
Roderich Kiesewetter (CDU) hat Recht. Im Deutschlandfunk sagt der Abgeordnete, die Diskussion über fremde Soldaten in der Ukraine, sei aktuell abwegig. Diese sollten erst als “Sicherheitsgarantie” eingesetzt werden, wenn die Ukraine mit Russland mindestens ein Abkommen zu einem dauerhaften Waffenstillstand abgeschlossen hat. Ein solches Abkommen sei aber derzeit so fern und unrealistisch, dass eben auch die Diskussion darum bemüht sei, was danach alles passiere.
Das hat aber den französischen Präsidenten Emmanuel Macron nicht davon abgehalten, nach der Pariser “Konferenz der Willigen” zu verkünden: 26 Nationen stünden bereit, um nach einem Waffenstillstand mit ihren Soldaten in der Ukraine zu dienen. Haushalt, innere Sicherheit und Regierungsstabilität sind in Frankreich so marode, dass sich das französische Staatsoberhaupt in die Außenpolitik flüchtet.
Darin ähneln sich Macron und der deutsche Kanzler: Sie nutzen die außenpolitische Bühne für die große Tragödie – mit der sie von dem Trauerspiel ablenken wollen, das sie auf nationalen Bühnen aufführen. Macron hat schon versucht, sich als den internationalen Führer zu inszenieren, hinter dem sich die Weltengemeinde schart, um gegen die Hamas zu kämpfen. Aktuell spielt er den Weltenlenker, der einen Staat herbeiführen will, den eben diese Hamas anführen würde. Mit Merz verbindet Macron nicht nur die Flucht in die Außenpolitik – sondern auch die Tendenz, dass die Aussage vom Morgen am Abend nichts mehr wert ist.
Wenn aber Roderich Kiesewetter recht hat und die Diskussion über Truppen in der Ukraine dieser Tage nicht mehr ist als ein französisches Ablenkungsmanöver, dann muss sich dieses Medium die Frage gefallen lassen, warum es dieses Thema trotzdem aufgreift. Die Antwort: Weil sich damit eine Erosion der deutschen Regierung zeigt, die ohnehin schon nicht auf solidem Grund gebaut ist.
Der Waffenstillstand ist in weiter Ferne. Bis der eines Tages kommt, hat Merz so viele Versprechen gebrochen, dass es auf ein weiteres auch nicht mehr ankommt. Und trotzdem hat Merz sich nach Paris zurückgehalten. Deutschland überlege noch, ob es sich – an diesem fernen Tage – an einer solchen Sicherheits-Truppe beteilige. Viel lieber wolle der Kanzler (noch) mehr Geld seiner Steuerzahler in die Ukraine schicken, um die Spesen abzudecken.
In seiner Zusammenarbeit mit der SPD hat Merz mehr Staub geschluckt als das allerletzte Kamel in einer Kamel-Parade durch die Wüste: Er wollte links beenden und führt eine Regierung, die linker ist als ihre Vorgänger. Er wollte hinterfragen, warum “Nicht-Regierungs-Organisationen“ (NGO) von Deutschland so viel staatliches Geld erhalten – und hat diese Fragen aufgegeben, gibt den NGOs jetzt aber noch mehr von besagtem Geld. Er wollte mit dem auskommen, was die Steuerzahler eh schon überweisen, und hat die Schuldenbremse gelöst. Er wollte die Bürger entlasten und so weiter und so weiter und so weiter.
Das einzige Themenfeld, in dem es sich für Merz gelohnt hat, den Staub der SPD zu schlucken, war die Außen- und Verteidigungspolitik. In der hat es ihm sein Koalitionspartner erlaubt, sich wieder eindeutig in die Allianz der Nato-Partner zu stellen – und damit die Politik seiner Vorgänger Gerd Schröder (SPD), Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD) zu korrigieren, hin in die Richtung seines Förderer und Vorbilds Helmut Kohl (CDU). Diese Außenpolitik war für Merz ein Fluchtpunkt, an dem er sich vor den Folgen seiner feigen und inkonsequenten Innen-, Sozial- oder Wirtschaftspolitik verstecken konnte.
Doch auch das ist nun vorbei. Dass Merz Deutschland aus der Koalition der 26 “Willigen” heraushält, ist ein Zugeständnis an die SPD – ist das nächste Zugeständnis an die SPD. Nur leistungsstarke Statistiker wissen, beim wievielten dieser Zugeständnisse wir mittlerweile sind. Die Sozialdemokraten haben einen linken Flügel um so leistungsstarke, charismatische und beim Wähler beliebte Politiker wie Rolf Mützenich oder Ralf Stegner. Um diesen nicht zu sehr zu reizen, denkt Merz weiter über deutsche Militäreinsätze nach – obwohl die Feldlatrine der Demokratie, der Spiegel, eben diese Militäreinsätze schon vermeldet hat.
Wie dauerhaft Merz Aussage ist, wird sich zeigen. Mitte September finden die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen statt. Dann gibt es keine größeren Wahlen mehr, bis im März die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an der Reihe sind. Gut möglich, dass sich Merz in der Zwischenzeit wieder korrigiert. Für andere wäre das ein Wortbruch – Friedrich Merz nennt so etwas Mittwoch oder Donnerstag oder Freitag…