
Das Verfassungsschutz-Gutachten ist durch. Statt handfester Beweise lieferten die Verdachtslinguisten nicht mehr als Text-Schnipsel, die seit Jahren in den sozialen Medien kursieren. Keine Spur von Faesers „vertraulichen, schützenswerten Quellen“, geleakter Partei-Interna oder gar Mitschnitten von geheimen Reichsparteitagen, die es aber bestimmt irgendwo auf der dunklen Seite des Mondes gibt.
Selbst Mainstream-Gazetten wagen es inzwischen über die juristische Relevanz dieses Rohrkrepierers von 1100 Seiten zu lästern und jede Redaktion mit einem Minimum an Sorgfaltspflicht hätte es dabei belassen. Nicht so das „Institut für politische Hygiene“ in der Hamburger Ericusspitze Nr. 1! Hier kamen Qualitäts-Info-Techniker auf eine einmalige Idee. Sie bastelten sich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem BfV-Altpapier einen interaktiven AfD-Pranger, –„Zitatdatenbank“ genannt –, dessen Design nicht nur für Wissenschaftler eine unverkennbare Ähnlichkeit mit einer bakteriologischen Zuchtstation hat.
Politiker werden wie Mutationen präsentiert, ihre ideologische DNA mittels optischer Marker verdeutlicht. Normalerweise wird so mit Staphylokokken verfahren, aber mit Menschen? Ist diese Darstellungsform – barrierefrei abrufbar und ohne Altersfreigabe – nicht ebenso menschenfeindlich wie etwa Einwanderer „invasive Arten“ zu nennen? Ganz zu schweigen von Deutschlands „historischer Verantwortung“, denn auch die Nazis hatten ihre Gegner mittels taxonomischer Deklassifizierung entmenschlicht.
Screenprint Spiegel, Inkubator – Collage: TK
Bild: Politische Unkulturschalen: Höcke strahlt am stärksten, gleich gefolgt von Christina Baum
Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich die Versuchsanordnung auseinanderzunehmen. Die Infografik wirkt optisch gekonnt und entfaltet ihre Kraft auf mehreren Ebenen. Level 1: Fast jeder kennt Fotos von aufgereihten Petrischalen, in denen pathogene Mikroben – so genannte „Lebensmittelverderber“ – kultiviert werden. Diese Schälchen, in denen es ziemlich eklig zugeht, werden in der Chemie auch als Kulturschalen bezeichnet, was einmal mehr beweist, wie fröhlich die Wissenschaft ist.
Jedes AfD-Spezimen wird in einem Tondo (lat.: rotundus), dass einer Kulturschle gleicht, präsentiert. Sie unterscheiden sich durch die Anzahl farbiger Ringe, die sich mit einem Klick bestimmten Themen zuordnen lassen. Eine Legende, die verdächtig an das Genom einer Drosophila-Fliege erinnert, zeigt worum es geht: Rot steht beispielsweise für „Verstöße gegen die Menschenwürde“, lila für „beschönigende Darstellungen des Nationalsozialismus“, gelb für „Verstöße gegen das Demokratieprinzip“, und so weiter. Je mehr Ringe, umso gefährlicher die Bazille auf dem Subjektträger. Björn Höcke und Christina Baum leuchten uns förmlich aus dem Sammelbecken entgegen.
Wessen Geistes Kind diese „Zitatdatenbank“ ist, offenbart sich aber erst vollständig auf Level 2: Klickt man einen der Politiker an, wird er zu einem tentaktilen Gespinst, das optisch an die unheimlichen Wesen aus H. G.Wells Krieg der Welten erinnert. Die zigfach verfilmte Geschichte, die 1938 in den USA eine Massenpanik auslöste, gehört zu den großen, urbanen Mythen der westlichen Zivilisation. Jeder kennt sie und weiß worum es geht: Gute, warmherzige Menschen gegen dämonische Kopffüßler, die nach der Weltherrschaft greifen. Eine leicht verständliche Dichotomie. Gelernt ist gelernt. Die Form der Infografik soll offenbar das Fremdartige der Zitierten betonen. Eigentlich sind das Spaltpilze mit menschlichen Köpfen, die das bunte, neue Deutschland terrorisieren.
Screenprint: Spiegel, HG Wells – Collage: TK
Im übertragenen Sinn wird der Betrachter nicht mit Lebensmittelverderbern, sondern mit „Lifestyle-Verderbern“ konfrontiert. Die Sprache der Rechten wird zum Schimmelbefall des coolen, linken Daseins irgendwo zwischen Hedonismus, One-World-Fetisch und Klimagewäsch, die blaue Partei insgesamt zur politischen Mykose (Pilz-infektion) im Unterleib eines effeminierten Landes, dass doch einfach nur alle Welt in sich aufnehmen will. Jemand mit dem brutal simplifizierten geistigen Horizont einer Jette Nietzard würde an dieser Stelle sofort die „Desinfektionsfrage“ stellen… Wann machen wir mit diesen rechten Menschenfeinden endlich kurzen Prozess?
