
Es ist eine der brisantesten Fragen des Bundestagswahlkampfes, aber auch entscheidend für den Wirtschaftsstandort Deutschland: Wie kann Deutschland seine Stromversorgung günstiger und somit für Unternehmen wettbewerbsfähiger machen? Ein Lösungsvorschlag von CDU/CSU, FDP und AfD ist die Wiederinbetriebnahme deutscher Kernkraftwerke, die jedoch gerade von der Grünen Partei bekämpft und als unmöglich verschrien wird.
Eine große Studie aus den USA zeigt nun: Bis zu 9 Reaktoren könnten in den kommenden Jahren zurück ans Netz gehen und sauberen Strom für mehr als 30 Millionen Haushalte liefern – und zudem einen gewichtigen Beitrag leisten, das Land aus der Rezession zu führen.
„Weltweit werden regelmäßig große Reparaturen an Kernkraftwerken durchgeführt, sodass auch mehrere deutsche Kernkraftwerke schnell wieder in Betrieb genommen werden könnten. Dies allein könnte den Unterschied ausmachen, ob Deutschland in der Rezession verbleibt oder zum Wachstum zurückkehrt, und zudem das Vertrauen der Wirtschaft in das Land wiederherstellen“, erklärt Mark Nelson vom Energieberatungsunternehmen Radiant Energy Group, der Co-Autor der Studie ist.
Die deutsche Energiewende sorgt im weltweiten Vergleich nicht nur für hohe Strompreise, die der Wirtschaft heftig zusetzen und eine schleichende Deindustrialisierung zur Folge haben, sie macht den Strom in Deutschland auch nicht wirklich sauber: Während Deutschland im Mittel noch rund 350 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ausstößt, sind es beispielsweise in Frankreich, das auf einen Mix aus Kernkraft und Wind setzt, nur 18 Gramm – 95 Prozent weniger.
Seit dem Atom-Ausstieg ist Deutschland ein Strom-Import-Land.
Hinzu kommt: Seit der Abschaltung der verbliebenen drei Atomkraftwerke im April 2023 ist Deutschland von einem Strom-Exporteur zu einem Land geworden, das auf Strom-Importe aus dem Ausland angewiesen ist, damit die Strompreise nicht noch weiter durch die Decke schießen. Von 2003 bis 2022 hatte Deutschland in jedem Jahr mehr Strom ins Ausland exportiert als es importierte. 2023 importierte Deutschland erstmals 9,2 Milliarden Kilowattstunden mehr Strom als es exportierte, in diesem Jahr waren es in den ersten 11 Monaten bereits knapp 25 Milliarden Kilowattstunden Import-Überschuss. Das entspricht knapp 6 Prozent des deutschen Strombedarfs.
Laut der Studie könnte das Kraftwerk Brokdorf schon 2025 und mit Kosten von weniger als 1 Milliarde Euro wieder ans Netz gehen und bis zu 10 Terawattstunden saubere Energie liefern, Emsland und Grohnde könnten in drei und vier Jahren folgen und je weitere 10 Milliarden Kilowattstunden Strom liefern. Weitere sechs Reaktorblöcke – Gundremmingen B & C, Isar 2, Krümmel, Neckarwestheim 2 und Philippsburg 2 – könnten bis 2032 folgen und weitere insgesamt 66 Milliarden Terawattstunden produzieren.
Insgesamt 96 Milliarden Kilowattstunden Strom entsprechen dem Verbrauch von 32 Millionen Haushalten.
Grüne Punkte sind Kernkraftwerke, die schnell wieder in Betrieb genommen werden können, blaue Punkte entsprechen Kraftwerken, die bis 2032 wieder Strom liefern könnten.
Insgesamt würden bis zu 20 Milliarden Euro an Kosten für die Wiederinbetriebnahme der 9 Reaktoren anfallen, denen jedoch – bei einer Laufzeit von 20 Jahren – Strom im Wert von mehr als 100 Milliarden Euro gegenüberstünde, heißt es von den Autoren. Entscheidend sei nicht die technische Machbarkeit und die ökonomische Rationalität, sondern der politische Wille, die Wiederinbetriebnahme gesetzlich zu erlauben.
In der deutschen Öffentlichkeit wird dieser Tage über die Einlassung des EnBW-Kernkraftchefs Jörg Michels gesprochen. Besonders grüne Politiker führen die Einlassung ins Feld, um gegen eine Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken zu argumentieren. Michels hatte der Augsburger Allgemeinen gesagt: „Der Rückbau-Status unserer fünf Kernkraftwerke ist praktisch gesehen irreversibel.“
Dem widerspricht Mark Nelson: „Die Führungskräfte der Energieversorgungsunternehmen, die behaupten, die Kernkraftwerke könnten nicht wieder in Betrieb genommen werden, haben buchstäblich kein Fachwissen auf diesem Gebiet und haben sich unseres Wissens nach nicht um eine echte Antwort bemüht. Sie wurden ernannt, um die Kernkraft zu zerstören, nicht um sie zu retten. Wenn sie behaupten, dass Kernkraftwerke nicht wieder in Betrieb genommen werden können, geben sie ihre politische Meinung als technische Meinung aus.“ Selbiges gelte auch für Politiker: „Die Grünen kämpfen dagegen, weil die Zerstörung der deutschen Atomkraft ihr einziger konsequenter Gründungsauftrag ist.“
Für die Erstellung der Studie seien „vertrauenswürdige Experten aus der deutschen Industrie und unabhängige Sachverständige“ befragt worden, die wegen der Brisanz der Debatte jedoch anonym bleiben wollten.
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