
Das Schlagwort ist ein wichtiges Instrument der gegenwärtigen Politik. Mit ihm verkaufen die Politiker Ideen als neu, die alt sind. So heißen Arbeitsgruppen heute nicht mehr so, sondern sie heißen Expertenrunde, Gipfel oder noch besser: “Task Force”. Das klingt nicht so pupsig wie Arbeitsgruppe, stinkt aber genauso vergammelt. Nur gehen der Politik irgendwann die Ideen für neue Schlagwörter aus. Dann muss sie auf alte zurückgreifen. Und in diesem Sinne ist ein altes Schlagwort neu zurück, tata:
Der Booster. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verspricht im Bundestag ein “Investitionsprogramm”, das zum “Wachstumsbooster” werde. Für alle die, die im diversen Wald der Schlagwörter die Orientierung verloren haben: In seiner letzten Blütezeit war der Booster eine Wiederholung der Impfung gegen das Corona-Virus. Zuerst sollten die erste und zweite Impfung alle Geimpften samt ihrer Familien, Nachbarn und Arbeitskollegen vor einer Ansteckung schützen. Das klappte nur bedingt. Dann sollte der Booster das schaffen, also die dritte Impfung. Dann die vierte, die fünfte… Irgendwann auf dem Weg zur siebten oder 27. Impfung haben die regierenden Parteien ihr Narrativ – auch so ein Schlagwort – aufgegeben. Für drei Jahre galt es als angenehm peinlich, öffentlich irgendwas als Booster anzupreisen.
Nun beschreibt der Vizekanzler das eigene Investitionsprogramm als “Booster”. Und damit trifft Klingbeil den Nagel erstaunlich präzise auf den Kopf. Denn unter Finanzminister und Kanzler Olaf Scholz hat der Bund jede Menge staatliche Investitionsprogramme versucht. Die Schlagwörter hießen: Wumms, Entlastungspakte, Klimafonds, Sondervermögen, Doppelwumms… Sie alle sollten die deutsche Wirtschaft ankurbeln – sie alle haben dazu beigetragen, dass die Wirtschaft im dritten Jahr in Folge schrumpft. Und wie schon bei der Impfung setzt der gemeine Feld-Wald-und-Wiesen-Sozialdemokrat nun wieder auf den Booster. Die nächste Spritze hilft bestimmt.
Woraus besteht die Spritze tatsächlich: Es gibt einen Punkt, der den Betrieben tatsächlich hilft. Schon ab dem nächsten Monat können Unternehmen eine Investition zu einem Satz von 30 Prozent abschreiben. Schneller und einfacher als bisher. Diesen sinnvollen Schritt hat die schwarz-rote Koalition auf Ende 2027 begrenzt. Dann erst soll der zweite sinnvolle Punkt des Pakets in Kraft treten: die Senkung der Körperschaftssteuer. Die zahlen juristische Personen wie Stiftungen oder Kapitalgesellschaften.
Erst in drei Jahren senkt die schwarz-rote Koalition die Körperschaftssteuer von 15 auf 10 Prozent. Aber noch nicht einmal das. Sie tut das in einzelnen Schritten, die erst 2032 abgeschlossen sein sollen. Die Bundesregierung braucht drei Jahre, um mit der Senkung einer Steuer zu beginnen und sieben Jahre, um diese abzuschließen. Wenn das der Finanzminister und SPD-Vorsitzende dann einen “Booster” nennt, parodiert er sich und sein Schlagwort selbst.
Den Kanzlern Friedrich Merz (CDU) und Klingbeil vorzuwerfen, sie würden in ihrer Wirtschaftspolitik nur alte Schlagwörter neu auflegen, dann wäre das unfair. Alte, gescheiterte Ideen legen sie ebenfalls neu auf. Etwa den Wahn, dass die Politik entscheidet, welches Auto der Bürger fährt – und nicht der Bürger. Bis 2030 sollten per politischem Beschluss 15 Millionen E-Autos in Deutschland verkauft sein. Planwirtschaft in Reinkultur. Aktuell zugelassen sind laut ADAC rund 1,6 Millionen E-Autos. Die Senkung der Körperschaftssteuer wird also vermutlich das Schneckenrennen gegen die vorgesehene Zulassung von E-Autos gewinnen.
