Bei Illner: Koalition in der Krise

vor 2 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Es knirscht ganz gewaltig im Gebälk der noch jungen Koalition. Zwar konnte sich die schwarz-rote Koalition nach der zunächst missglückten Kanzlerwahl den Staub aus dem Gefieder schütteln, doch spätestens mit der abgesagten Richterwahl ist wieder ordentlich Feuer unterm Dach. Kanzler Friedrich Merz muss gleich an zwei Fronten kämpfen. Die SPD gibt sich unnachgiebig und stur, was einen Rückzug ihrer Kandidatin anbelangt. Viel gefährlicher aber ist die Tatsache, dass seine eigenen Leute seine Entscheidungen nicht bedingungslos mittragen. Die eigene Fraktion hat Kanzler Merz und auch Fraktionschef Jens Spahn öffentlich vorgeführt und Brosius-Gersdorf abgelehnt.

An diesem Talk-Abend ist der Eklat von neulich eines der Themen. Maybrit Illner ist nach ihrer Pause voller Elan und auf Angriff gebürstet wie selten. Möglicherweise hat sich die Moderatorin vom Kampfgeist der deutschen Fußballerinnen anstecken lassen, aufgrund derer ihre Sendung pausierte. Die Politiker von SPD und CDU werden von der Moderatorin phasenweise gegrillt, wie es sonst nur Markus Lanz an guten Tagen macht. Die Sendung ist dadurch dynamischer und kurzweiliger als sonst.

Der Name Brosius-Gersdorf dürfte innerhalb der letzten Wochen zu einem der bekanntesten Doppelnamen des Berliner Politikbetriebes geworden sein. Die von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht löste durch ihre gewagten Thesen einen großen Aufschrei unter christlich-konservativen Bürgern aus. Aufgrund des Drucks der konservativen Basis knickte die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag letztlich ein und weigerte sich, für Frauke Brosius-Gersdorf zu stimmen. Der sich dadurch ergebende Konflikt schwelt bis heute und dürfte die Sommerpause überdauern.

Sollte man eigentlich auch annehmen, aber das unrühmliche Schauspiel um Brosius-Gersdorf lässt anderes vermuten. Es geht der SPD sehr wohl darum, dass eine linke Richterin für die Partei in Karlsruhe auch Politik macht. Brosius-Gersdorfs zahlreiche polarisierende Aussagen zu Abtreibungen, Impfpflicht, Kopftuchverbot oder AfD-Verbot lassen gar keine andere Deutung zu. Auch die zweite Kandidatin der SPD ist stramm links und hat ein sehr eigenwilliges Verständnis des Grundgesetzes, da sie unpopuläre Maßnahmen gerichtlich anordnen möchte, wenn das Parlament sich weigert, diese zu beschließen. Es keimt der Verdacht, dass die SPD ihre schwindende parlamentarische Macht über kluge Personalpolitik am Bundesverfassungsgericht absichern will.

Thorsten Frei von der CDU will erstmal Dampf aus dem Kessel lassen. „Wir werden natürlich eine Lösung finden“, säuselt er beschwichtigend in Richtung SPD. Er ist sich nicht zu fein, Brosius-Gersdorf über den grünen Klee zu loben. „Sie ist in jedem Fall eine hoch versierte Juristin“, erklärt Frei. Der CDU-Politiker aus Baden-Württemberg ist ein treuer Fahrensmann von Friedrich Merz. Solches mediales Süßholzraspeln deutet darauf hin, dass Friedrich Merz gewillt ist, die umstrittene Kandidatin durch mehr Druck auf die Fraktion durchzusetzen. „Man muss nicht mit jeder Position einverstanden sein, um eine Richterin für das Bundesverfassungsgericht zu wählen“, ergänzt Frei vielsagend. Die Unionsfraktion darf wohl über die Sommerpause die Kröte vorverdauen, die sie bald schlucken werden muss.

Die Bundesrepublik leidet unter großem Reformstau. Die öffentliche Infrastruktur ist gammelig und marode, die sozialen Sicherungssysteme kommen wegen der Demographie ins Wanken und die Verteidigungsfähigkeit des Landes lässt zu wünschen übrig. Um sich all den mannigfaltigen Herausforderungen zu stellen, hat sich die kleine neue Koalition großen finanziellen Spielraum geschaffen. Am Geld scheitern Vorhaben in Zukunft nicht mehr. Oder vielleicht scheitern sie gerade an viel Geld?

Tatsächlich sind die Kritikpunkte von Schnitzer vernachlässigbar. Das teuerste finanzielle Problem ist kein Wahlgeschenk, sondern eine ungünstige Demographie. Das umlagefinanzierte Rentensystem in der Bundesrepublik steht vor dem Kollaps. Auch Illner kommt gegen Ende der Sendung darauf zu sprechen. Für CDU-Mann Thorsten Frei ist es die Gelegenheit, um für das CDU-Prestigeprojekt Aktivrente zu trommeln. Er verspricht: „In diesem Herbst sprechen wir über die Aktivrente.“ Die Aktivrente soll es arbeitstätigen Rentnern ermöglichen, 2000 Euro steuerfrei neben der Rente zu verdienen. Wirtschaftsweise Schnitzer hält wenig von der Aktivrente. „Die Aktivrente wird die jüngeren Generationen nicht entlasten“, bemängelt sie. Sie fordert stattdessen ein Einfrieren des Rentenniveaus und eine Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Welt-Journalist Robin Alexander sieht die SPD in der Rentenfrage als Bremsklotz. „Die Frage ist, ob die SPD bei Reformen überhaupt dabei ist“, sagt der Buchautor. Aus seiner Sicht besteht Anlass zu Besorgnis. In der Tat ist es ungewiss, ob die Genossen beim Thema Rente ihrer Klientel etwas zumuten wollen. Gerade auf ältere Wähler ist die SPD zunehmend angewiesen, um überhaupt noch irgendwie auf einen grünen Zweig zu kommen. Da werden schmerzhafte Reformen eher aufgeschoben als sofort angepackt. Alles andere als schmerzhaft für die Zuseher ist der Talk an diesem Abend. Es geht kernig zur Sache, weil Illner ihre Gäste ordentlich in die Mangel nimmt. Es ist zu wünschen, dass die Moderatorin auch zukünftig solche Sendungen zustande bringt.

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