Das sind die neun Bundestagsabgeordneten, die sich der Migrations-Abstimmung verweigert haben

vor 3 Monaten

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Am Tag danach steht fest: Es hätte verhindert werden können. Dass der gestrige Entschließungsantrag der Union mitsamt eines 5-Punkte-Plans zur Migrationswende mit einer einfachen Mehrheit von 348 zu 344 Stimmen bei zehn Enthaltungen verabschiedet wurde, lag nicht nur daran, dass eine Mehrheit von CDU, AfD und FDP dafür gestimmt haben.

Ein zweiter Grund: Sieben Abgeordnete der SPD und zwei Abgeordnete der Grünen blieben der Abstimmung fern. Wären vier dieser Parlamentarier erschienen und hätten gegen den Antrag gestimmt, hätte dieser keine Chance gehabt, durchzukommen. Doch wer sind diese neun Verweigerer?

Diedenhofen aus Bad Honnef in Nordrhein-Westfalen zog 2021 als einer von vieren über einen Listenplatz in den Bundestag ein – und war Mitglied in drei Ausschüssen (Wohnen, Digitales, Familie). Erst im Dezember 2024 gab er bekannt, für den nächsten Bundestag nicht zu kandidieren. „Ich bin mir des dramatischen Zeitpunktes bewusst. Ich war fest entschlossen, den Wahlkampf durchzuziehen, aber es geht nicht. Meine gesundheitliche Situation hat sich zugespitzt und ich musste nun einsehen: Ich schaffe das nicht.“ Die genauen gesundheitlichen Gründe spezifizierte der 29-Jährige nicht, es scheint aber nicht unwahrscheinlich, dass diese auch der Grund gewesen sein könnten, weshalb er an der Abstimmung am Mittwoch nicht teilnahm.

Diedenhofen bei einer Bundestagsdebatte zum Thema der Wärmewende.

Ariane Fäscher, direkt gewählte Abgeordnete aus dem Wahlkreis Oberhavel-Havelland II, der als AfD-Hochburg gilt, kämpft um ihr Direktmandat. Auch sie blieb der Abstimmung fern. Bei der Bundestagswahl 2021 setzte sie sich gegen einen CDU-Kandidaten mit mehr als 26 Prozent der Stimmen durch. Möglich, dass Fäscher, die auch über Listenplatz 6 in den Bundestag einziehen könnte, erneut um ihren Wahlkreis kämpfen will – und aufgrund der Symbolwirkung einer möglichen Abstimmung gegen eine immer stärker werdende AfD fernblieb.

Der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Osnabrück I stand schon einmal in Kritik wegen mangelnder Präsenz im Wahlkreis, versäumter Termine und seltener Bundestagsaktivität. Im vergangenen Oktober war zudem durch Recherchen publik geworden, dass Gava regelmäßig Kokain konsumiere, was indirekt dazu führte, dass er auf eine erneute Bundestagskandidatur verzichtete. „Ich habe Scheiße gebaut“, so sagte der SPD-Politiker mit italienischen Wurzeln damals den Zeitungen. „Das war vor allem am Wochenende. Ich habe abends viel Gas gegeben, um mich abzulenken.“ Zudem räumte Gava ein, dass die Dauerbelastung als Bundestagsabgeordneter und öffentliche Person an seine Substanz gingen.

Das wohl prominenteste Mitglied der Abwesenden: Tessa Ganserer. Der Grünenpolitiker – der bereits bei Abstimmungen zu überraschen wusste, etwa, als er gegen die Impfpflicht stimmte – scheidet ebenfalls aus dem Bundestag aus. Bereits im Oktober 2024 erklärte Ganserer, zur Bundestagswahl nicht mehr antreten zu wollen – und sich „aus der aktiven Politik“ zurückzuziehen. Als Grund führte er den Hass an, der ihm in seiner Funktion entgegengebracht wird.

