Der doppelte Robert: Mit Wuschel-Frisur und Taylor-Swift-Armband gegen die Meinungsfreiheit

vor 5 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Es gibt dieser Tage zwei Robert Habecks.

Der eine sitzt am Küchentisch, schaut mit Hundeblick zu uns auf. Trägt selbstgemachte Perlenarmbänder am Handgelenk. Spricht darüber, Debatten öffnen zu wollen.

Der andere blickt von Podien auf uns herab. Doziert im feinen Zwirn über die Gefahren der sozialen Medien und fordert Eingriffe in den freien Diskurs. Stellt Strafantrag gegen Bürger, die ihn als „Schwachkopf“ betiteln.

Die beiden Robert Habecks, so scheint es auf den ersten Blick, könnten unterschiedlicher nicht sein. Und doch lassen sie den Vizekanzler nur im Zusammenspiel zu jenem Heilsbringer werden, nach dem das grüne Milieu dürstet. Ein Milieu, dem die Argumente ausgehen. Und das sich dennoch durchsetzen will. Wer verstehen will, wie die Grünen den kommenden Bundestagswahlkampf prägen werden, der muss diesen doppelten Robert unter die Lupe nehmen.

Einen Tag nach dem Bruch der Ampel-Koalition kehrte Habeck auf die Plattform X zurück: „back for good“, postete er, und legte nach: „Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen ist leicht. Aber es sich leicht zu machen kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X.“ Habecks Rückkehr, so zeigte sich in den nächsten Tagen, war der erste Schritt einer orchestrierten Social-Media-Kampagne. Die Hamburger Agentur Jung von Matt wird den grünen Wahlkampf gestalten. 2017 hatte sie die Kampagne der damaligen CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel entworfen.

Das grüne Wahlkampf-Drehbuch begann mit einem Video. Die Partei veröffentlichte einen kurzen Clip, der Habeck am Schreibtisch zeigte: Mit einem Kugelschreiber scheint er ein Redemanuskript zu redigieren. Um das Handgelenk zwei Armbänder, wie sie Taylor-Swift-Fans tragen: „Kanzler Era“ steht auf den Perlen, in Anspielung an Taylor Swifts’ „Eras“-Tour. Statt Reichsapfel und Zepter wählt Habeck eine Insignie jungfräulicher Unschuld.

Habeck im Video.

Habecks Handgelenk.

Kurz darauf veröffentlichten die Grünen ein längeres Video, das Habeck am Küchentisch „von Freunden“ zeigte: „Ich bin bereit, meine Erfahrung, meine Kraft und meine Verantwortung anzubieten – wenn Sie wollen auch als Kanzler. Aber das ist nicht meine, das ist Ihre Entscheidung – nur Sie können das entscheiden.“ Habeck philosophierte über die „grundlegende Auseinandersetzung zwischen autoritärer Macht und liberalen Demokratien“. In einem zweiten Clip forderte er seine Follower auf, sich selbst aufzunehmen: „Ich freue mich auf eure Perspektive, schickt mir gerne eure Videos vom Küchentisch!“

Die Grünen zeichnen in ihren Videos ein Bild sanfter Harmonie: Habeck sitzt an einer hellen Tischplatte, der Bauernschrank im Hintergrund ist in zartem Mint gehalten, auf dem Kühlschrank kleben persönliche Erinnerungsstücke, ein geflochtener Korb steht auf einem hölzernen Hocker.

Screenshot aus Habecks Video.

Warum spricht Habeck nicht vom eigenen Küchentisch aus zu den Menschen, sondern vom Tisch seiner Freunde? Nun, der König will niemals nackt dastehen. Nackt zeigen soll sich der Untertan. Habecks Küchentisch-Video ist eine Simulation von Privatsphäre, die den Bürger zutraulich machen soll. Die Grünen interessieren sich für die Gespräche an den Küchentischen der Nation nicht, weil sie dort etwas über die Sorgen der Bürger erfahren könnten. Der Küchentisch ist für sie ein Ort des Zugriffs auf das freie Denken.

Habecks Parteifreundinnen Britta Haßelmann und Renate Künast haben dies unlängst deutlich gemacht. In einem Gastbeitrag auf T-Online schrieben sie: „Demokratie ist mehr, als alle vier Jahre sein Kreuzchen zu machen. Demokratie beginnt, wenn Menschen sich am Arbeitsplatz, via Social Media, über den Gartenzaun hinweg oder beim Abendbrot zu ihren unterschiedlichen politischen Standpunkten austauschen, streiten und dann Kompromisse finden. Genau hier beginnt das Problem: Wir erleben eine zunehmende Beeinflussung demokratischer Meinungsbildung durch Hass und gezielte Desinformation.“

Haßelmann und Künast wünschen sich eine Taskforce gegen Desinformation, worunter für Grüne bekanntermaßen alle kritischen Meinungen zählen, die nicht in ihre Agenda passen. Die Grenze der Privatsphäre ist deshalb für Grüne so bedrohlich, weil sie die persönliche Kommunikation vor staatlicher Kontrolle schützt. Am Küchentisch wird gesprochen, ohne dass der Staat mithört. Und hier kommt der zweite Robert Habeck ins Spiel.

