
„Autoscham“. Diesen Begriff haben Journalisten in den Zehnerjahren ernsthaft versucht zu setzen. Er sollte die Präsenz einer Volksbewegung vorgaukeln. Der Verzicht aufs Auto sollte nichts sein, was Journalisten ihren Lesern, Hörern oder Zuschauern predigen – sondern etwas, was auf einem tief empfundenen Bewusstsein des Volkes herrührt. Einer Scham vor dem Auto. Weil dieses Höllengefährt das Klima zerstört und deshalb die Erde verbrennt, die Lichter im Kühlschrank ausgehen und die Eiscreme schmilzt.
Nach wie vor benutzen 65 Prozent der Arbeitnehmer das Auto, um zu ihrem Arbeitsplatz zu pendeln. 16 Prozent der Arbeitnehmer steigen in Busse oder Bahnen ein, zehn Prozent aufs Rad und sieben Prozent gehen gleich zu Fuß. Die Daten stammen aus dem Mikrozensus, einer Art regelmäßigen Volksbefragung, die das Statistische Bundesamt durchführt. Demnach ist der Anteil der Autofahrer unter den Berufspendlern in den vergangenen fünf Jahren um drei Prozent zurückgegangen. Gerade mal zwei Prozent mehr nehmen seitdem Busse und Bahnen, ein Prozent mehr geht zu Fuß.
Als mögliche Erklärung nennt das Statistische Bundesamt das Deutschlandticket, das zuerst neun, dann 49 gekostet hat und nun 58 Euro kostet. Da viele Betriebe es ihren Arbeitnehmern finanzieren würden, sei das ein Anreiz für die wenn auch nur „geringe Zunahme“ gewesen. Um dieses Ticket zu subventionieren hat allein der Bund in den vergangenen Jahren rund 5 Milliarden Euro eingesetzt. Die regionalen Verkehrsbetriebe indes klagen, dass der Kampfpreis sie an den Rand ihrer Wirtschaftlichkeit bringen. Wenn sich also überhaupt ein Effekt einstellt, dann nur unter Zuhilfenahme von viel Geld.
Wie wenig grüner Aktionismus in Politik und Medien bringt, zeigt sich am Beispiel Rad. Dessen Anteil unter den Berufspendlern ist in den vergangenen fünf Jahren konstant bei zehn Prozent geblieben. Und das, obwohl viele Städte ihre Verkehrswege umgestalten. Im besseren Fall opfern sie Fahrbahnen für Autos neuen Radwegen. Oft genug geht es nur darum, wie etwa in Berlin, den Autoverkehr zu blockieren. Etwa durch das Aufstellen von Sperrmüll als Straßenmöbel. Grünen Ideologen dahinter genügt es, wenn es Autofahrern schlechter geht – ohne dass sich dabei irgendwas für Radfahrer etwas bessert.
Dabei sprächen die kurzen Distanzen durchaus fürs Rad: Mehr als ein Viertel der Pendler, 27 Prozent, wohnt laut Statistischem Bundesamt weniger als fünf Kilometer von der jeweiligen Arbeitsstätte entfernt. Bei weiteren 22 Prozent beträgt die Distanz zwischen fünf und zehn Kilometern. Womit also zehn Kilometer für etwa die Hälfte der Pendler die maximale Entfernung zum Arbeitsplatz ist. Gerade mal 20 Prozent muss 25 oder mehr Kilometer zurücklegen. Darunter nur fünf Prozent, die es weiter als 50 Kilometer haben.
Die kurzen Distanzen erklären, warum der Anteil der Fußgänger um immerhin einen auf nun sieben Prozent steigen konnte. Kaum weniger als es Radfahrer unter den Pendlern gibt. Zwar ist die Beschäftigung in den letzten Jahren laut den Statistiken der Bundesregierung von einem Rekord zum nächsten geeilt. Doch das schrumpfende Bruttoinlandsprodukt zeigt, dass es sich hier oft um Beschäftigung im schlecht bezahlten Bereich handelt. Für einen Hilfsarbeiterjob legt aber – nachvollziehbarer Weise – kaum einer täglich größere Strecken zurück.
Grün regierte Städte führen meist einen Kampf gegen Autofahrer auf. Für von Linken, der SPD und immer häufiger auch von der CDU/CSU regierte Städte gilt das Gleiche. Es ist ein Kampf gegen die Arbeitnehmer, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Dazu passt, dass mit der letzten Generation eine Vorfeldorganisation der Grünen den Autofahrern unter Beifall der Medien und dem Schutz der Polizei mit Blockaden buchstäblich den Weg zur Arbeit blockiert hat. Wer die schrumpfende deutsche Wirtschaft wiederbeleben will, kann hier ansetzen: Statt mit Steuer- und Schuldenmilliarden die Wirtschaft flott subventionieren zu wollen, sollten sie einfach den Autofahrern den Weg wieder frei machen, die jeden Morgen zur Arbeit fahren, um den ganzen Rummel zu finanzieren.