Der Minus-Merz: Wie der CDU-Kandidat seine Partei mit Zaghaftigkeit unter 30 Prozent führt

vor 3 Monaten

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Das ist der Minus-Merz, der seine Partei unter die 30 Prozent führt: auf der Stuhlkante sitzend und hin und her wippend, mit eingefallenem Rücken, hochgezogenen Schultern, eingezogenem Kopf. Ein Merz, der seine Zuschauer auf Social Media zaghaft mit „Ja, meine Damen und Herren“ begrüßt und sogleich in die Hände klatscht, als könne er damit seine Zaghaftigkeit wettmachen; der im ersten Satz das Wort „schlafen“ erwähnt; der dann zweimal betont, die Deutschen brauchten keine Angst haben und dabei ängstlicher nicht wirken könnte.

Das Video beweist: Der größte Gegner des bürgerlichen Lagers sind nicht die Grünen oder die SPD. Der größte Gegner ist die eigene Unentschlossenheit, die Furcht der Bürgerlichen vor der Konfrontation mit dem linken Zeitgeist (den es, Ironie der Geschichte, so gar nicht mehr gibt). Merz wendet sich am Tag von Trumps Amtseinführung an die Deutschen – nicht aber, um eine Botschaft der Verheißung zu verkünden und diesen Tag des Erfolgs der amerikanischen Konservativen in ein Siegesversprechen für deutsche Konservative zu verwandeln.

Stattdessen erklärt Merz, Donald Trump werde heute „seine ersten politischen Entscheidungen treffen. Aber es gibt für uns Europäer, für uns Deutsche keinen Grund, jetzt ängstlich nach Washington zu schauen.“ Und betont kurz darauf noch einmal: „Wir haben keine Veranlassung, jetzt angstvoll hinzuschauen, was die neue amerikanische Regierung, was die Regierung Donald Trump tut.“

Wie kommt Merz überhaupt auf die Idee, den republikanischen Wahlsieg mit der Vokabel „Angst“ zu verknüpfen, und das mitten im Wahlkampf? Warum trennt er seine Bemerkung über die ersten politischen Entscheidungen des neuen Präsidenten durch ein „aber“ von seinem Satz über Europas Reaktion, ganz so, als wäre Angst vor Trumps politischer Handlungsfähigkeit die natürlichste Reaktion der Europäer? Warum baut er an diesem Tag die Kulisse einer Konkurrenz zwischen Europa und den USA auf, indem er sagt: „450 Millionen Europäer sind mehr als Kanada und Amerika zusammen“ – als stünde es bald wieder Mann gegen Mann?

Vielleicht liest der Minus-Merz zu oft die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel. Er scheint noch gar nicht mitbekommen zu haben, dass sich in der Bevölkerung der Wind gedreht hat. Dass sich zum Beispiel die Mehrheit der Deutschen eine Wende in der Migrationspolitik wünscht. Donald Trump wird in seinem Land, in dem sich nach Schätzungen 13 bin 14 Millionen illegale Migranten befinden, womöglich noch am heutigen Montag eine solche Migrations-Wende einleiten, wenn er nach seiner Vereidigung die ersten Executive Orders unterzeichnet.

Merz hingegen wird sogar im Falle eines Wahlsieges Schwierigkeiten haben, eine Wende in zentralen politischen Fragen herbeizuführen: Denn er wird wahrscheinlich entweder mit den Grünen oder mit der SPD koalieren müssen. Merz inszeniert dies als einen Vorteil: Bei einem Wahlkampfauftritt in Langenhagen wedelte er am Wochenende mit einem imaginären Schlüssel vor dem Publikum und sinnierte über die möglichen Koalitionspartner SPD und Grüne: „Was meinen Sie, wie flexibel und freundlich die werden, wenn wir denen die Schlüssel vorhalten für ihre Autos? Die sie dann vielleicht noch haben. Oder eben nicht.“

Merz’ vorgetäuschtes Selbstbewusstsein mag sich aus unbekannten Quellen speisen, aus der Realität speist es sich zumindest nicht. Das Umfrageinstitut INSA sieht die Union nurmehr bei 29 Prozent, sie reißt damit nicht nur die psychologisch wichtige 30-Prozent-Marke, sondern wäre zudem auf mehr als einen Koalitionspartner angewiesen. Merz’ gesamte Verhandlungsstrategie, die – traurig genug – auf dem Versprechen eines Dienstwagens zu beruhen scheint, wäre damit zunichtegemacht.

Wie also erklärt sich Merz’ Wahlkampf der Angst? Es bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder hat der Kanzlerkandidat den linken, im Niedergang begriffenen Zeitgeist derart tief inhaliert, dass er sich selbst vor einer bürgerlichen Wende fürchtet. Oder er fürchtet sich vor der Größe des Amts, das zu bekleiden er sich anschickt.

In seinem Social-Media-Video erklärt er: „Wir sollten vor allem unsere Interessen wahrnehmen, dann nehmen die Amerikaner uns auch ernst.“ Doch genau daran mangelt es, und das Video könnte dies nicht besser illustrieren. Man stelle sich den Minus-Merz, auf der Stuhlkante wippend, beim Verhandeln mit dem Dealmaker Trump vor. Man stelle sich ihn in Koalitionsverhandlungen mit Machtmaschinen wie Saskia Esken, Lars Klingbeil oder Robert Habeck vor.

Ist das Amt des Kanzlers zu groß für Merz? Die CDU jedenfalls kann von Glück reden, wenn sie es auf 29 Prozent schafft.

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