
Und Steiger liefert Fakten für seine Sicht auf die Dinge. Er verweist auf eine Studie des Internationalen Währungsfonds, welche belegt: Der Schutz der heimischen Industrie ist ein Rezept für Stagnation, nicht für Wachstum. „Es geht um die Frage, ob Europa in der sich neu herausbildenden Weltordnung ein relevanter, gestaltender Akteur oder eine vernachlässigende Größe sein wird. Umso dramatischer ist es, dass die EU als Antwort auf die tektonischen Plattenverschiebungen den Kurs einer schlechten Wirtschaftspolitik einschlägt“, schreibt Steiger.
Ursula von der Leyen im EU-Parlament
Um die Strafzölle zu verhindern, hätte es 15 explizite Gegenstimmen gebraucht, erklärt der Experte. „Diese wurden zwar nicht erreicht, doch bildet das Ergebnis keineswegs eine überzeugende Grundlage, um einen weitreichenden und schädlichen Handelsstreit zu riskieren.“ Hinzu kommen die Interessen der verschiedenen Mitgliedsstaaten. Steiger: „Die chinesischen Fahrzeuge konkurrieren in erster Linie mit französischen und italienischen Marken in den unteren und mittleren Preissegmenten, deutlich weniger dagegen mit den deutschen Anbietern der Oberklasse. Die französischen Produzenten können in China – im Kontrast zu den deutschen Unternehmen – nur geringe Marktanteile aufweisen und betreiben dort auch kaum Fabriken. Entsprechend wären sie von möglichen Gegenmaßnahmen auch nur sehr unwesentlich betroffen.“
„Natürlich darf Europa nicht naiv sein. Es ist unstrittig, dass China die heimischen Anbieter mit massiven Subventionen unterstützt“, schreibt Steiger, „Doch Strafzölle lösen keine Probleme, sie führen in protektionistische Wettläufe. Ludwig Erhard hat die Dynamik bildhaft beschrieben: ‚Es ist genau so, als ob ein Klub erwachsener Männer zusammenkäme und jeder versuchte, sich vor den anderen an den eigenen Haaren hervorzuheben. Das muss scheitern!‘ Der potenzielle Schaden des Instruments ist dann schnell höher als der mögliche Nutzen.“
China setzt den deutschen E-Auto-Markt unter Druck.
Steiger erinnert daran, dass am Anfang der heutigen EU das Ziel stand, eine Freihandelszone zu schaffen, die die produktiven Kräfte der Märkte zum Wohle der Menschen nutzbar macht. „Markt, Wettbewerb und Subsidiarität waren die Triebfedern, die Europa wirtschaftlich stark gemacht haben.“ Inzwischen habe sich das zu einer Politik der Werte geändert.
„Der Letta-Report, Ursula von der Leyen, Emmanuel Macron und zuletzt Mario Draghi forderten zwar alle die Wettbewerbsfähigkeit und die Stärkung des Binnenmarktes in den Mittelpunkt zu stellen, ihre Rezepte passen aber rein gar nicht dazu. Staatliche Industriepolitik steht im Fokus, strategische Schlüsselsektoren und zukunftsträchtige Technologien sollen gefördert, europäische Champions geschaffen werden – natürlich mit der großen Bazooka schuldenfinanzierter EU-Fonds. Abschottung, Staat, Plan und Zentralisierung gewinnen an Boden“, kritisiert der Experte.
„Mit diesem Kurs wird Europa nicht seine Wirtschaftskraft und damit auch nicht sein geopolitisches Gewicht erhalten können. Stattdessen sollte die Politik auf Deregulierung, Technologieoffenheit und eine Verbesserung der Standortbedingungen vor Ort setzen. Da ist viel Luft nach oben, bei dem Verbrennerverbot und der Überprüfung der Flottengrenzwerte angefangen.“
Europa braucht den Systemwettbewerb nicht zu fürchten, stellt Steiger klar. „Es ist weiterhin ein wirtschaftliches Kraftzentrum, das noch über riesiges Potential verfügt. Zudem sind in kaum einer Region der Welt sind so viele Menschen so frei, ihr Leben so zu führen, wie sie es wollen. Diese Stärken gilt es wieder auszubauen.“ Gerade in der Phase des Protektionismus und der Abschottung müsse Europa ein Gegengewicht bilden. Sein Fazit: „Strafzölle machen China nicht marktwirtschaftlicher, sondern die EU interventionistischer.“