
Namen wie Klaus Lederer oder Elke Breitenstein dürften nicht mehr vielen etwas sagen, außerhalb Berlins sowieso nicht. In Berlin waren sie bis 2023 einflussreiche Mitglieder des Senats, Mitglieder der Linkspartei, die bis zu der denkwürdigen Wiederholungswahl in Berlin mit regiert hat. Lange Zeit nahmen die beiden Politiker eine führende Rolle in ihrer Partei ein. Doch vor etwa einem halben Jahr sind sie aus der Partei ausgetreten und mit ihnen eine ganze Reihe Abgeordneter und Funktionäre der Partei gleich mit.
Den Grund haben sie deutlich benannt: Die Linke habe in Berlin ein massives Antisemitismusproblem und das ließe sich nicht länger durch Formelkompromisse vertuschen.
Der Konflikt hat damals nicht viele interessiert. Die Linkspartei galt im Oktober 2024 als gescheitert, heftige Niederlagen bei den Landtagswahlen lagen hinter ihr, Wagenknechts Abspaltung schien vielen dann der Fangschuss für die Linke zu sein. Bekanntlich kam es anders. Die Demo-Welle durch die sogenannte NGO-Szene Anfang 2025 brachte den Stimmungsumschwung, die Bundestagswahl wurde zum Triumph der Linkspartei. In Berlin wurde sie mit einigem Abstand stärkste Partei, den Grünen nahm man den Bundestagserbhof Kreuzberg-Friedrichshain ab und der Union den Wahlkreis Neukölln.
Sahra Wagenknecht und Heidi Reichinnek als Diskutantinnen in einer Talkshow – Augenhöhe, die so nicht geplant war.
Gewonnen hat den Wahlkreis Ferat Koçak, Anmelder von Pro-Palästina-Demos mit antisemitischen Vorfällen. Berliner Medien haben ihm mehrfach vorgeworfen, den Terror der Hamas zu verharmlosen. Die Neuköllner Wähler hat das nicht gestört, vielleicht ganz im Gegenteil. Muslime haben bei der Bundestagswahl 2025 eh die Linke favorisiert und die dramatisch gestiegene Zahl an Einbürgerungen in Berlin muss sich ja irgendwann auch mal bei Wahlen niederschlagen.
Das Antisemitismusproblem der Berliner Linken ist seit Lederers Austritt nicht kleiner geworden, die Positionierung des Bundesparteitags stieß beim Zentralrat der Juden auf Entsetzen. Aber während Realo-Linke sich abwenden, wächst bemerkenswerterweise das Interesse der Union an der Linkspartei, Antisemitismus hin oder her. Denn die Linke ist – der Brandmauer sei Dank – der Schlüssel zur Zweidrittelmehrheit im Bundestag und die hat man bereits gebraucht und wird sie wieder brauchen. Die ersten Politiker der Union fordern daher bereits, den Unvereinbarkeitsbeschluss zu kippen. In der Praxis wackelt er eh längst, nicht nur in Thüringen, wo die Landesregierung allein gar keine Mehrheit hat.
Programmatische Alleinstellungsmerkmale der Union gibt es kaum noch. Die klare Positionierung gegen Antisemitismus hat einmal dazugehört. Das Existenzrecht Israels zu leugnen, hätte früher das Ende jeder Gesprächskontakte bedeutet, heute geht man da lächelnd drüber weg, Mehrheiten sind wichtiger.
In diesen Tagen feiern wir den 60. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Es ist zu wünschen, dass nicht allen die Maßstäbe abhandenkommen.
Lesen Sie auch von Peter Kurth:Warum sich Merz diese unbekannten Minister ins Kabinett holt
***Peter Kurth (64) war CDU-Finanzsenator von Berlin und zuletzt Präsident eines Wirtschaftsverbandes. Zuletzt war er auch im Interview bei „Schuler! Fragen, was ist“ zu Gast.