Oehl, Jahrgang 1993 und Frankfurter, verpasste die Abstimmung, weil er an einer Podiumsdiskussion in seinem Wahlkreis teilnahm. „Es war eine schwierige Abwägung für mich“, so der SPD-Abgeordnete. An der Podiumsdiskussion in Hanau hatten 120 Schülerinnen und Schüler teilgenommen, er „wollte dieses Podium nicht der AfD überlassen“. Die Veranstaltung habe um 11 Uhr begonnen und zwei Stunden gedauert, anschließend sei er direkt in den Zug nach Berlin gestiegen. Trotzdem habe er die Abstimmung knapp verpasst. Zuvor hatte er CDU-Politikerin Katja Leikert aufgefordert, gegen den Antrag der eigenen Partei zu stimmen.

Sah sich am Mittwoch gezwungen, bei einer Podiumsdiskussion mit Schülern in Hanau teilzunehmen: Lennard Oehl.

Der SPD Bundestagsabgeordnete Johannes Schraps aus Bad Pyrmont in Niedersachsen nannte die Zusammenarbeit von CDU und AfD bei dem Antrag zum Thema Migration einen „historischen Tabubruch“. Der Abstimmung blieb er aber fern. Der Grund: Weil seine Frau und er jederzeit ihr erstes Kind erwarten, sei er aktuell im Wahlkreis. Immerhin legte er heute mit einem impulsiven Facebook-Posting nach: „Mit dem Einbringen des heutigen Entschließungsantrags hat sich deutlich gezeigt, dass die Merz-CDU nicht davor zurückschreckt, im Bundestag mit Rechtsextremen gemeinsame Sache zu machen“, hieß es darin.

Dem SPD-Politiker Frank Schwabe fehlten keineswegs die Worte für den Tabubruch, der sich am Mittwoch vollzog: „An dem Tag, an dem Konservative, wie damals in Deutschland, Nazis wieder die Trittleiter hingestellt haben. Nazis kann man nicht einhegen. Nazis kann man nicht zähmen. Mit Nazis macht man keine gemeinsame Sache. Einfach niemals“, so der 54-Jährige aus Waltrop. „Wer das nicht begreift, ist verdammt, erneut durch schreckliche Zeiten zu gehen. Zeiten, in denen Menschen verfolgt, getötet und geschmäht werden. Weil sie ‚anders‘ sind.“ Der gestrige Mittwoch sei „ein schwarzer Tag für Deutschland.“ Der Abstimmung blieb Schwabe passenderweise fern, weil er zum Europarat nach Straßburg reiste, wo er als Leiter der Deutschen Delegation eine lange geplante Gedenkrede zum Holocaust-Gedenken gehalten habe.

Auch Anne-Monika Spallek von den Grünen nannte heute die gestrige Abstimmung einen „schwarzen Tag für die Demokratie“. Warum sie der Abstimmung fernblieb, begründete sie bisher nicht – weder auf ihren Social-Media-Konten noch gegenüber Medien. Doch ein Lokalbericht macht hellhörig: Bereits im vergangenen April gab Spallek bekannt, nicht mehr für den Bundestag kandidieren zu wollen. Der Grund: ihr Pferdehof, der gleichermaßen ihre große Leidenschaft darstellt. „Ein halbes Jahr habe ich hin und her überlegt“, so die Parlamentarierin der Grünen aus Billerbeck – und sich für den Pferdehof entschieden. „Auf Dauer geht nicht beides, das war jetzt schon oft schwierig“, sagt die 56-Jährige, die einen Pensionsbetrieb für alte Pferde in der Bauerschaft Gerleve betreibt.

Die Grünenpolitikerin Spallek hat eine große Vorliebe für Pferde.

Martina Stamm-Fiebich aus Erlangen blieb gestern der Abstimmung fern, weil sie ihren Vater zu Grabe getragen hat. Dieser sei vergangene Woche nach langer Krankheit verstorben, die Beisetzung fand in Erlangen statt.

Auch bei NIUS: Die große „Brandmauer“-Debatte: Was passiert, wenn Grüne und SPD nicht mehr mit der CDU koalieren wollen

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