
Ab dem kommenden Schuljahr dürfen Lehrerinnen offiziell mit Kopftuch unterrichten. Berliner CDU und SPD berufen sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2023, das pauschale Verbote für verfassungswidrig erklärte. Doch faktisch wurde das Kopftuch bereits seit März 2023 in Schulen geduldet; das neue Gesetz liefert lediglich das juristische Siegel.
CDU-intern gab es ein leises Murren, doch am Ende dominierte der Gehorsam gegenüber dem Koalitionsvertrag. Die SPD freut sich: Man mache sich „ehrlich“, sagt Fraktionschef Raed Saleh. Die Grünen gehen weiter und fordern Kopftücher sogar bei Polizistinnen, während die AfD das Vorhaben als „Todesstoß für staatliche Neutralität“ beschreibt. Das Abstimmungsergebnis am 10. Juli wird daran nichts ändern.
Damit rückt Berlin exakt in die Phase, die Susanne Schröter bereits vor fünf Jahren skizzierte. Phase 1: Forderung nach Ausnahmegenehmigungen in staatlichen Einrichtungen – längst erledigt. Phase 2: gesellschaftliche Normalisierung und moralischer Druck, das Kopftuch oder Verschleierung als Zeichen weiblicher Selbstbestimmung zu verkaufen, ebenfalls weit gediehen. Phase 3 bedeutet: Islamistische Akteure nehmen gezielt Einfluss auf Politik und Justiz, um das Kopftuch rechtlich abzusichern und als zulässiges Symbol im Staatsdienst zu verankern. Genau das setzt das Berliner Abgeordnetenhaus nun um.
Der Schleier ist dabei nicht bloß privates Glaubenssymbol, sondern – so Schröter – die Fahne einer patriarchal-islamistischen Geschlechterordnung. Eine Lehrerin im Kopftuch wird unweigerlich zum Vorbild, das muslimischen Mädchen signalisiert: Richtige Frömmigkeit beginnt mit der Bedeckung. Wer sich entzieht, gilt schnell als ehrlos oder ungläubig. In Klassenzimmern, wo bereits sozialer Druck herrscht, verstärkt der Staat mit seinem Lehrpersonal diese Botschaft.
Berlins Regierungsparteien behaupten, das Verbot habe „verfassungswidrig“ gewesen. Tatsächlich ließ es Ausnahmen bereits zu, wenn der Schulfrieden nicht gefährdet war. Doch der Begriff „konkrete Gefahr“ ist politisch unhandlich – also schafft man ihn lieber ab. Was bleibt, ist ein Schulraum, in dem religiöse Selbstdarstellung Vorrang vor staatlicher Zurückhaltung erhält.
Islamistische Lobbygruppen mussten für dieses Resultat nicht einmal im Verborgenen agieren. Schon 2020 jubelten Vereine mit Muslimbruderschaftsnähe über das Bundesarbeitsgericht, das einer kopftuchtragenden Bewerberin 5 159 Euro Entschädigung zusprach. Politiker der Linken und Grünen flankierten den Kampf vor Gericht, erklärten das Neutralitätsgesetz zum Relikt und stilisierten das Kopftuch zur Menschenrechtsfrage.
Der Staat drängt sich damit selbst aus der Rolle des säkularen Schutzpatrons heraus. Polizisten dürfen nach wie vor keine religiösen Symbole an der Uniform tragen – noch. In der Logik der neuen Gesetzgebung ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch diese Bastion fallen wird. Wer Religionsfreiheit absolut setzt, schafft am Ende die Freiheit ab, die eigene Religion nicht ständig vor sich hertragen zu müssen.
Ironie der Geschichte: Während Iranerinnen unter Lebensgefahr den Zwangsschleier abwerfen, beschließt Berlin, ihn als Ausdruck von Vielfalt in die Klassenzimmer zu holen. Die Botschaft an junge Muslimas ist fatal: Der Staat bestätigt den religiösen Dresscode, den viele Eltern und Imame als Pflicht predigen.
Der Schritt der Hauptstadt hat Signalwirkung. Sobald das Kopftuch in Berlin rechtlich abgesichert ist, wächst der Druck auf andere Länder, ihre Neutralitätsgesetze anzupassen – unter demselben Vorwand der Antidiskriminierung. Aus einer Hauptstadtregel wird ein Bundesmodell, aus Phase 3 der logische Übergang in eine Phase 4: die gesellschaftliche Erwartung und Druck, dass jede gläubige Frau sich verschleiert.
Berlin hat damit einen Damm gebrochen. Neutralität wird zur Option, religiöse Selbstdarstellung zum Grundrecht mit Vorrang. Der Preis ist eine staatliche Schule, die Kinder nicht mehr vor religiösem Druck schützt, sondern ihn legitimiert. Und das alles unter dem Etikett „Fortschritt“.