Niedlicher als Habeck am Küchentisch ist nur das Tierchen, mit dem die Berliner Grünen auf X um Spenden werben: „Biddi biddi Spendi für Wintiwahlkampfi“, schreiben sie dort allen Ernstes.

Biddi Biddi Spendi für unseren #Winterwahlkampf 2025! 🐹👉👈Es ist soweit: Wir Berliner*innen dürfen zum dritten Mal in Folge in den Winterwahlkampf und dieses Mal macht ganz Deutschland mit 🥳Spende hier https://t.co/W6yrMWmac5 für den besten Winterwahlkampf Berlins! pic.twitter.com/8mhgGMdSmu

Gleich unter dem Spendenaufruf findet sich ein weiterer Post der Berliner Grünen, in dem sie Donald Trumps Sieg kommentieren: „What the f***?“, heißt es dort. Das Gesicht des zukünftigen Präsidenten ist von einem wütenden roten Emoji überdeckt. Noch aggressiver griff die Grüne Jugend am Mittwoch die CDU an. Auf Instagram veröffentlichte sie einen diffamierenden Beitrag über den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. „Deine Wahl für: Rassismus, keine Frauenrechte“, schrieben die jungen Grünen neben sein Bild.

Die Grüne Jugend auf Instagram.

So nah, wie Wintiwahlkampfi und Wut in der Welt der Grünen beieinanderliegen, so eng sind auch bei Robert Habeck Harmlosigkeit und autoritärer Machtanspruch miteinander verknüpft. Der Minister stellt regelmäßig Strafanzeige gegen Bürger und Journalisten, die ihn kritisieren: gegen einen Patentanwalt, der ihn „Hadreck“ nannte. Gegen den Welt-Kolumnisten Don Alphonso, der getwittert hatte: „Ein Wirtschaftsminister, der mit seiner äußeren Erscheinung in einer Ansammlung von Bahnhofsalkoholikern nicht negativ auffallen würde“.

Und gegen Stefan Niehoff, einen 64-Jährigen, der auf X ein Meme teilte, auf dem Habeck mit dem Schriftzug „Schwachkopf PROFESSIONAL“ zu sehen war. Am vergangenen Dienstag klingelten die Polizeibeamten Niehoff im Morgengrauen aus dem Schlaf, auch seine Tochter mit Down-Syndrom und seine Frau waren anwesend. Auf dem Beschluss des Amtsgerichts Bamberg wurde ihm unter anderem Volksverhetzung und Beleidigung vorgeworfen, wie NIUS berichtete.

Das Meme, das Niehoff verbreitete.

Habeck unterzeichnete den Strafantrag selbst. Mehr als 700 Anzeigen wegen sogenannter Hassrede stellte er in gut einem Jahr, wie er im August öffentlich gemacht hatte. Während er in der Küche seiner Freunde über die Gefahr „autoritärer Macht“ schwadroniert, werden Bürger am Küchentisch von der Polizei heimgesucht, weil sie es wagen, den Minister als „Schwachkopf“ zu bezeichnen.

Auch politisch setzt sich Habeck für Eingriffe in den freien Diskurs ein. Sein Parteifreund Klaus Müller, Leiter der Bundesnetzagentur, ließ im Oktober die links-aktivistische Meldestelle „REspect“ als sogenannten Trusted Flagger zu. Bei ihr können „unzulässige Inhalte“ im Netz gemeldet werden, die etwa Hassrede enthalten oder „negative Auswirkungen auf den zivilen Diskurs oder Wahlen“ haben könnten. Die Bundesnetzagentur behauptet, damit den Digital Services Act (DSA) der EU umzusetzen – dieser jedoch verpflichtet ausschließlich zur Entfernung illegaler Inhalte.

