Bei ARD & ZDF sind kleine Parteien chancenlos: Diese TV-Duelle manipulieren unsere Demokratie

vor 4 Monaten

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Nichts verteidigt die politische Linke lieber und energischer als „unsere Demokratie“. Gerade in Wahlkampfzeiten sehen sie diese besonders bedroht. Von Elon Musk, von Russland, von jedem, der rechts von Hendrik Wüst steht. Doch die wirkliche Bedrohung, den relevantesten Angriff auf das demokratische System in Deutschland sehen sie nicht.

Unter dem wirklich nur leicht hysterischen Slogan „Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk“, sammelt der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck momentan Unterschriften gegen Musks „Einflussnahme“ und Einmischung in den deutschen Wahlkampf. Laut den Grünen greife der Tesla-Chef „unsere Demokratie frontal an“. Wie dieser Teufelskerl das tut? Mit einem Gastbeitrag bei der Welt, ein paar Tweets und am 9. Januar mit einem Gespräch mit Alice Weidel.

Kein Duell, nur ein Gespräch: Am 9. Januar spricht Elon Musk live auf X mit AfD-Chefin Alice Weidel

Während die Grünen und der immer nervöser werdende Elfenbeinturm sich wegen dieser völlig legitimen Lappalien an Elon Musk abarbeiten und die Demokratie von Außen bedroht sehen, bahnt sich im Inneren mal wieder eine wesentlich größere, relevantere und gefährlichere Einflussnahme auf den deutschen Wahlkampf an.

Mal wieder wird dieser echte Frontalangriff auf, ich mache mir den Begriff in diesem Text ausnahmsweise zu eigen, unsere Demokratie gar nicht gesehen, nicht verstanden und nicht bekämpft. Gemeint sind die Wahlkampf-Duelle im zwangsfinanzierten Fernsehen. Nichts wird in diesem Wahlkampf die Grundsätze unserer Demokratie mehr verletzen und die Wahl auf unanständigere Weise beeinflussen als diese Aufeinandertreffen von Spitzenkandidaten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Als im Dezember 2024 bekannt wurde, dass ARD und ZDF ein TV-Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz ohne Beteiligung von Robert Habeck planen, waren die Grünen erbost. Sie bemängelten fehlende Chancengleichheit und Ausgrenzung. Sie erinnerten daran, dass es 2021 doch auch ein TV-Triell mit Annalena Baerbock gab. Sie sind also durchaus in der Lage, ARD und ZDF zu kritisieren, allerdings nur, wenn sie selbst benachteiligt werden. Das grundsätzliche Problem sehen die Superdemokraten nicht.

Die TV-Duelle entstellen das demokratische System Deutschlands bis zur Unkenntlichkeit. Das ist das Problem. Wir Wähler können nämlich keinen Kanzler wählen. Wir wählen Parteien. Die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk stumpf aus dem völlig anderen Politsystem der USA übernommenen Kanzlerduelle und die vorsortierten weiteren Formate verzerren das deutsche Wahlsystem so drastisch, benachteiligen kleinere Parteien so dramatisch und verletzen den Auftrag der Ausgewogenheit so dreist, dass eigentlich jeder Demokrat ihre Abschaffung fordern müsste.

Die Duelle, die im Moment konkret geplant sind, erwecken den Eindruck, als hätten wir ein Zweiklassensystem für Parteien. Es soll zwei Duelle zwischen Scholz und Merz geben. Dazu ist eine Runde mit den vier Kanzlerkandidaten von SPD, CDU, AfD und Grünen geplant. Am Ende dann noch eine Schlussrunde mit allen Parteien. Viermal wird also die SPD vorkommen, mit der CSU wird die Union sogar fünfmal vor Millionenpublikum Wahlwerbung machen dürfen, während die zweitgrößte Partei des Landes, die AfD, nur zweimal in die gebührenfinanzierte Kamera sprechen darf. FDP, BSW und Linkspartei haben nur einmal die Chance, für sich zu werben.

Ich sehe darin nichts anderes als lupenreine Wettbewerbsverzerrung. Die 16-Prozent-SPD ist nicht nur doppelt so häufig in Wahlkampfsendungen eingeladen wie die 20-Prozent-AfD, sondern hat durch die zwei Kanzlerduelle mit Friedrich Merz ein Vielfaches der reinen Sendezeit zur Verfügung. Mit BSW, Linke und FDP werden drei kleinere Oppositionsparteien in der Schlussrunde mit allen Parteien zusammengenommen wahrscheinlich nicht auf so viel Redezeit kommen wie Olaf Scholz in einem einzigen Kanzlerduell.

