Albanien statt Atomkraft: Wie Merz eines der wichtigsten Themen für die deutsche Wirtschaft ignoriert

vor etwa 5 Stunden

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Vom ersten Tag an war zu erkennen: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sucht die große Bühne, er will Weltpolitik mitgestalten und in Europa die Führungsrolle übernehmen, die sein Vorgänger Olaf Scholz (SPD) nicht ausfüllen konnte. Entsprechend reiste Merz gleich am ersten Amtstag nach Frankreich und Polen, wenig später nach Brüssel und die Ukraine und nun nach Albanien zum Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Tirana.

Die innenpolitischen Herausforderungen Deutschlands sind aber nicht minder groß, etwa bei der Frage, wie sich Deutschland sicher und vor allem günstig mit Energie versorgen kann. Während Merz nach Albanien gereist ist, setzt sich die Renaissance einer Technologie fort, der sich die Union im Wahlkampf noch verschrieben hat, die im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot aber nicht mehr auftaucht: die Atomkraft.

Kanzler Merz trifft Edi Rama, Ministerpräsident von Albanien.

In Belgien ist der Atom-Ausstieg gerade rückgängig gemacht worden. Statt die vier Reaktoren abzuschalten, wie es ursprünglich der Plan war, stimmte das Nationalparlament in Brüssel am Donnerstag mit großer Mehrheit dafür, die Laufzeiten zu verlängern – und mehr noch: Es sollen auch neue Kernkraftwerke gebaut werden.

Kühltürme des Kernkraftwerks Doel in Belgien

Aber Belgien ist mit dieser Kehrtwende nicht allein: Auch die Niederlande haben ihren Atom-Ausstieg revidiert, will nun vier neue Reaktoren für insgesamt 14,5 Milliarden Euro bauen. Auch die Schweiz hat im August 2024 ihre Ausstiegs-Pläne aus der Kernenergie kassiert. In Spanien hat das Parlament im Februar 2025 die Regierung dazu aufgefordert, die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verlängern. Auch Schweden wollte ursprünglich aus der Atomkraft aussteigen, will stattdessen nun jedoch bis 2045 zehn neue Reaktoren bauen. Frankreich bezieht sowieso rund 85 Prozent seines Strombedarfs aus Kernkraft – und gibt noch einiges in Form von Exporten ab. In der Schweiz stammt ein Drittel des Stroms aus Kernkraft.

Und selbst in Japan, dem Land, das mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima infolge eines Tsunamis die neuerliche AKW-Panik in Deutschland ausgelöst hatte, fährt die Kernkraft wieder hoch.

Die Union scheint sich der Debatte um die Kernkraft nicht mehr aussetzen zu wollen, obwohl man im Wahlprogramm noch behauptet hatte, an der Option Kernkraft festhalten zu wollen. Wenige Tage vor der Wahl hatte sich Merz selbst noch für ein Rückbau-Moratorium für die im April 2023 abgeschalteten Meiler ausgesprochen.

Im Koalitionsvertrag ist das Wort Kernkraft nicht mehr zu finden. „Der Ausstieg ist vollzogen“, sagte die neue CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche. Ein Wiedereinstieg sei teuer und schwierig, die Chance darauf in der Energiekrise vertan worden und: „Wir müssen mit der Situation jetzt leben“.

Die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU)

Auch bei der „Anschalt-Konferenz“ kommende Woche in Berlin hat sich kein Regierungsvertreter angekündigt. Dort treffen sich Kernenergieexperten aus der ganzen Welt, um über die Möglichkeiten der Kernkraft – auch für Deutschland – zu diskutieren. Ein Gutachten des Energieberatungsunternehmens Radiant Energy Group hatte gezeigt, dass neun deutsche Meiler mit relativ wenig Aufwand und Kosten in den kommenden Jahren wieder ans Netz gehen könnten – auch Hersteller und Uran-Lieferanten hatten öffentlich bestätigt, dass ein Re-Start auch in Deutschland ohne Probleme oder Sicherheitsbedenken machbar sei.

All diese Kernkraftwerke könnten laut der Studie zurück ans Netz.

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Nur scheint sich niemand der emotional aufgeladenen politischen Debatte aussetzen zu wollen. Die schwarz-rote Bundesregierung jedenfalls nicht.

Der Problematik der (im europäischen und weltweiten Vergleich) zu hohen Strompreise in Deutschland scheint sich Schwarz-Rot bewusst: Doch statt auf eine Ausweitung des dauerhaft verfügbaren und somit planbaren Stromangebotes zu setzen, soll der Strom mithilfe von Steuermilliarden künstlich über die Abgabenseite „vergünstigt“ werden. Nachhaltig wird das Problem so freilich nicht gelöst. Aber Hauptsache nicht noch ein Streitthema in der Koalition, die „zum Erfolg verdammt ist“, wie es heißt.

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