Die CDU ist nicht eine Partei, sondern zwei Parteien

vor 3 Monaten

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Die CDU demonstrierte auf ihrem Parteitag Geschlossenheit. Einen öffentlichen Richtungsstreit soll es nicht geben. Doch früher oder später wird die Partei auseinanderbrechen – aufgerieben zwischen den linken und rechten Fliehkräften der gesellschaftlichen Debatte.

Nachdem die Partei aufgrund ihres Vorpreschens in der Migrationspolitik unter gehörigen Druck geraten war, folgte in Berlin die Umarmung für den linken Parteiflügel. CDU-Chef Friedrich Merz pries nicht nur den grünen Weg in die Klimaneutralität als „unumkehrbar“, er arbeitete sich vor allem an der AfD ab, die laut Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst bekanntlich eine „Nazi-Partei“ ist.

Merz‘ heftige Attacke auf die AfD brachte den Parteitag in Wallung. Die selbsternannte Alternative sei der wichtigste Gegner in diesem Wahlkampf, betonte Merz unter dem Jubel der CDU-Delegierten – eine empörte Selbstvergewisserung, die das naive Unverständnis zu umspielen versuchte, warum die CDU nun plötzlich in den bundesrepublikanischen Furor des „Kampfes gegen Rechts“ geraten ist.

Derzeit erfährt die CDU eine ähnliche Behandlung wie die AfD. Büros werden beschmiert, die Mitglieder in den Kreisverbänden eingeschüchtert. „Mitte statt Merz“, lässt eine linke Partei wie die SPD im ganzen Land auf Plakate drucken. Die CDU geht durchs Feuer. Dabei war es gerade ihre Angst vor diesem Feuer, die eine Brandmauer hat entstehen lassen und den Zustand dieser Mauer verfestigte.

Merz und Söder wollen wieder nach vorne.

Über kurz oder lang wird es die Partei zerreißen. Die CDU verspricht eine Migrationswende, schließt aber genau jene Partei aus, die seit zehn Jahren diese Migrationswende fordert, nämlich die AfD. Demgegenüber fordert die Union Koalitionen innerhalb der „demokratischen Mitte“, aber verprellt die dominierenden Parteien dieses elitären Kartells, die SPD und die Grünen. Die Luft wird dünn, die Optionen kleiner. Denn an eine Wiederkehr der FDP zur Belebung eines kraftvollen schwarz-gelben Bündnisses glaubt niemand mehr.

Die Taktgeber auf der politischen Ebene bleiben die Linken, was auch die Übernahme von spaltenden Formulierungen wie der „demokratischen Mitte“ beweist. SPD und Grüne geben den Rahmen des Sagbaren vor, die Union trottet hinterher. Der Staatsrechtler Helmut Quaritsch beschrieb den Wettstreit um die begriffliche Deutungshoheit einmal wie folgt: „Im Kampf der Geister ist die Besetzung eines Begriffs so wichtig wie im Krieg die Eroberung einer Festung.“ Einen wirklichen Kampf um Begriffe nahm die Union nie auf. Es liegt nicht in der Natur der Partei. Die Begriffe setzte jahrelang die politische Linke, da sie in den Universitäten und den etablierten Medien alle wichtigen Schlüsselpositionen besetzte, um das begriffliche Rüstzeug zu liefern. Erst mit dem Aufkommen der AfD brach die Übermacht – man denke an Wörter wie „Asylindustrie“ – und der Diskurs verschob sich.

Die Union durfte so lange brav mit am Tisch der linken Diskurswächter sitzen, wie sie nicht aus dem Konsens ausscherte. Wann immer sie es jedoch wagt, leicht nach rechts abzubiegen, schrillen die Alarmglocken. Der gesamte linke Apparat stürzt sich nun auf eine Partei, die mit der Wucht der verbalen und zum Teil sogar physischen Angriffe völlig überfordert ist.

Die Proteste vor dem Parteitag der CDU blieben friedlich.

Nun sitzt die Union zwischen den Stühlen, was sich auch innerhalb der Partei zeigt. CDU-Führungskader wie Jens Spahn oder Carsten Linnemann versuchen es mit Lockerungsübungen gen rechts, während in Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein eisern am linksliberalen Weg festgehalten wird und Karin Prien auf dem Parteitag eine „antifaschistische DNA“ der CDU beschwört.

In den bleiernen Jahren unter Angela Merkel hielt der Altkanzlerin-Pattex konservative und linke Strömungen noch zusammen. Doch die Zeit der Volksparteien gelangt an ihr Ende, Jahre der Entscheidung stehen vor der Tür. Soziologische Untersuchungen wie die Sinus-Milieu-Studien zeigen zudem: Der wohl wichtigste Träger sowohl des deutschen Staates als auch der CDU, die traditionelle bürgerliche Mitte, schrumpft und zerfällt zusehends in unterschiedlichste Gruppen. Schon der griechische Philosoph Panajotis Kondylis (1943–1988) sprach vom „Paradox“, die „Probleme der Massendemokratie“ mit „bürgerlich-liberalen Idealen und Verfahren, aber ohne Bürgertum und klassischen Liberalismus“ bekämpfen zu wollen.

Die CDU versucht es weiterhin, ganz so, als gebe es noch immer eine monolithische bürgerliche Mitte, während die zwei dominierenden Gesellschaftsnarrative am Parteienkorsett zerren. Der Großteil der Bevölkerung orientiert sich zunehmend an den beiden Polen „Grüne“ und „AfD“, selbst wenn sie andere Parteien wählen. Damit wird die politische Auseinandersetzung zwangsläufig geprägt durch eine nach Gleichheit strebende „ewige Linke“ (Ernst Nolte), aufgehend in ihrer modernen Form der „grünen Gesellschaftstransformation“, und einer widerspenstigen Rechten, die sich selbst zwar nicht als Rechte bezeichnen möchte, aber den Linken als Korrektiv entgegentritt.

Der Union läuft jedoch nicht nur die Zeit davon, sondern auch die Koalitionspartner. Der Zeitgeist schwenkt nach rechts, während die Partei weiterhin verzweifelt versucht, den Kontakt zu SPD und Grünen nicht gänzlich zu verlieren. Gibt es nach der Bundestagswahl eine Koalition mit der SPD, den Grünen oder sogar beiden, wird sich nicht nur die Spaltung in der Adenauer-Partei vertiefen, sondern auch die Abwanderung der Wähler fortsetzen.

Lesen Sie auch:CDU-Parteitag in Berlin: Stehender Applaus für Merz-Absage an die AfD.

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