
Friedrich Merz (CDU) hat einen “Herbst der Reformen” versprochen. Damit kann der Kanzler nur gewinnen. Denn nach dem 21. September folgt tatsächlich ein Herbst. Zur Hälfte würde damit sein Versprechen eintreffen. Für andere wäre das ein peinlicher Wortbruch. Doch ein zur Hälfte eingehaltenes Versprechen – also so zuverlässig war Friedrich Merz nicht mehr, seit er sich aus Angst vor Angela Merkel auf der Ersatzbank der Politik versteckt hat.
Reformen wird es in diesem Herbst nicht geben. Keine echten. Ein paar Millionen da, ein paar Milliarden dort und in dreieinhalb Gesetzen ein paar Spiegelstriche streichen. Mehr wird es nicht. Das schnürt die Regierung Merz dann zum Paket, um es weniger mickrig aussehen zu lassen. Seine Freunde bei der Bild werden sich was Knackiges dafür einfallen lassen wie “Deutschland-Plan”, “Merz-Hammer” oder “Aufschwungspaket” oder Pakt. Also vielleicht nicht knackig, eher dumm und altbacken – aber für Bild-Fans wird’s reichen.
Diese Koalition hat keine gemeinsamen Projekte, keine gemeinsame Linie, auf die sich ihre Vertreter einigen könnten. Die Sozialdemokraten wollen den Staat ausbauen und ausbauen und ausbauen. Das sagt unter anderem ihre Vorsitzende und Arbeitsministerin, Bärbel Bas. Die Christdemokraten haben eingesehen, dass der Staat längst einen Umfang erreicht hat, in dem er ebenso dysfunktional wie überteuert geworden ist.
Wenn es in dieser Koalition Kompromisse gibt, dann nur, wenn die Christdemokraten ihre Positionen aufgeben. Für den Machterhalt. Dazu sind sie bis zur Selbstaufgabe bereit, wie sie etwa beim Aufweichen der Schuldenbremse oder beim finanziellen Pampern von „Nicht-Regierungs-Organisationen“ (NGO) bewiesen haben. Doch selbst das genügt der SPD nicht, wie ihre Abgeordneten gezeigt haben, als sie Merz im ersten Durchgang der Kanzlerwahl durchfallen ließen. Irgendwann wird es den Christdemokraten zu viel, Erfüllungsgehilfen der SPD zu sein, ohne etwas dafür zurückzuerhalten – die geplatzte Richterinnenwahl war dafür ein erster Vorgeschmack.
Die Sozialdemokraten indes unterliegen dem Glauben, sie müssten mit ihren Forderungen sichtbarer werden, um in den Umfragen wieder über 15 Prozent hinauszukommen. Als ob mehr und mehr und mehr Staat die Lösung für die Krise des Staats oder ihrer Partei sei – und nicht die Ursache. Immer wieder das Gleiche tun, um dabei irgendwann andere Ergebnisse zu erhalten. Albert Einstein definiert so Wahnsinn – Bärbel Bas die Sozialdemokratie.
Stichwort Wahnsinn. Im Fall der Ampel hat Bärbel Bas als Präsidentin des Bundestags einen Blick aufgesetzt, der irgendwo zwischen hungrigem Dackel und sterbendem Berner Sennenhund lag und verkündet, die Verantwortlichen müssten respektvoller miteinander umgehen. Nun, selbst in der Verantwortung angekommen, haut die einst so präsidiale jetzt selbst die Fäkalsprache raus. Merz Ausführungen, der deutsche Sozialstaat sei nicht mehr zu bezahlen, seien “Bullshit”. Also Kuhmist.
Das hat Bas vor nordrhein-westfälischen Jusos gesagt. Jugendliche. Da muss frau mal einen raushauen. Wobei. Es handelte sich um Jusos. Früh gealterte Karrieristen, die einen auf jung machen, weil sie sonst nichts zu bieten haben, um endlich den Sprung von Kreiß- und Hörsaal in den Plenarsaal zu machen. Das und ihre bedingungslose Bereitschaft, sich unterzuordnen. Aber näher als Jusos kommt eine Berliner Blasianerin wie Bärbel Bas jungen Menschen nicht. Also haut die ehemalige Präsidentin den Kuhmist raus. Auf Englisch. Weil auf Englisch alles groovyer wirkt? Groovy, so sagen die jungen Leute heute doch?
