Bei der Demo gegen Rechts gehen vermummte Ordner gegen Journalisten vor

vor 3 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

Wie gefährlich kann Journalismus sein? Gefährlich genug, dass die Organisatoren der Demonstration am Brandenburger Tor zwei Ordner abstellten, um einen Redakteur von Tichys Einblick zu bewachen. Jedes Gespräch, dass er mit Teilnehmern anfangen will, wird unterbrochen mit dem Hinweis, er sei ein „rechter Steamer“, mit dem man nicht reden soll. Viele brechen das Gespräch ab, einige trauen sich doch. Mit Verruchten zu reden, erfordert Mut.

Die Demonstration beginnt am späten Nachmittag. Zum Glück für die Organisatoren ist es mit zehn Grad ein überraschend warmer Tag in Berlin. Viele Menschen haben sich aus Berlin und dem Rest der Republik hier versammelt, um gegen Trump, Musk und die AfD zu demonstrieren. Kinder sitzen auf den Schultern ihrer Väter und halten Schilder, auf denen Sprüche stehen, die sie noch nicht lesen können. Wenn der Kleine fragt, „Was bedeutet F C K AfD?“, kommt Vati in Erklärungsnot. Manche Mutter verzweifelt daran, im Gedränge Tausender mit dem Lastenfahrrad voranzukommen. Es sind klischeehafte Bilder deutscher Kleinfamilien mit ebenso klischeehafter Rollenverteilung. Die Menschenmenge ist durchmischt, doch es dominieren junge Familien und alte Herrschaften, manche sogar im Pelz. Die wenigen Ausländer in der Menge sind oft keine Migranten sondern „Expats“. Es ist eine Demonstration der mit sich Zufriedenen und Satten.

Eine Menschenmenge, die auch auf einem Kirchentag nicht falsch am Platz wäre. Überrascht es da, dass die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) Präses Anna-Nicole Heinrich, eine Predigt hält? Zu Rechtsextremen müsse im Wahlkampf „größtmöglicher Abstand“ gehalten werden. Das Ziel dieses Satzes ist natürlich Friedrich Merz, der keine Politik machen soll, die gegen die Vorstellungen von Grünen und SPD geht. Die Grenzen sollen offen bleiben. Heinrich betont: es darf nicht geschwiegen werden, wenn Menschen ausgegrenzt, angegriffen und bedroht werden.

Aschaffenburg ist kein Thema auf der Demonstration. Den Opfern wird zu Beginn eine Schweigeminute gegönnt, dann geht man wieder dazu über, jede Kritik an der Migrationspolitik als Faschismus zu deklarieren. Eine Dame, roter Schal, teurer Mantel, sagt, sie sei Psychologin. Sie ist auf der Demonstration, weil sie Angst hat. Wovor? „Trump“, nicht vor Gewalt in Deutschland. Sie ist Psychologin, erklärt sie. Die Aussagen Karl Lauterbachs, dass viele Flüchtlinge traumatisiert und deswegen gefährlich seien, hält sie für falsch. Warum so viel Gewalt von Flüchtlingen ausgeht, was dagegen zu tun sei, kann sie jedoch nicht sagen. Donald Trump ist ihr Thema.

Vermutlich ist es dieses Gespräch, dass die Ordner auf den Plan ruft.

Für Fälle wie die Morde von Aschaffenburg und Magdeburg gibt es hier keine Lösungen. „Besser integrieren, statt abschieben“, schlägt ein Teilnehmer Tichys Einblick vor. „Psychisch behandeln“, ein anderer, der ein Schild „Brandmauer gegen Abschiebungen“ hält. Er wird das Gespräch beenden, nachdem die Ordner sich vor die Kamera drängen, um ihn „aufzuklären“, der Journalist sei ein Böser. Die Frage, ob die Tragödie von Aschaffenburg nicht mit Abschiebungen hätte verhindert werden können, bleibt unbeantwortet stehen. Sein Freund, ebenfalls nach seiner Meinung gefragt, schüttelt nur den Kopf. Das passiert oft – zwei bis vier Ordner folgen Tichys Einblick auf Schritt und Tritt, in ständiger Funkverbindung zur Demonstrationsleitung. Sie sind vermummt, tagen FFP2 oder Chirurgische Masken, verweigern jedes Gespräch und drehen sich von der Kamera weg. Einige Male endet die Aufzeichnung der Kamera unerwartet. Haben sie in einem unbeobachteten Moment eingegriffen?

Manche haben den Mut, auch trotz der Warnungen der Ordner mit TE zu sprechen. Sie vereint, dass sie die Demokratie in Gefahr sehen („von rechts“), wenn Friedrich Merz eine Zustimmung der AfD auch nur toleriert. Sie fordern ein einheitliches, positives Menschenbild von allen, die in der Politik sind. Für sie sind Aschaffenburg und Magdeburg und Mannheim und München und Solingen und Linz und so weiter alles bedauerliche Einzelfälle. Es gebe ja auch deutsche Mörder, Vergewaltiger, Terroristen.

Es ist legitim, nicht mit jedem dahergelaufenen Journalisten reden zu wollen. Es ist nicht verboten, dass die Demonstrationsleitung Gespräche unterbricht, um die Teilnehmer „aufzuklären“. Doch es ist ein Symptom einer Gesellschaft, die hinter jeder abweichenden Meinungsäußerung, hinter jeder kritischen Frage, Faschismus wittert.

Ein Demonstrant mit einem Transparent „Ossis gegen Rechts“, das „auch die CSU“ als Faschisten bezeichnet, droht mit Gewalt, greift nach der Kamera. Plötzlich sind die Ordner ganz weit weg.

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