Chaos bei den Genossen: Dem Kanzler geht die SPD von der Fahne

vor 6 Monaten

Blog Image
Bildquelle: NiUS

Der Reformationstag Ende Oktober wurde in der allgemeinen Wahrnehmung zu Halloween. Beide Anlässe sind wie gemacht für die einst stolze deutsche Sozialdemokratie. Deren Lage ist zum Gruseln, und nichts braucht sie dringender als eine echte Reform an Haupt und Gliedern. Danach aber sieht es nicht aus.

Mit dem letzten Aufgebot und mit alten Parolen will die SPD bei den Bundestagswahlen im kommenden Herbst punkten. Dass der Kanzler auf diese Weise eine Laufzeitverlängerung erhalten wird, ist unwahrscheinlicher als Schnee am Orinoco.

Da hilft auch kein Fäustetrommeln: Dem Kanzler gehen die Unterstützer in der eigenen Partei verloren.

Ja, die Grünen befinden sich im selbstverschuldeten Abwärtstrend, und die FDP muss sich wahrscheinlich als außerparlamentarische Opposition neu erfinden. Die SPD aber stellt den Bundeskanzler, ist die nominell stärkste Kraft im Dreierbündnis des Schreckens und blickt zurück auf die längste Tradition. Gegründet vor über 130 Jahren, ist sie untrennbar verbunden mit der deutschen Geschichte des 19., des 20. und des beginnenden 21. Jahrhunderts.

Wenn nicht alle Vorzeichen täuschen, implodiert die SPD gerade. Sie spricht von Respekt und meint Umverteilung, wirbt für Solidarität und betreibt Ausgrenzung, stellt Gerechtigkeit in Aussicht und übersieht, dass sie seit 1998 fast immer Teil der Bundesregierung war.

Vor drei Jahren reichten 25,7 Prozent der Stimmen, um die Bundestagswahl zu gewinnen. Es war ein Sieg, der eher der Schwäche der CDU und ihres überforderten Spitzenkandidaten Laschet geschuldet war als eigener Stärke. Heute würden sich laut jüngsten Umfragen noch 15 oder 16 Prozent der Deutschen für die Partei des unbeliebten Kanzlers entscheiden. Rund 4,7 Millionen Menschen haben sich von der SPD abgekehrt.

Schlechtes Regierungshandwerk trägt zum Exodus bei. Scholz ist ein orientierungsloser Kanzler, bei dem das Selbst- und das Fremdbild auf bizarre Weise auseinanderklaffen. Er selbst sieht sich als Deutschlands letzter Checker. Wahrgenommen wird er als kleiner König Kalle Wirsch. Die Kinderbuchfigur regiert bei den Erdmännchen und hat es auch nicht leicht.

König Kalle Wirsch mit Kindern

Die Implosion der SPD geht aber nicht allein auf das Konto des Regierungschefs. Die gesamte Partei weiß nicht, wohin sie will, und sie verfügt über kein sympathietaugliches Führungspersonal. Die eine Vorsitzende, Saskia Esken, brilliert nur im Wettstreit um die peinlichsten Interviews. Nach jeder der zahlreichen Wahlniederlagen findet sie öffentlich Gründe, warum das Angebot perfekt, doch leider der Wähler verstockt sei.

Das sozialdemokratische Führungsduo Lars Klingbeil und Saskia Esken.

Lars Klingbeil wiederum holzt gegen die Konkurrenz mit einer Brachialität, dass die „Klingbeilisierung“ des Wahlkampfs sprichwörtlich wurde. Kevin Kühnert könnte derweil als erfolglosester Generalsekretär in die Geschichte der SPD eingehen. Als er im Dezember 2021 gewählt wurde, rangierte die Partei bei 26 Prozent. Heute steht sie zehn Punkte tiefer.

Kühnerts Nachfolger Matthias Miersch stolperte in ein Amt, zu dem ihn offenbar Neigung und Talent gleichermaßen fehlen. Im ZDF ordnete er eine Aussage von Olaf Scholz dem FDP-Vorsitzenden Lindner zu. Nicht einmal der Generalsekretär weiß also, was der Spitzengenosse denkt und sagt. Wenig später gemeindete Miersch, Teil des stramm linken Flügels, Altkanzler Gerhard Schröder nonchalant wieder in die Partei ein.

Matthias Miersch ist der neue Generalsekretär der SPD.

Damit gibt Miersch zum Unwillen des abermals machtlosen Scholz jenen Stimmen in der Partei Auftrieb, die sich ein entspanntes Verhältnis zu Russland wünschen. In dieselbe für Scholz unerfreuliche Richtung zielt die Abkehr der Brandenburger SPD unter Ministerpräsident Dietmar Woidke vom „Zeitenwende“-Kurs des Kanzlers. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht gelang es, in das gemeinsame Sondierungspapier folgenden Satz zum Krieg in der Ukraine hinein zu verhandeln: „Der Krieg wird nicht durch weitere Waffenlieferungen beendet werden können.“

Die SPD im Bund begrüßt solche Waffenlieferungen. Der Kanzler will sie „solange wie nötig“ fortsetzen. In Brandenburg hält man das Gegenteil für geboten. Keine andere Partei bietet da ein größeres Durcheinander als Scholzens Sozialdemokratie. Dem Kanzler geht die SPD von der Fahne.

Zum programmatischen Durcheinander und den personellen Ausfällen tritt ein kommunikatives Desaster. Jusochef Philipp Türmer lässt seinem Hass auf „Reiche“ freie Fahrt, wünscht sich ein Deutschland ohne Milliardäre. Der 28-Jährige übersieht, dass auch der arbeitende Mittelstand sich abwendet, wenn die SPD wirtschaftlichen Erfolg verdammt und Unternehmer in den Senkel stellt.

Der vernachlässigte Mittelstand wird auch nicht deshalb zur SPD zurückkehren, weil diese sich nun mit einer Kampagne an „Deutschlands Leistungsträger*innen“ wendet. Darunter versteht die Klingbeil-Partei den Feuerwehrmann, den LKW-Fahrer, die Kindergärtnerin, die Lehrerin. Unternehmer stehen unter Igitt-Verdacht, der Sozialneid soll es richten.

Die heutige SPD kann gendern, aber sie weiß nicht, was sie in gegenderter Sprache ausdrücken will. Sie kann an die Arbeiterschaft appellieren, hat aber kein Konzept außer der Beschimpfung, um den Aufstieg der AfD zur neuen Arbeiterpartei zu stoppen. Sie nimmt das Wort „Leistung“ in den Mund, sieht im Bürger aber vor allem den Leistungsempfänger. Und sie gibt in blinder Begeisterung für Zuwanderung jenes autochthone Milieu preis, das ihr einst niemand streitig machte: die aufstiegsbereite untere Mitte.

Nach der Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler erschien ein Sachbuch über diesen „seltsamen Sieg“ und das „Comeback der SPD“. Darin steht eine Mahnung, die die Esken-Klingbeil-Miersch-SPD nicht hören will.  Sie lautet: Ohne die „Rückgewinnung einer eigenständigen politischen Sprache“ würden auf den Überraschungssieg keine weiteren Triumphe folgen. So ist es gekommen.

Mehr NIUS:Der Blick der Wirtschaft: Wie die SPD mit Rekordabgaben den Mittelstand ausbluten lässt

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von NiUS

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von NiUS zu lesen.

Weitere Artikel