Aber nicht, wenn es nach Lars Klingbeil geht. Der verspricht: “Wir setzen auf Elektromobilität.” Der Staat kann nicht festlegen, dass der Bürger E-Autos kaufen soll? Er kann dieses Ziel auch nicht mit absurden Subventionen erreichen? Dann ist diese Idee nicht gescheitert. Dann braucht sie nur einen Booster. Den setzt das Investitionsprogramm nun: Unternehmen, die bis 2028 ein E-Auto anschaffen, können dessen Kosten schon im ersten Jahr zu 75 Prozent abschreiben. In den vier Folgejahren sind weitere Abschreibungen von zusammen 15 Prozent möglich. Sodass der Steuern zahlende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber sein E-Auto letztlich zu neun Zehnteln bezahlt. Zudem erhöht die Bundesregierung noch die Obergrenze für die Absetzbarkeit von Forschungsausgaben von zehn auf zwölf Millionen Euro. Außerdem sinkt der Steuersatz für einbehaltene Gewinne von Personengesellschaften von 28,25 auf 25 Prozent – aber auch das soll erst in sieben Jahren gelten.
Eine wirkungsvolle Maßnahme sofort. Eine nette Geste. Zwei wirkungsvolle Maßnahmen, die aber erst in sieben Jahren greifen und die Wiedergeburt der Idee, der Staat könnte den Bürger dazu bringen, E-Autos zu kaufen. Wer das alles für armselig hält, sollte nicht zu früh urteilen. Das wird noch armseliger. Denn der Bund setzt unter Union und SPD nur das um, was zum größten Teil die Länder, Städte und Gemeinden finanzieren müssen.
Deswegen steht selbst der Booster noch unter Vorbehalt. Denn, weil sie finanziell betroffen sind, müssen die Länder dem Programm im Bundesrat zustimmen. Sie werden Kompensationen dafür einfordern. Also, wenn der Bund ihnen an der einen Stelle Kosten aufdrückt, soll er ihnen an anderer Stelle auch Einnahmen zukommen lassen. Dafür ist kein Geld im aktuellen Haushalt vorgesehen. Auch weil es keinen aktuellen Haushalt gibt. Nicht mal einen Entwurf. Den will Klingbeil aber noch diesen Monat dem Bundestag vorstellen.
Um mehr Geld zu generieren, will Klingbeil an die Themen Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung ran. In dieser Sache, so kündigt der Finanzminister an, will er die Gesetze verschärfen. Auch hier noch vor der Sommerpause. Verbände wie die Familienunternehmer weisen auf den Zusammenhang zwischen Schwarzarbeit und einer Steuern- und Abgabenlast hin, die für manche Branchen unbezahlbar hoch geworden ist. Doch an diesen Zusammenhang geht Klingbeil nicht ran. Weder die Senkung der Lohnsteuer noch der Beiträge für die Sozialversicherung sind in seinem Booster vorgesehen. Die Beiträge für die Krankenkasse werden vermutlich sogar eher steigen. Klingbeil setzt nicht darauf, die Ursachen der Schwarzarbeit zu bekämpfen, sondern die Folgen. Das nächste Mal klappt es bestimmt. Der Kerngedanke eines jeden Boosters.
“Ich lese überall nur das Wort Mehreinnahmen”, wirft Christian Douglas (AfD) dem Finanzminister in der Debatte im Bundestag vor. Nur das Einfordern der Steuern klappe im Bundestag bestens, die Rückzahlung werde von der Regierung auf den “St. Nimmerleinstag” verschoben. Er erinnert als Beispiel an das “Klimageld”, das die Ampel schon vor drei Jahren versprochen hat.
Doch vor den Gedanken dieser Partei schützen sich SPD und Union mit einer “Brandmauer”. Als Reserveregierungspartei stehen ihnen die Grünen zur Verfügung. Die machen so lange mit, so lange CDU, CSU und SPD ihre alten Ideen wiederbeleben und mit noch mehr Verve als beim letzten gescheiterten Versuch durchführen. So diktierte Andreas Audretsch der Koalition: “Ihr werdet mächtig nacharbeiten müssen.” Damit meint der Grüne, dass sie auf jegliche Steuerentlastung verzichten und noch weitere Steuererhöhungen durchführen müssten. Die könnten dann – ein Vorschlag von TE – nach dem Schlagwort “Deep State Empowerment” benannt werden. Aber das wäre vielleicht noch zu ehrlich. “Unsere Demokratie Taler” wäre indes so verniedlichend, wie irreführend, dass sich irgendein Unternehmer bereits jetzt daran die Rechte sichern sollte.