD im Wahlkreis Ludwigshafen/Frankenthal 24,3 Prozent der Stimmen, die CDU schaffte es auf 27,5 Prozent, der SPD gaben lediglich 20,1 Prozent der Wähler ihre Stimme.

Seitdem hat die schwarz-rote Koalition in Berlin allerdings kaum Probleme gelöst und insgesamt kein gutes Bild abgegeben. Das dürfte sich auch auf die Wahl in Ludwigshafen auswirken. Diesen Effekt nachzuweisen, dürfte allerdings kaum möglich sein.

Lesen Sie auch: Bürgermeisterin von Ludwigshafen bedankte sich bei NGO-Bündnis, das gegen AfD-Kandidaten Paul lobbyierte

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