
Die AfD will partout nicht verschwinden. Bisher gibt es in den Umfragen keinen Einbruch. Die offenbar voreilig gemachte Aussage des Bundesamts für Verfassungsschutz, die AfD sei „gesichert rechtsextremistisch“, vertreibt die Wähler nicht. In der SPD will man nun die nächste Stufe der Ausgrenzung zünden. Die AfD soll verboten werden.
Es ist ein ebenso panisches wie hilfloses Manöver. Die kleine SPD will die größere AfD aus dem Wettbewerb drängen, denn im Wettbewerb zieht die 16-Prozent-Partei den Kürzeren. Wieder zeigt sich: Wer am lautesten ruft, er wolle die Demokratie verteidigen, hat Demokratie nicht begriffen.
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Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist dem Innenministerium unterstellt. Bisher war die Sozialdemokratin Nancy Faeser zuständig, nun ist es der CSU-Politiker Alexander Dobrindt. Faeser hat über das AfD-Geheimdossier kurz vor der Übergabe der Amtsgeschäfte berichtet. Auszüge aus dem Dossier sind mittlerweile bekannt, dem linken „Spiegel“ liegt es im Unterschied zur AfD offenbar ganz vor: auch das ist ein Skandal.
Das Geheimdossier ist eine Zitatensammlung öffentlicher Äußerungen von AfD-Politikern. Soweit ich sehe, sind die teils drastisch zugespitzten, teils bösen, teils geschmacklosen Wort- und Bildbeiträge vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt.
Alice Weidel etwa wird die Behauptung vorgeworfen, auf deutschen Straßen werde „der Dschihad“ geführt, „ein Glaubenskrieg gegen die deutsche Bevölkerung.“ Die Kölner Behörde tadelt streng: Die AfD-Chefin betreibe „muslimfeindliche Agitation“. Damit wird offenbar das Grundgesetz verletzt.
Trotz dürftiger Faktenlage macht sich die politische Konkurrenz das Urteil des Verfassungsschutzes zu eigen. In der SPD hat man sich auf folgende Formulierung geeinigt: Nun sei „schwarz auf weiß“ erweisen, dass die AfD rechtsextremistisch sei.
Offenbar hat man in der 16-Prozent-Partei vergessen, wie geduldig Papier sein kann. Und dass jedes Wort, das gesprochen wird, sich einer Absicht verdankt. Schon Goethe wusste: „Mit Worten lässt sich trefflich streiten.“
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil gibt sich entschlossen: Jetzt, da das Geheimdossier zur AfD vorliege, müssten „Maßnahmen“ ergriffen werden. Jetzt müssten „Konsequenzen“ gezogen und „nächste Schritte“ gegangen werden. Jetzt sei „uns schwarz auf weiß gesagt, das ist eine rechtsextreme Partei“.
Nein, Herr Klingbeil. Da steht schwarz auf weiß, zu welcher Lesart der weisungsgebundene Inlandsgeheimdienst gekommen ist. Diese Lesart gefällt der SPD. Wahr sein muss sie nicht.
Klingbeil will Maßnahmen und Konsequenzen und Schritte. Damit meint er ein Verbotsverfahren. In diesem Sinn sagt die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli: „Jetzt haben wir schwarz auf weiß, was wir schon vorher wussten: Wo Rechtsextremisten drin sind, steht es jetzt auch drauf. (...) Für mich ist klar: Das Verbot muss kommen.“ Soweit Serpil Midyatli.
Lars Klingbeil brachte als erste zuständige Ministerin die neue Justizministerin ins Spiel, seine Parteifreundin Stefanie Hubig. Das Innenministerium mit dem Verfassungsschutz liegt nun in der Hand der CSU, das Justizministerium blieb der 16-Prozent-Partei. Es könnte zum Anti-AfD-Ministerium ausgebaut werden. Zumindest machte eine weitere Sozialdemokratin, die Hubig aus Rheinland-Pfalz gut kennt, eine verräterische Aussage.
Das AfD-Verbotsverfahren soll also von der neuen Justizministerin auf den Weg gebracht werden. So sagt es Hubigs enge Parteifreundin, die Bundestagsabgeordnete Tanja Machalet. Innerhalb der SPD ist die Entscheidung offenbar schon gefallen.
Die 16-Prozent-Partei will, dass die AfD verboten wird. In der Union ist man skeptisch – doch Skepsis war bei CDU und CSU zuletzt nur der Beginn eines Meinungswandels.
Wer eine Partei mit rund 25 Prozent Zustimmung aufgrund bisher bestenfalls halbgarer Belege verbieten will, hat die doppelte Grundregel der Demokratie nicht begriffen: Jede Regierung muss eine Opposition ertragen – und alle Macht geht vom Volk aus.
Und nun: Das Bundesamt für Verfassungsschutz nimmt die Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ vorläufig zurück. Warten wir also ab ...