Das Grundgesetz ist überbewertet – es schützt die Freiheit nicht

vor etwa 1 Monat

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Das Grundgesetz ist die beste Verfassung, die Deutschland je hatte. Der Satz ist so verbreitet wie richtig. Er ändert aber nichts daran, dass das Grundgesetz unsere Freiheit, gerade in stürmischen Zeiten, nicht ausreichend schützt.

Wer das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Dritte Reich und die DDR als Konkurrenz hat, kann relativ leicht glänzen. Es ist natürlich richtig, das Grundgesetz so kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war ein Meilenstein, der Stabilität und Wohlstand ermöglichte. Aber kann man sich als freiheitsliebender Bürger wirklich auf die deutsche Verfassung verlassen? Wie krisenfest ist sie? Und ist sie überhaupt eine Verfassung der Freiheit oder nicht vielmehr ein Sammelsurium an Einfallstoren für Freiheitseinschränkungen?

Im Mai 1957 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Strafbarkeit der Homosexualität weder gegen den Gleichheitssatz in Artikel 3 noch gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit in Artikel 2 des Grundgesetzes verstoße. Homosexuelle Betätigung verletze das Sittengesetz und es könne nicht verneint werden, „daß jedes öffentliche Interesse an ihrer Bestrafung fehlt.“ Der entsprechende Paragraf 175 wurde erst 1994 gestrichen. Mittlerweile ist offensichtlich, dass Schwule dieselben Grundrechte wie Heteros haben, genützt hat ihnen das jahrzehntelang aber gar nichts. Ihre Freiheit wurde bekämpft, offiziell in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz.

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dieser eigentlich glasklare Satz steht seit 1949 im Grundgesetz. Aber auch er hat Frauen jahrzehntelang nichts gebracht. Erst 1977 erlaubte der gnädige Staat ihnen, ohne Erlaubnis der Ehemänner zu arbeiten. Nun kann natürlich eingewandt werden, dass es im Jahr 2025 mehr als einfach ist, Moralvorstellungen der Vergangenheit zu kritisieren. Jetzt so zu tun, als hätte ich damals entgegen der überwältigenden Mehrheitsmeinung der Bevölkerung gedacht und gehandelt, das ist doch Gratismut. Ja, vielleicht. Und sicherlich, es waren andere Zeiten und die damalige Mehrheit im Volk und ebenso im Bundesverfassungsgericht mag solche Zustände nicht als Unrecht empfunden haben.

Doch wie viel sind Grundrechte wert, wenn ihre Realitätswerdung vom jeweiligen Zeitgeist abhängt? Wie viel sind Grundrechte wert, wenn sie offensichtlich so viel Interpretationsspielraum zulassen, dass Bürger von der Gnade und Güte von Politikern und Richtern abhängig sind? Wie viel ist ein Grundgesetz wert, das machtlose Bürger nicht gerade in schwierigen Zeiten schützt?

Nicht besonders viel. Leider trifft all das auf das deutsche Grundgesetz zu. Es hat einen Wischi-Waschi-Wesenskern und wird so, anstatt zu einer Verteidigungslinie gegen Freiheitseingriffe, zu einer Ansammlung von Einladungen zur Freiheitseinschränkung. Belege dafür gibt es reichlich.

1999: Am Bauzaun des Kanzleramtes in Berlin rütteln mehrere Frauen, die an einer Demonstration anlässlich der Einführung des Frauenwahlrechts teilgenommen haben.

Da wäre zum Beispiel der Artikel 14: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“ Ist doch wunderbar, ein klarer, freiheitlicher Satz. Leider folgen ihm so einige Alptraum-Sätze. „Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt“, „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Aus einem klaren Bekenntnis zu Privateigentum wird so ganz schnell ein schwammiger Artikel, der dem Staat Tür und Tor öffnet, um es einzuschränken. Sperrte man 100 Geisteswissenschaftler in einen Raum, kämen 100 verschiedene Definitionen raus, was unter „Allgemeinwohl“ zu verstehen ist oder zu was genau es „verpflichtet“. Ich möchte gar nicht wissen, welche Horror-Interpretationen entstünden, wenn man 100 Juristen diese Frage beantworten ließe. Eigentum ist Eigentum ist Eigentum. Ich erwerbe etwas und darf darüber frei verfügen. Wenn ich der Gesellschaft oder dem Staat Rechenschaft schulde, ist es nicht mein Eigentum, sondern ein geliehenes Objekt.

Wenn ich ein Haus kaufe und Grundsteuer bezahlen oder eine bestimmte Heizung einbauen muss, um es behalten zu dürfen oder bald einen jährlichen „Gebäude-TÜV“ überstehen darf, wohne ich eigentlich zur Miete bei Vater Staat. Und in der Tat, so ein richtiges Recht auf Eigentum gibt es in Deutschland nicht. Noch nicht mal einen Baum darf ein Grundstückseigentümer in diesem Land ohne Genehmigung fällen. Das ist die Konsequenz aus wankelmütiger Kompromiss-Formulierung in zentralen Grundgesetzartikeln. Grundrecht ist das falsche Wort dafür, Grunderlaubnis trifft es schon eher.

