
Die Bundesregierung nutzt das milliardenschwere Schuldenpaket für Verteidigung im großen Stil, um laufende Kosten zu decken und die Schuldenbremse auf diesem Wege zu umgehen. Das zeigen Recherchen von NIUS.
So sind im Haushaltsentwurf für 2025, über den der Bundestag im September abstimmen soll, zahlreiche Posten als „Bereichsausnahmen“ angegeben – das bedeutet, dass sie als Verteidigungsausgaben gewertet und der Schuldenbremse nicht angerechnet werden. Viele dieser Ausgaben haben jedoch mit Verteidigung kaum etwas zu tun. So werden etwa Beamtengehälter, Dienstreisen, Grundstücks-Pachten und Arbeitsgeräte auf Pump finanziert.
Im März hatte der zu diesem Zeitpunkt bereits abgewählte Bundestag den Weg für eine Grundgesetzänderung zur Erhöhung der Schuldenaufnahme frei gemacht. Einerseits wurden Sonderschulden für Infrastruktur und Klimaschutz in Höhe von 500 Milliarden Euro beschlossen. Andererseits wurde festgelegt, dass Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit ab einer Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts von der Schuldenregel ausgenommen sind. Neben Verteidigungsausgaben fallen darunter, so steht es nun im Grundgesetz, auch „Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten“.
Friedrich Merz wirbt am 18. März für die Grundgesetz-Änderung, die die Aufnahme von Milliarden-Schulden ermöglicht.
Ein Blick in den Haushaltsentwurf verrät, dass die Regierung diese Definitionen sehr weit fasst – so weit, dass sich der Verdacht aufdrängt, dass die Regierung laufende Kosten als Investitionen etikettiert, um sie von der Schuldenbremse auszunehmen.
Insbesondere der Bereich „Schutz der informationstechnischen Systeme“ lässt sich so auslegen, dass elektronisches Inventar wie etwa PCs unter Sicherheitsausgaben fallen. Natürlich muss dieses Inventar den sicherheitstechnischen Standards genügen, um vor Hacks geschützt zu werden. Dass darum aber die komplette technische Ausstattung über Schulden finanziert werden kann, ist ein geschickter Trick der Haushälter.
In zahlreichen Ministerien und Behörden wird etwa ein Posten angeführt mit dem Titel „Geschäftsbedarf und Kommunikation sowie Geräte, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenstände, sonstige Gebrauchsgegenstände, Software, Wartung“. Hier wird also gewöhnliche Ausstattung aus Schulden querfinanziert, so etwa für das Bundespräsidialamt (43.000 Euro), den Bundestag (765.000 Euro) oder das Bundeskanzleramt (900.000 Euro).
Das Bundespräsidialamt bekommt neues Inventar.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien erhält ebenfalls 63.000 Euro über diesen Posten und wird in diesem Jahr über mehrere weitere Bereichsausnahmen finanziert. Insgesamt kommen so 1,175 Millionen Euro Schulden für den Beauftragten zusammen, unter anderem für die „Bewirtschaftung der Grundstücke, Gebäude und Räume“ und für den Erwerb von „Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen sowie Software im Bereich Informationstechnik“.
Auch das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, das Geodaten erfasst und Karten erstellt, bekommt einen kräftigen Schluck aus der Schulden-Pulle: Über 85 Millionen fließen an der Schuldenbremse vorbei an das Amt; über 22,5 Millionen davon in Gehälter von Beschäftigten, mehr als 8 Millionen speziell an Beamte, 280.000 Euro auf Pump sind für Dienstreisen angesetzt. Für „kleine Neu-, Um- und Erweiterungsbauten“ sind 150.000 Euro vorgesehen. Ein Pkw, der ersetzt werden muss, schlägt mit 26.000 Euro zu Buche. Über 1 Million soll für Mieten, Pachten und den Unterhalt von Gebäuden ausgegeben werden. Aber auch Geräte zu Verwaltungszwecken, bei denen es sich nicht um IT handelt, sind von der Schuldenbremse ausgenommen. Dafür gibt es 33 Millionen Euro.
Der Sitz des Präsidenten des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie in Frankfurt am Main.
Ein Bundesamt inklusive Personalkosten und Verwaltung wird hier also über Schulden teilfinanziert.
Der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, der am Montag als Sachverständiger im Haushaltsausschuss geladen war, erklärt über den Haushalt der Bundesregierung gegenüber NIUS: „Die Bundesregierung gibt die Deckung laufender Kosten als vermeintliche Investitionen aus. Dabei handelt es sich in Wahrheit um konsumtive Ausgaben. Investitionen erkennt man daran, dass sie den Kapitalstock erhöhen. Wenn ich aber bloß einen alten Computer durch einen neuen ersetze, ist das keine Investition. Diese Trickserei zieht sich durch den gesamten Haushalt.“
Ulrike Schielke-Ziesing, die für die AfD im Haushaltsausschuss des Bundestags sitzt, sagt gegenüber NIUS: „Wer einer Regierung einen Blankoscheck ausstellt, braucht sich nachher nicht darüber zu wundern, wenn dieser auch eingelöst wird. Davor haben wir als AfD gewarnt. Allein 2025 sind es über 4,4 Milliarden Euro an Ausnahmen, die die Ministerien angemeldet haben. Ausnahmen, die eigentlich keine sein sollten, wie etwa die Finanzierung des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie. Diese Milliarden gehen an der Schuldenregel vorbei und dadurch wird die Bundesrepublik kein Stück sicherer, nur der SPD-Finanzminister freut sich über mehr Spielraum und mehr Schulden an anderer Stelle. Das steht diametral entgegen dem, was man der Bevölkerung und auch den eigenen Abgeordneten erzählt hat.“
Das Finanzministerium erklärte auf die Frage von NIUS, mit welcher Begründung die unterschiedlichen Bereichsausnahmen akzeptiert wurden, sich im Laufe des Dienstags dazu äußern zu wollen.
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