Die Meinungsfreiheit braucht mehr Verteidiger – der Staat ist es nicht

vor 2 Monaten

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Wer sich mit Leitkultur schwertut, spricht lieber vom Verfassungspatriotismus. Gemeint ist der gemeinsame Stolz auf das Grundgesetz. Im Grundgesetz sei versammelt, was Deutschland stark mache.

Die aktuelle Folge „Kissler Kompakt“ sehen Sie hier:

Mit Blick auch auf das Grundgesetz sagt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Wir leben heute im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat.“ Doch stimmt das? Leistet das Grundgesetz konkret, was es in Worten verspricht?

Der erste Artikel des Grundgesetzes sagt, die Würde des Menschen sei unantastbar. Der fünfte Artikel sagt, jeder habe „das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.“ Eine Zensur finde nicht statt.

Zwischen dem ersten und dem fünften Artikel besteht ein Zusammenhang. Zur Würde des Menschen gehört seine Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit entspringt der Gleichheit der Menschen und ihrer Würde. Was ist die Würde des Menschen wert, wenn er nicht frei seine Meinung äußern darf, ohne vom Staat belangt zu werden?

Artikel 5 Grundgesetz garantiert die Meinungsfreiheit.

Das gesamte Grundgesetz ist von diesem Geist getragen. Es bündelt – vor allem in den Grundrechten der ersten 19 Artikel ­– Abwehrrechte gegenüber dem Staat. So zog der Parlamentarische Rat die Lehren aus dem Nationalsozialismus. Zwischen 1933 und 1945 konnte der Staat den Bürger entmachten, weil er keine Grundrechte akzeptierte.

Und heute? Meinungsfreiheit wird als Grundrecht vom Grundgesetz garantiert – und steht doch unter Druck. Der Verfassungsstaat hat sich an vielen Stellen vom Garanten zum Widersacher der Freiheit entwickelt. Er war immer beides. Doch heute droht sich die Schale zuungunsten der Freiheit zu senken.

Politiker erstatten Strafanzeigen gegen Bürger, wenn sie sich zu derb kritisiert fühlen. Spöttische Bilder und pointierte Formulierungen können Politiker derart triggern, dass sie nach Art beleidigter Majestäten Anzeige erstatten. Zu oft finden sie Richter, die die Meinungsfreiheit geringer einschätzen als den Schutz der Politikerehre. Paragraf 188 im Strafgesetzbuch, der die Beleidigung von Politikern seit der Corona-Zeit besonders sanktioniert, ist ein Irrweg der Rechtsgeschichte.

Vizekanzler Robert Habeck gehört zu den Politikern, die Bürger wegen unliebsamer Meinungen anzeigen.

Gegen sogenannten Hass und sogenannte Hetze geht der Staat rigoros vor. Je weiter sich der Bürger politisch rechts der Mitte positioniert, desto leichter kann es geschehen, dass er frühmorgens Besuch bekommt vom Staat.

Für internationales Aufsehen sorgte eine Dokumentation aus den Vereinigten Staaten. In ihr ist zu sehen, wie eine niedersächsische „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet“ Jagd macht auf sogenannte Meinungsverbrechen.

Drei Staatsanwälte lachen über Menschen, denen man ihr Smartphone wegnahm. Ihr Vergehen? Unklar. Hasskriminalität ist ein dehnbarer Begriff. Jede staatliche Autorität kann ihn verwenden, um die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Das Grundgesetz mit seinen Grundrechten ist theoretisch wunderbar. Es braucht aber praktisch Politiker, Staatsbedienstete, Richter und Anwälte, die es so anwenden, wie es gedacht war, und die wissen: Das Grundgesetz soll den Bürger vor dem Staat schützen, nicht den Staat vor den Bürgern. Nur in autoritären Gesellschaften verhält es sich umgekehrt.

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