Nun werden Menschen, die nicht links, nicht PC und nicht woke sind, seit Jahren in Deutschland entmenschlicht. Die liebe Zivilgesellschaft verweigert ihnen selbst das Minimum an sozialen Interaktions- und Verkehrsformen, die für den deutschen Philosophen Nicolai Hartmann noch „eine tiefe Lebensnotwendigkeit“ darstellten. Wer diese mutwillig „verletz(e), versündig(e) sich am Mitmenschen genau so sehr wie „der Ungerechte und Lieblose“, denn er versuche andere Menschen „ins Form- und Kulturlose“ zu stoßen. Danach bliebe nun eigentlich nur noch – die Spaltung der menschlichen Gattung in gute Elois und ganze böse Morlocks.
Angesichts der Humorlosigkeit linker Haltungsjournalisten darf man ausschließen, dass sich die Spiegel-Redaktion mit der Gestaltung ihrer Zitatdatenbank einen postmodernen Jux erlaubt hat. Dem linken Korpsgeist – mit seiner durchlauchten Riege schreibender Narzist*Innen – verbietet sich jede Selbstironie. Hier zittert man seit Jahren vor dem sich deutlich abzeichnenden Bedeutungsverlust. Eine biologistische Kampagne gegen rechts würde man wohl einfach als finale Absage an ein demokratisches Miteinander verstehen. Schließlich kann man Linke nicht dazu zwingen, in Rechten Menschen zu sehen.
Die Infografik, die jeder abrufen und für sich austesten kann, diffamiert aber keine Individuen, sie entwürdigt die gesamte Opposition, rückt sie in die Nähe von niederen Lebensformen, Mikroben und Keimen. Diese Zitatdatenbank ist wahrlich Zettels Alptraum, denn sie nimmt die nächste Phase der Ent-Rechtung (Sic!) Deutschlands vorweg. Es stellt sich nun indirekt die Frage nach der generellen Schutzwürdigkeit von menschlichem Leben, dass sich rotgrünen Heilsversprechen widersetzt. Der Ruf nach einem AfD-Verbot wird so zum medizynischen Schlachtruf mit möglicherweise weitreichenden fatalen Folgen für das tief gespaltene Land.
Bedenkt man dann, mit welcher Penetranz der Verfassungsschutz „Verstöße gegen die Menschenwürde von Einwanderern und Muslimen“ immer wieder betont, dann stellt sich die Frage, ob diese Würde in Deutschland nur für Menschen mit Migrationshintergrund gilt. Begreifen eigentlich diejenigen, die aus Journalismus politischen Aktivismus gemacht haben, dass man die „Bösen“, wenn man immer nur schlecht von ihnen spricht, nur noch böser macht?
Es mag nur eine Kleinigkeit sein, etwas Nebensächliches und dem Leser steht es freilich zu, die frappierende Ähnlichkeit der Spiegel-Zitatdatenbank mit einem bakteriologischen Labor zu hinterfragen. Beachten sollte er aber auch folgendes: Der für die Gestaltung verantwortliche Designer ist ein gestandener Naturwissenschaftler und seit 2024 Leiter des Spiegel-Ressorts Daten & Visualisierungen. Er studierte Biochemie und promovierte zu „multiresistenten Keimen“ an der Technischen Universität München. Laut eines auf Linkedin einsehbaren Lebenslaufs beschäftigte sich der Mann sein halbes Leben mit „humanen Zellkulturen, Genklonierung und Mutation“. Nicht unbedingt der Lebenslauf eines normalen Web-Designers. Und wenn es schon Fragen aufwirft, warum sich ein qualifizierter Bio-Informatiker mit Agitprop-Schreibern gemein machen sollte, noch befremdender ist die völlige ethische Verantwortungslosigkeit, die aus dieser interaktiven Schandbühne spricht. Es war nicht zuletzt eine ideologisierte Wissenschaft, die den Nationalsozialisten ihre schlimmsten Stichworte gab.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Spiegel – im Eifer das aussichtslose AfD-Verbot eigenmächtig durchzudrücken – der Versuchung widerstehen kann, seinen immer stärker werdenden Gegner noch weiter zu entmenschlichen. Das visuelle Treatment, rechte Politiker durch den Vergleich mit pathogenen Mikroben zu entwürdigen, dürfte jedenfalls – genau so wie die sinnlose Fleißarbeit der Verfassungsschützer – nach hinten losgehen.
Schämt euch, ihr Elois vom Spiegel!