Die Bundesnetzagentur untersteht Habecks Wirtschaftsministerium und ist weisungsgebunden. Für die Umsetzung des DSA ist zwar das Bundesministerium für Digitales und Verkehr des Ex-FDP-Manns Volker Wissing federführend verantwortlich, doch Habeck höchstpersönlich forderte eine „scharfe Anwendung des DSA“ in Deutschland. Dies sagte er in einer Rede am 17. Oktober bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dort erklärte er auch: „Ich will kein Hehl daraus machen, dass ich glaube, dass diese unregulierte Form von diesen sozialen Medien inzwischen nicht mehr akzeptabel ist.“ Zum Thema Polarisierung befand Habeck: „Wenn sie bewusst eingesetzt wird, um eine Gesellschaft zu destabilisieren, und zumindestens den Gedanken muss man zulassen in dieser Zeit, dann haben wir jeden Grund, uns politisch dagegen zu wehren und diese wehrhafte Demokratie auch bei den sozialen Medien fortzusetzen.“

Am 9. November legte Habeck bei einer Rede auf Schloss Neuhardenberg nach: „Meinungsfreiheit bedeutet, dass Menschen ihre Meinung frei äußern können. Sie bedeutet nicht, dass eine Künstliche Intelligenz die Algorithmen so steuert, dass die gesellschaftliche Meinung manipuliert wird.“ Für eine Manipulation der Meinung durch Algorithmen legte er keine Beweise vor. Stattdessen offenbarte der Minister, wem sein Zensur-Eifer gilt: „Wir können – und das hätte ich an diesem 9.11. nicht ohne den 6.11. gesagt – den demokratischen Diskurs nicht in die Hände von Elon Musk und chinesischer Software legen.“

Habeck bezieht sich hier auf den Tag des Wahlsiegs von Donald Trump und begründet damit die „Regulierung“ der Algorithmen. Er bekennt sich also offen dazu, dass der Staat in den freien Diskurs eingreifen soll, um gegnerische Parteien zu schwächen.

Habeck stellte in seiner Rede einen Sieben-Punkte-Plan zum Schutz der liberalen Demokratie vor. Die Regulierung der sozialen Netzwerke hat für ihn einen solchen Stellenwert, dass sie es auf Platz eins des Plans schaffte. Autokraten, so Habeck, stifteten gezielt Unsicherheit: „Wie ein Gift sickern Begriffe und Sprachbilder in den öffentlichen Diskurs ein und werden dann in den Alltag übernommen.“ Habecks Macht erwächst aus seinem Talent, mit Sprache umzugehen. Vielleicht ist gerade dies der Grund, warum er die Sprache seiner Gegner so sehr fürchtet, dass er sie als „Gift“ bezeichnet.

Am Dienstag ließ sich Habeck auf einer Startup-Konferenz in Lissabon ablichten, inmitten von fast zwei Dutzend Gründerinnen: „Um mehr Frauen für die Gründung zu gewinnen, brauchen wir mehr Sichtbarkeit für Gründerinnen.“

#Startups sind Innovationsmotoren. Sie spielen eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, treiben #Innovationen voran, schaffen Arbeitsplätze und entwickeln Lösungen für die Herausforderungen von morgen. Deshalb ist es wichtig, das #Startup-Ökosystem 1/3 pic.twitter.com/RtICcTW4Nw

Der Kanzlerkandidat als Hahn im Korb – dies ist das Bild, das die Grünen vermitteln wollen. Wie zielgenau seine Kampagne weibliche Wähler ins Visier nimmt, das offenbart ein Blick auf sein X-Profil: Das Profilbild zeigt ihn mit entblößten Unterarmen beim Ärmelhochkrempeln, eine Hand hält er auf Höhe des Schritts, sein Kopf ist nicht zu sehen. Das Hintergrundbild zeigt Habeck mit Armbändern am Küchentisch. Sein Kopf ist auf halber Höhe abgeschnitten, die Augen nicht sichtbar. Präsentiert wird hier kein sehendes Subjekt, sondern ein Objekt, gedacht für den weiblichen Blick.

Habecks Profil auf X.

Die Verschmelzung des Niedlichen und des Autoritären ist eine geschickt zugeschnittene Wahlkampf-Strategie, um ebendiese weibliche Wählerschaft für sich zu gewinnen. Habeck ist der Mann, der passiv-aggressiven Frauen eine Stimme gibt. Sie sind es, die die Grünen an die Urnen bringen wollen: Menschen, die glauben, alles besser zu wissen und zugleich nur das Beste zu wollen.

In einer Zeit, in der sich die Idee des grünen Wachstums selbst entzaubert hat, hält Habeck die Phantasie aufrecht, dass sich der Klimawandel doch noch politisch bekämpfen lässt – wenn man die Kritiker der Klimapolitik nur zum Schweigen bringt. Ihnen bietet Habeck eine entlastende Projektionsfläche, die sie aus ihrem inneren Widerspruch befreit: Wenn der Zensor Armbändchen trägt, muss er ein liberaler Mann sein!

Am grünen Küchentisch jedoch herrscht Einigkeit, weil nur ausgesprochen wird, was der Trusted Flagger billigt. „Lasst uns den Raum wieder öffnen für Debatten um die richtigen Lösungen, die so groß sind wie die Herausforderungen unserer Zeit“, forderte Habeck am Dienstag auf X. Die Simulation einer „offenen Debatte“ ist nur ein weiteres Accessoire in Habecks pastellfarbenem Fiebertraum.

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