
Wir müssen uns die AfD als eine glückliche Partei vorstellen. Der Alternative für Deutschland wächst, indem sie die Füße stillhält. Sie gewinnt an Zustimmung durch Zuschauen. Sie genießt, wie die Union sich zerlegt und die SPD lernresistent bleibt.
Die aktuelle Folge „Kissler Kompakt“ sehen Sie hier:
Der erneute Sprung der AfD auf Platz 1 in den Umfragen zeigt: Sämtliche Versuche, den Aufstieg der Rechten einzudämmen, sind gescheitert. CDU, CSU und SPD haben versagt. Und sie versagen lieber weiter, als sich ihren Irrtum einzugestehen. Sie sind ins Untergehen verliebt.
Zwei neue Werte bekräftigen einen Trend, der sich mit fast schon naturwüchsiger Kraft fortschreibt: Die AfD bleibt die einzige Volkspartei im Osten. Und sie zeigt in Gesamtdeutschland zunehmend der Union die Rücklichter. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Insa erwärmen sich 38 Prozent der Wähler in Ost- und Mitteldeutschland für die AfD: 38 Prozent. Die CDU kommt in den neuen Ländern nicht einmal auf die Hälfte, auf 18 Prozent.
Und bei Forsa rangiert die AfD in der Sonntagsfrage für die gesamte Bundesrepublik bei 26 Prozent. Das ist ein Punkt mehr als die Union. Der traurige Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat allen Grund, noch griesgrämiger in die Landschaft zu schauen und sich Zuversicht mit Leichenbittermiene zu verordnen.
Wie schauen die falschen Rezepte von Union und SPD aus? Die Sozialdemokratie setzt auf das Prinzip Ausgrenzung. Egal, wie groß die AfD auch werden mag: Die Sozialdemokraten wollen der verhassten Konkurrenz kein Quantum Normalität zugestehen.
Die Volkspartei außer Diensten agiert, als wäre sie in die Fänge eines Hypnotiseurs geraten. Anders ist nicht zu erklären, warum ihr Generalsekretär Matthias Miersch das Mantra des Scheiterns immer und immer und immer wiederholt. Die AfD niemals wie eine normale Partei behandeln, nie, nie, nie.
Doch der Wähler lässt sich nicht bezirzen und die AfD nicht verhexen. Mag Herr Miersch noch so sehr auf dem Gegenteil beharren: Millionen Wähler haben die AfD längst normalisiert. Einstufungen des Inlandsgeheimdienstes, den es so in anderen Ländern nicht gibt, sind keine göttlichen Orakelsprüche.
Es steht der SPD auch nicht zu, andere Parlamentarier als „Demokratinnen und Demokraten“ zu zertifizieren. Die SPD ist nicht die Prüfstelle des politischen Betriebs.
Auch zur schlichtesten aller Losungen hält Parteichefin Saskia Esken kein Abstandsgebot: Lasst uns doch verbieten, was wir nicht besiegen können. Die SPD holt das Parteiverbotsverfahren aus dem Keller.
Saskia Esken will ein Verbot der AfD vorbereiten. Sie hat also nichts gelernt und kaum etwas begriffen. Die Hürden für ein Parteiverbot sind zurecht sehr hoch. Esken nährt den Eindruck, da wolle sich eine erfolglose Partei einer erfolgreichen Konkurrenz juristisch entledigen. Die AfD steht aktuell elf Punkte vor der SPD.
Die SPD will ausgrenzen und verbieten. Die Union macht beim Ausgrenzen mit, ist beim Verbieten skeptisch und gibt sich einer eigenen Illusion hin: AfD-Wähler ließen sich durch gutes Regieren zurückgewinnen. Sobald die Reformen in der Wirtschafts- und Migrationspolitik griffen, gehe es deutlich abwärts mit der AfD.
Friedrich Merz und Markus Söder übersehen: Es gibt längst gefestigte Milieus. Die AfD wandelt sich von der Protest- zur Programmpartei. Bei der letzten Bundestagswahl gaben 54 Prozent ihrer Wähler an, die AfD aus Überzeugung gewählt zu haben – ein Plus von sechs Punkten.
Ausgrenzen, Verbieten und Daumendrücken: Union und SPD lassen nichts unversucht, um der AfD weitere Wähler zuzuführen. Die Brandmauer umzäunt einen Garten, in dem die AfD wächst und gedeiht. Wir erleben ein spannendes Echtzeitexperiment: Können Parteien etabliert bleiben, indem sie sich gegen das Wählervotum abdichten?