Da steckt eine Kalkulation dahinter. Eine, die Lesern schwer zu vermitteln ist. Wenn die etwas von kalkuliertem Vorgehen hören, dann erwarten sie einen cleveren Plan, mit dem sich jemand einen großen Vorteil verschafft. Nichts Plumpes und Dummes, was gar nicht aufgehen kann. Aber dass ein Plan dumm und plump ist, heißt dieser Tage noch lange nicht, dass eine sozialdemokratische Parteivorsitzende diesen nicht doch versuchen könnte.
Der Plan: SPD und Grüne haben die aggressive Führung im linken Lager an die Partei die Linke verloren. Die besetzt linke Maximalpositionen, die Regierungsparten und Reserveregierungsparteien nicht vertreten können. Etwa beim weiteren Ausbau des Sozialstaats – inklusive der Enteignung von Milliardären. Auch treten die Linken rauer im Ton auf. Ihre Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek stößt auf Tiktok zum “Fo…nfreitag” an. Da wirkt Bas’ “Kuhmist” doch eher tantenhaft.
Dass die SPD ihr Heil im linken Lager sucht, zeigt gleichermaßen, wie sehr sich die Sozialdemokraten um sich selbst und ihre engen Blasen drehen – als auch, wie realitätsfremd sie geworden sind. Die Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Ihre ehemalige Innenministerin Nancy Faeser hat diese Mitte aber als “anschlussfähig für rechtsextreme Ideen” gebrandmarkt. Die ganze Partei scheint der Ideenwelt Faesers anzuhängen und diese Mitte aufgegeben zu haben.
Diese Mitte wünscht sich eine Reform der Pflege- und Krankenkassen, die mehr ist als weniger Leistungen bei steigenden Preisen. Sie hält es nicht für sozial, wenn jemand der arbeitet, so viel Steuern und Beiträge zahlen muss, dass er am Ende weniger hat als der, der nicht arbeitet. Diese Mitte braucht eine Wirtschaft, die jetzt Wohlstand bringt und nicht die Temperatur in 100 Jahren reduziert und am St.-Nimmerleinstag ein “grünes Wirtschaftswunder” bringt. Oder eine Politik, die Männer vor Messerstechern und Frauen vor Vergewaltigern schützt – und nicht umgekehrt.
Die SPD 2025 hält all diese Forderungen für rechtsextrem. Dass sie immer noch fast 15 Prozent der Wähler hinter sich vereint, liegt vor allem daran, dass ein großer Teil dieser Wähler die SPD schon unter Willy Brandt und Helmut Schmidt gewählt hat – und sich bis zu ihrem Lebensende nichts anderes vorstellen können. Mit der SPD kann die CDU keine vernünftige Politik gestalten. Das stand schon vor der Wahl fest. Die Christdemokraten versuchen es trotzdem. Das stand ebenfalls schon vor der Wahl fest. Eine Mischung aus Machtwunsch und Schiss vor der “Brandmauer” samt deren linken Erbauern treibt die Christdemokraten an – und auch das stand schon vor der Wahl fest.
Nur ist das Ende dieses Wegs halt ebenfalls vorgezeichnet. Die FDP hat sich auf rot-grüne Politik eingelassen und nur minimale inhaltliche Erfolge erzielt. Etwa eine Reduzierung der Pflicht, Belege für die Steuer aufzuheben – von zehn auf acht Jahre. Die FDP hat diese rot-grüne Erfüllungspolitik mit Minimalerfolgen aus dem Parlament gespült. Die Union hat die SPD dazu gebracht, die Pflicht, Belege aufzuheben, wieder von acht auf zehn Jahren erhöht. Friedrich Merz hat als Oppositionsführer die FDP für ihre blinde Gefolgschaft kritisiert, er folgt noch viel gehorsamer. Wenn die Reformen im Herbst sein nächstes gebrochenes Versprechen werden, dann wird die CDU unter und vor allem nach Friedrich Merz einen langen Winter des Missvergnügens erleben.