Faesers voreiliger Vorstoß: Jurist hält Gutachten für ein AfD-Verbot für unbrauchbar

vor etwa 3 Stunden

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Die Veröffentlichung des auf 1.108 Seiten aufgeblasenen AfD-„Gutachtens“ samt Höherstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ wurde von Noch-Innenministerin Faeser (SPD) holterdiepolter für den 2. Mai 2025 angeordnet – gezielt wenige Tage vor dem Regierungswechsel und ohne die notwendige Sichtung des „Gutachtens“ durch die zuständige Fachabteilung des Bundesministeriums des Innern (BMI). Nach Recherchen von „LTO“ (s.u.) hatte die BMI-Fachabteilung gegen die Bekanntgabe der AfD-Hochstufung zu diesem Zeitpunkt votiert, weil sie das „Gutachten“ wegen Zeitmangels nicht überprüfen konnte.

Nun hat sich der vormalige ARD-Promi-Journalist, promovierte Jurist und erfolgreiche Buchautor Joachim Wagner* den Vorgang dezidiert vorgenommen, und zwar am 27. August 2025 mit einer ausführlichen Analyse auf der Plattform „LTO“ (= Legal Tribune Online). Wagners Ergebnis: Was Faeser hier inszeniert hat, könnte die von ihr verfolgte Absicht eines Verbots der AfD konterkarieren. Dass LTO diese eigentlich vernichtende Analyse Wagners veröffentlicht, überrascht, zumal LTO nicht gerade als AfD-affin gilt.

Wagner zitiert einleitend hohe BMI-Beamte, die Faesers „Coup“ als Teil ihrer „Mission“ im Kampf „gegen Rechts“ und eine „Provokation ihres Nachfolgers“ Dobrindt bezeichnen. Ein hochrangiger Verfassungsschützer aus einem Bundesland vermutet, dass Faeser sich mit der unvorbereiteten PR-Initiative ein „Denkmal setzen wollte“.

Wagners vernichtende Kernaussage dann: Faesers Solonummer könnte rechtlich folgenschwer sein. Weil das Gutachten nicht den üblichen Filterungsprozess durchlaufen habe und nun nur in „verwässerter Form in den Gerichtsakten“ vorliege.

Wagner hat gleichwohl in Erfahrung gebracht: Die BMI-Fachabteilung überprüft derzeit nachträglich das BfV-Gutachten, das werde aber nur noch beschränkte rechtliche Wirkung haben. Denn das unbearbeitete AfD-Gutachten ist inzwischen Gegenstand der Gerichtsakten beim VG Köln. Und so ginge das „Gutachten“ auch nach Karlsruhe. Nicht möglich sei zum Beispiel eine Korrektur durch das Streichen von harmlosen Aussagen. Denn, so Wagner, genau dort liegt das Problem: Das Gutachten ist eher zu lang als zu kurz und enthält eher zu viele unbedenkliche Zitate.

Der frühere Verfassungsrichter Peter Müller, den Wagner zitiert, schreibt Ende Juni 2025 mit Blick auf das „Gutachten“ von „Masse statt Klasse“. Müller wörtlich: „Viele der aufgeführten Zitate sind zum Nachweis der Verfassungsfeindlichkeit ungeeignet.“ Wagner sodann: Die gegen Demokratie und Rechtsstaat gerichteten AfD-Aussagen reichten nicht, um eine hiergegen gerichtete Ausrichtung als „für die Gesamtpartei prägend“ anzusehen.

In einer Wahlkampfrede 2024 erklärte AfD-Mann Björn Höcke die „Migration“ zur „Mutter aller Krisen“. Dieser Satz sei nicht weit entfernt von Horst Seehofers (CSU) Diktum von der „Migration als Mutter aller Probleme“. Auch folgende AfD-Aussage hält Wagner nicht für belastbar: „Schon 801.459 Asylanträge (in Europa) in diesem Jahr. Deutschland muss zur Festung werden“, hatte der AfD-Bundesvorstand gefordert. Wagner dazu: „Angesichts des von Brüssel unterstützen Baus von Zäunen an EU-Außengrenzen und von der Kommission geduldeten Einführung von einem Dutzend innereuropäischen Grenzkontrollen wird auch der EU-Asylpolitik im Sommer 2025 von Medien und NGOs vorgeworfen, eine ‚Festung Europa‘ zu bauen.“

Wagner erinnert an das „Compact“-Urteil. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte Ende Juni 2025 das von Nancy Faeser inszenierte Verbot des „Compact“-Magazins aufgehoben. Die Aufhebung des Verbots geschah, obwohl das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) das Magazin 2021 als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft hatte. Das BVerwG hatte dann geurteilt: Ein solches Medienverbot auf Grundlage des Vereinsrechts sei möglich, wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips aber nur „gerechtfertigt, wenn sich verfassungsfeindliche Aktivtäten (…) als prägend erweisen“. Diese Voraussetzung sei beim Compact-Magazin nicht erfüllt, weil sich eine „Vielzahl“ der vom BfV gesammelten „migrationspolitischen bzw. migrationsfeindlichen Äußerungen“ auch als „überspitzte, aber (…) im Lichte“ der Meinungsfreiheit noch „als zulässige Kritik an der Migrationspolitik deuten“ lassen. Diese Messlatte werde, so Wagner, das Verwaltungsgericht (VG) Köln in den anhängigen Verfahren zur AfD-Einstufung berücksichtigen müssen. Außerdem würde diese Messlatte möglicherweise auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem etwaigen AfD-Verbotsverfahren anlegen.

Wagners Fazit: Vor dem VG Köln sowie vor dem BVerfG könnten die Prozesschancen der AfD steigen, weil die vom BfV vorgelegte Belegsammlung durch die unterlassene Überarbeitung des AfD-Gutachtens neben verfassungsfeindlichen zu viele harmlose und unbedenkliche Äußerungen enthält, sodass von einer rechtsextremistischen Prägung der Partei nicht mehr die Rede sein kann.

Folge: Faeser hätte mit ihrem monomanischen Kampf gegen Rechts durch die übereilte Veröffentlichung der AfD-Hochstufung einen Bärendienst erwiesen. Oder in der Sprache des Fußballs: Dann hätte Faeser ein spielentscheidendes Eigentor geschossen.

* Joachim Wagner (*1942), promovierter Jurist, war von 1979 bis 2008 führender, damals eher linksgestrickter Redakteur im NDR und im ARD-Hauptstadtstudio. Er ist Autor mehrerer kritischer Bücher, zum Beispiel „Stresstest AfD. Wehrhafte Demokratie und Rechtsextremismus“ (2025) und „Die Macht der Moschee: Scheitert die Integration am Islam?“ (2018)

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