Die Qualität einer Demokratie, deren Verteidigung und Hochhaltung die ARD-Anstalten sowie das ZDF sich nicht nur mit dem Framing-Begriff „Demokratieabgabe“ ja selbstbewusst zur Aufgabe gemacht hat, erkennt man auch daran, wie sie mit politischen Minderheiten und kleineren Parteien umgeht. Geht man danach, steht es um die Qualität der deutschen Demokratie nicht sonderlich gut.

Für diese Problematik scheint es bei ARD & ZDF zwar ein minimales Bewusststein zu geben, anstatt sie aber zu beheben, übt man sich in Realitätsverleugnung. „Wir veranstalten kein Kanzler-Duell“, schrieb die ARD in einer Stellungnahme. Doch, genau das tut sie. Gleich zweimal.

Auch bei NIUS Live diskutierten unsere Reporter Björn Harms und Julius Böhm mit Moderator Alex Purrucker über die manipulierten Kanzler-Duelle von ARD und ZDF. Hier anschauen:

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sich noch so viele Wahlkampf-Formate ausdenken, am Ende gibt es nur eine gerechte Lösung, die unser Wahlrecht angemessen widerspiegelt und den öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht verletzt: Formate, bei denen alle Parteien eingeladen sind, die in Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag sitzen. Das ist das einzig legitime Auswahlkriterium, weil es das einzig demokratisch legitimierte Auswahlkriterium ist. Die Bürger haben das Parlament zusammengesetzt. Es existiert in der Realität. Nicht so wie Umfragewerte, die deshalb niemals entscheiden dürfen, wer eingeladen wird und wer nicht. Jedenfalls nicht in dem Fernsehen, das von allen Bürgern finanziert werden muss.

Mehr Redezeit für die Union: Carsten Linnemann hat Verständnis für die aktuelle Regelung.

Ich habe auch als Wähler den Anspruch, die Auseinandersetzung zwischen sämtlichen Parteien zu sehen. Und zwar nicht nur in einem von vielen Formaten, sondern in allen Auseinandersetzungen während des Wahlkampfs. Wenn das dann einigen Politikern wie CDU-General Carsten Linnemann zu anstrengend wird, der vor TV-Runden mit zu vielen Teilnehmern warnt, weil dann nicht genug Zeit vorhanden wäre, um Positionen zu erklären, habe ich eine einfache Lösung. Längere Debatten, häufigere Debatten. Meinetwegen zwei Runden pro Woche über mehrere Stunden, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass unsere Politiker so viel Inhalt dann doch nicht wollen.

Erschreckend ist, dass auch die ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten bei der Verteidigung des Duells zwischen Scholz und Merz so argumentierte. „Eine Viererrunde hätte sich kaum vom Format anderer Talkrunden unterschieden und den Zuschauern in der begrenzten Zeit einer Sendung nicht die ausreichende inhaltliche Tiefe gewährleistet.“

Es scheint für die Chef-Journalistin des Zwangsfunks völlig undenkbar zu sein, Politiker mal etwas länger zu befragen. Es scheint für sie undenkbar zu sein, Menschen, die das Land regieren wollen, mal über mehrere Stunden angemessen herauszufordern. Jeder Dschungelkönig muss vor der Öffentlichkeit härtere Aufgaben überstehen als Spitzenkandidaten in Wahlkampfsendungen. Maximal zehn Minuten müssen sie über einen Themenbereich reden, so gut wie nie in die Tiefe gehen. Warum begnügen wir uns mit solchen inhaltlichen Minimalismus-Sendungen? Wer Deutschland regiert, muss ewig lange Verhandlungen führen. In seiner Koalition, in der Außenpolitik, ständig. Aber pro Politiker mehr als eine Fußballhalbzeit lang Quatschen im Fernsehen soll unmöglich sein?

Wenn es in diesem Wahlkampf einen Angriff auf unsere Demokratie gibt, dann kommt er nicht von Elon Musk oder Russland, sondern direkt aus den Redaktionsgebäuden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die massive Diskriminierung von kleineren Parteien in den Wahlkampfsendungen durch ARD und ZDF ist die größte Beeinflussung des Wahlausgangs, die überhaupt vorstellbar ist. Eine größere journalistische Ignoranz dem deutschen Wahlrecht gegenüber kann es zudem kaum geben.

Wären die Grünen wirklich um die Demokratie besorgt, sie müssten Unterschriften sammeln, um diesen Zustand zu beenden und mehr Debatten mit allen relevanten Parteien zu ermöglichen. Das wäre dann ein wirklich ehrenwerter Einsatz für, und jetzt benutze ich diese anmaßende, einverleibende Wortkombination zum letzten Mal, unsere Demokratie.

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