Desinformation nach „Correctiv“-Bericht: Bundesregierung hat weiterhin keine Belege für „Deportationspläne“

vor 7 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Die Bundesregierung kann weiterhin keine Belege vorweisen, wonach auf einem privaten Treffen in Potsdam am 25. November 2023 über die Deportation von deutschen Staatsbürgern gesprochen worden ist. Dies hatten Mitglieder der Ampel-Koalition mehrmals behauptet.

In einer jüngst veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion heißt es lapidar: „Bundeskanzler Olaf Scholz bezog sich in seinen Aussagen auf Veröffentlichungen und Medienberichterstattung.“

Scholz hatte beispielsweise in einer Ramadan-Ansprache an Muslime von „Deportationsplänen von Rechtsextremen“ gesprochen. Muslime würden sich Sorgen um den Zusammenhalt im Land machen. „Nach den Berichten über rassistische Deportationspläne Rechtsextremer höre ich auch immer wieder besorgte Fragen nach der Zukunft“, so Scholz.

Das Problem: Selbst das Rechercheportal Correctiv hatte vor dem Landgericht Hamburg in einem Schriftsatz klargestellt, „dass die Teilnehmer*innen nicht über eine rechts-, insbesondere grundgesetzwidrige Verbringung oder Deportation deutscher Staatsbürger gesprochen haben. Dies ist zutreffend. Doch abermals: Dies wird in dem streitgegenständlichen Artikel nicht behauptet.“

Im März 2024 hatte NIUS deshalb im Kanzleramt nachgefragt: Nahm der Kanzler in seiner Videobotschaft an Ramadan Bezug auf das private Treffen in Potsdam? Falls ja, weshalb sprach er von Deportationsplänen, während Correctiv erklärte, in Potsdam habe es keine Deportationspläne gegeben? Falls nein, auf welche „Deportationspläne von Rechtsextremisten“ bezog er sich? Die Antwort des Bundeskanzleramts beinhaltete sieben kurze Wörter, die mittlerweile zur gängigen Praxis der Pressestellen in Ministerien gehören: „Die Aussagen des Kanzlers stehen für sich.“ Eine Antwort auf die gestellten Fragen gab das Bundeskanzleramt nicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Reem Alabali-Radovan (SPD), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, nehmen an einem Treffen mit Migrantenorganisationen teil.

Nun ist klar: Auch Monate später hat die Bundesregierung weiterhin keine Beweise für derartige Deportationspläne. Auch wenn Mitglieder der Bundesregierung dies mehrmals behauptet hatten. So zum Beispiel die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD), die öffentlich erklärte: „Millionen Menschen aus Deutschland deportieren zu wollen, zeigt unverhohlen das faschistische Gedankengut.“

Die AfD wollte in Erfahrung bringen, ob zumindest die Staatsministerin Belege für die Verwendung der Begriffe „Deportation“ oder „deportieren“ vorweisen könnte. In ihrer Antwort erklärt die Bundesregierung, Alabali-Radovan habe lediglich den Begriff „Remigration“ vermeiden wollen: „Der Duden definiert Deportation als ‚Zwangsverschickung, Verschleppung, Verbannung von Verbrechern, unbequemen politischen Gegnern oder ganzen Volksgruppen‘. Die Integrationsbeauftragte hat bei der Kommentierung des Treffens vom 25. November 2023 diesen Begriff verwendet, um den rechtsextrem aufgeladenen und euphemistisch verwendeten Begriff ‚Remigration‘ nicht weiter zu verbreiten, gleichzeitig aber den damit verbundenen, menschen- verachtenden und rassistisch motivierten Inhalt hervorzuheben.“ Demzufolge seien auch keine „disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen die Integrationsbeauftragte“ geplant.

Am 7. Oktober hatte auch der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), in der ARD-Sendung „hart aber fair“ von Deportationen gesprochen. Er erinnerte mit Bezug auf die AfD „an die Pläne zu deportieren“. Es sei geplant, Menschen mit Migrationsgeschichte abzuschieben. Auch Kellner nannte keine Belege für diese Aussage, vermied es jedoch, das Treffen in Potsdam direkt zu erwähnen.

Damit könnte er sich selbst einen Gefallen getan haben. Denn zuletzt musste der NDR vor Gericht eine empfindliche Niederlage zu diesem Thema einstecken. Obwohl das Oberlandesgericht Hamburg dem NDR im Juli die Verbreitung von Falschbehauptungen über das Potsdamer Treffen ausdrücklich untersagt hatte, wiederholte der Sender in seiner Berichterstattung die Lüge, dass es im Landhotel Adlon eine Diskussion über die Ausweisung deutscher Staatsbürger und den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft gegeben hätte.

Nun verhängte das Gericht auf Antrag des Staatsrechtlers Ulrich Vosgerau die erste Strafzahlung von 1.800 Euro. Der NDR habe „schuldhaft, jedenfalls fahrlässig“, urteilte das Hamburger Oberlandesgericht. Das entsprechende Schriftstück liegt NIUS vor. Bei der Höhe des Ordnungsgeldes habe die Kammer zugunsten des Senders berücksichtigt, „dass es sich bei der nach der Zustellung erfolgten beanstandeten Veröffentlichung um einen Erstverstoß gehandelt hat“. Andererseits sei zu berücksichtigen, „dass der Verbreitungsgrad der beanstandeten Äußerungen bei Internetveröffentlichungen erheblich ist“. Gegen die Entscheidung kann der öffentlich-rechtliche Sender Beschwerde einlegen.

Interessant ist ebenfalls: Für die Bundesregierung scheinen die tatsächlichen Gesprächsinhalte in Potsdam nichts Neues gewesen zu sein. Der Österreicher Martin Sellner habe „Überlegungen zur ‚Remigration‘ vorgetragen, die der Bundesregierung dem Grunde nach bereits bekannt waren“, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD. Die Recherche-Ergebnisse von Correctiv würden sich damit „in den Erkenntnisstand der Bundesregierung zur Neuen Rechten“ einfügen.

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