
Zombies sind Tote, die noch unter den Lebenden weilen. Im Horrorgenre bilden sie eine beliebte Gruppe. In der politischen Landschaft ist Jens Spahn ein Zombie. Eigentlich müsste seine Karriere längst tot sein. Doch als Vorsitzender der größten Regierungsfraktion gehört er zu den wichtigsten Handelnden im Berliner Politgeschäft. Jens Spahn ist damit der beste Beweis dafür, dass es in der politischen Eliten-Auswahl längst nicht mehr um die Wirkung auf den Souverän, das Volk, geht – sondern um die interne Vernetzung. Solange die Regisseure in Politik und Medien einen Handelnden wie Jens Spahn akzeptieren, solange kann er weiter in der Inszenierung wichtig sein – und sei es in einer Rolle als Zombie, der auf Außenstehende nur noch wie Horror wirkt.
Nun gibt es ein Gutachten der Juristin Margaretha Sudhof zu Spahns Amtszeit als Gesundheitsminister. Genauer gesagt zu den Maskendeals, die er während der Pandemie abgeschlossen hat. Spahn sagt, er habe nichts zu verbergen zu dem Thema. In der Opposition hat er Journalisten Fragen zu den Deals verboten. Seine Parteifreundin, die jetzige Gesundheitsministerin Nina Warken, hat das Gutachten zuerst komplett zur Geheimsache erklärt. Als sich die Position nicht mehr halten ließ, verteilte sie das Gutachten an die zuständigen Fachpolitiker – mit vielen geschwärzten Passagen. Er habe nichts zu verbergen, sagt Spahn. Aber er verbirgt.
Schon früh während der Pandemie sagte Spahn, dass sich in Deutschland nach der Pandemie viele vieles zu vergeben hätten. Das klang weise. Nach gesellschaftlicher Versöhnung. Doch eigentlich hat er sich damit nur selbst die Absolution erteilt. Unter dem Unions-Minister Spahn haben Unions-Abgeordnete damit Geld verdient, Maskengeschäfte zu vermitteln. Verurteilt wurden sie deswegen nicht. Es ist in Deutschland erlaubt, Bürger zum Tragen von Masken zu zwingen und dann am Verkauf der Masken ordentlich mitzuverdienen. Verurteilt wurde nur Andrea Tandler, weil sie die Einnahmen nicht versteuerte. Aus dem Gutachten schält sich nun die Erkenntnis raus, dass ein Unternehmen aus der Heimat des Ministers unter zweifelhaften Bedingungen an den Deal gekommen ist, obwohl es damit überfordert war. Der Chef des Unternehmens war ein Parteifreund Spahns. Er habe nichts zu verbergen, sagt Spahn heute. Aber reden will er halt auch nicht darüber.
So wie Spahn, nachdem er für 4,50 Euro das Stück bestellt hatte. Folglich entschied sich die Politik für eine Maskenpflicht. Teilweise sogar im Freien, wie am Mainzer Rheinufer. In Bussen und Bahnen bis in den Februar 2023, als die Maskenpflicht in Flugzeugen längst gefallen war. Deutschland werde sich nach der Pandemie viel zu verzeihen habe, sagte Spahn. Nur hat die Politik den Bürgern nichts zu verzeihen, umgekehrt gäbe es durchaus vieles.
Der Bundestag richtet an diesem Mittwoch auf Antrag der Regierungsfraktionen eine Enquete-Kommission zur Corona-Pandemie ein. Eine solche Enquete beschäftigt sich mit grundsätzlichen Fragen. Etwa, warum es in der nächsten Pandemie auch wieder eine Maskenpflicht im Freien geben wird. Linke und Grüne hätten lieber einen Untersuchungsausschuss gehabt. Der wäre in der Lage gewesen, konkrete Verfehlungen aufzuarbeiten. Etwa Spahns Maskendeal, zu dem er ja nichts zu verbergen habe.
Die Grünen haben schriftlich eine Kleine Anfrage zu den Deals gestellt. Spahns Parteifreundin Julia Klöckner hat sie in ihrer Funktion als Präsidentin des Bundestags abgewiesen. Sie wird diese Anfrage nicht, wie sonst eigentlich üblich, an die betreffenden Ministerien weiterleiten. Mit dem Zusenden des massiv geschwärzten Papiers an den zuständigen Ausschuss sei die Anfrage ja schon beantwortet – und zu verbergen gibt es bekanntlich auch nichts.
Die Pandemie hat gezeigt, wie schnell der Politikbetrieb gravierend falsche Entscheidungen durchsetzen kann, die massiv das Leben der Bürger ruinieren. Der Medienbetrieb hat während Corona bewiesen, dass er nicht als Korrektiv wirkt, sondern sich als Verstärker der Regierung versteht. Dass Journalisten bereit sind, Kritiker als “Covidioten” zu beschimpfen und öffentlich zu brandmarken und vernichten, etwa wenn sie auf die fehlende Wirkung und die fatalen Folgen der Isolation von Kindern hinweisen. Auch wenn die Zeit nach der Pandemie ihnen darin völlig recht gibt.
Spahn hat während der Pandemie gesagt, dass danach viele vieles zu vergeben hätten. Das hat er wohlweislich auch deshalb gesagt, weil er wusste, dass weder ein Politiker noch ein Journalist für seine fatalen Fehler während der Pandemie um Entschuldigung bitten will. Die Absolution durch den Bürger erwarten sie auch so. Die stehe ihnen zu. Dieser Gedanke zeigt sich in der “Aufarbeitung” der Corona-Zeit, wie sie der Bundestag und die sie umschwirrenden Journalisten-Satelliten betreiben. Auch darin, dass ein Mann als Führung und Kanzlerreserve weitermachen kann, über dessen Zeit als Minister er Fragen lange abgelehnt hat und jetzt vieles von dem verbirgt, was angeblich nicht zu verbergen sei. Ein politischer Zombie – und für den Bürger der reine Horror.