Auch grandios ist Artikel 5, in dem es um das Fundament der westlichen Zivilisation, um das vornehmste Grundrecht, nämlich das Recht auf freie Meinungsäußerung geht. Die Meinungsfreiheit ist im ersten Satz zwar verbrieft, wird aber schon im zweiten Absatz relativiert: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Ich bitte um Verzeihung, aber eine Verfassung, in der es Platz für die „persönliche Ehre“ gibt, ist eine wertlose Verfassung. Eine Verfassung, die zulässt, dass Bürger Hausdurchsuchungen wegen böser Wörter zu erleiden haben, ist keine freiheitliche Verfassung. Dass im ersten Absatz von Artikel 4 die Pressefreiheit, also die Freiheit der Presse vor staatlicher Repression, mit der Freiheit des Rundfunks, also der „Freiheit“ zur staatlichen Beitragserpressung, in einem Atemzug genannt wird, kann dann nur noch als Realsatire verstanden werden.

Artikel 7 ist dann die endgültige intellektuelle Bankrotterklärung. „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates“, dicht gefolgt von: „Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet.“ Entweder es gibt private Schulen oder es gibt keine privaten Schulen. In Deutschland gibt es keine privaten Schulen, lediglich Schulen, die etwas mehr kosten und in denen eine etwas angenehmere Atmosphäre herrscht. Eine echte Privatschule dürfte einen autonomen Lehrplan haben, eigene Arbeitsbedingungen für Lehrer formulieren und natürlich auch ordentlich Geld verlangen. All das ist ihr laut Grundgesetz verboten. Das angebliche Recht auf private Schulen ist ein Etikettenschwindel. Davon sind etliche andere Grundrechte elementar betroffen: Vertragsfreiheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit, freie Berufsausführung.

Für diese Grundpfeiler einer jeden freien Gesellschaft interessiert sich das Grundgesetz einfach nicht sonderlich. Nicht umsonst steht in Artikel 12 sinngemäß: Niemand darf zu einer Arbeit gezwungen werden, es sei denn, alle werden zu einem gleichen öffentlichen Dienst gezwungen. Dann ist es in Ordnung.

Zwangsarbeit an prominenter Stelle, kann man gut finden, mit Freiheit hat das nichts zu tun. Supernett vom deutschen Staat ist natürlich die Unverletzbarkeit der Wohnung, Artikel 13. Naja, außer ein zu frecher Bürger nennt den Wirtschaftsminister einen Schwachkopf, dann gilt die nicht mehr. Spannendes Grundrecht.

Mit dem Grundgesetz lässt sich zudem jede Wirtschaftsordnung verargumentieren, von Sozialismus (Enteignung, Vergesellschaftung, Allgemeinwohl) bis Kapitalismus (Eigentum, Berufsfreiheit, Vertragsfreiheit). Eine Ordnung, die ohne mit der Wimper zu zucken die Mauermörderpartei in das politische System integrierte und wohl auch bei einer Staatsquote von 70 Prozent kein Problem finden würde, ist keine Ordnung der Freiheit.

Persönliche Ehre, Sitte, Allgemeinwohl, weitere Regelung durch Bundesgesetze – das Grundgesetz ist vollgestopft mit Relativierungen und Wieselwörtern. Interpretationsspielraum hat jede Verfassung, aber das ist kein Interpretationsspielraum mehr, das ist Willkür. Während Corona zeigte sich, wie problematisch das ist. Kein Grundrecht, was nicht eingeschränkt wurde. Kein Grundrecht, das nicht in seinem Wesenskern angetastet wurde, was laut Artikel 19 nie passieren dürfte. Die Schließung von Betrieben, Arbeitsverbote, Verhinderung von Demonstrationen, Isolation von Sterbenden, lebensgefährliche polizeiliche Hetzjagden auf Jugendliche im Park, alles völlig evidenzfrei und sinnlos, alles ein Verstoß nicht nur gegen die jeweils betroffenen Grundrechte, sondern vor allem gegen das allererste Grundrecht, die angeblich unantastbare Menschenwürde.

Sinnbild für den Eingriff in die Grundrechte während der Coronazeit wurden die FFP2-Maske und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Und die Bundesverfassungsrichter? Speisten lieber gemütlich mit Angela Merkel im Kanzleramt, bevor sie der Bundesregierung einen höchstrichterlichen Blankocheck für sämtliche Horror-Maßnahmen schenkten. Was in der deutschen Leitmedienlandschaft wohl los wäre, wenn Donald Trump kurz vor einer wichtigen Entscheidung des obersten Gerichts mit den Verfassungsrichtern zu Abend essen würde?

Die jahrzehntelange Verfolgung von Schwulen, die jahrzehntelange Diskriminierung von Frauen und die Einschränkung jedes Grundrechts während Corona haben bewiesen, dass das Grundgesetz eine Schönwetterverfassung ist. Wenn es keine große Krise gibt, wenn die Politiker einigermaßen vernünftig sind, wenn die Mehrheitsmeinung nicht völlig irre ist, dann existieren die Grundrechte. Aber wehe, es kommt eine Krise daher oder irgendeine Minderheit hat keine gesellschaftliche Akzeptanz oder der Staat bedroht ernsthaft die Freiheit der Bürger. Dann kann sich kein Individuum auf die Gewährung seiner Grundrechte verlassen.

Eine Verfassung, in der Wörter wie „Sitte“ und „Ehre“ Platz finden, ist kein Dokument, das dem Bürger sicheren Schlaf bieten kann, weil er auf die Unantastbarkeit seiner Grundrechte vertrauen kann. Vielleicht gibt es auch deshalb, möglicherweise in Antizipation vieler Schwächen, den Artikel 146:

„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Das ist doch nun wirklich mal ein kluger Artikel, ganz ohne Einschränkung.

Mehr NIUS: Entscheidung im Bundesrat: Friedrich Merz macht das Grundgesetz zum Schuldenbuch der Deutschen

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