Die SPD sucht sich selbst – und findet nichts

vor etwa 5 Stunden

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Hat die Sozialdemokratie noch Antworten auf die Fragen der Zeit? Nicht wirklich. Das ist die ernüchternde Bilanz, der sich die Genossen der SPD auch auf ihrem Parteitag am Wochenende stellen müssen.

16,4 Prozent bei der Bundestagswahl, ein massiver Vertrauensverlust in die Partei und eine richtige Identitätskrise – der SPD geht es gar nicht gut. Und die erfolgreichen Koalitionsverhandlungen können nicht darüber hinwegtäuschen. Kann die Partei Antworten auf ihr Dilemma finden? Das darf bezweifelt werden.

Die SPD verliert ihre klassischen Wähler an die AfD und auch an die Linken, sie selbst ist längst eine Partei der urbanen Milieus geworden und vertritt statt der Arbeiterklasse die gut situierte Bourgeoisie, die sie sich als Klientel mit den Grünen teilt. Wie will die Partei dieses strategisches Problem lösen?

Die Antwort: Mit einem AfD-Verbot. Ein Antrag sieht die Vorbereitung eines solchen vor. Er wird auf dem Parteitag höchstwahrscheinlich angenommen werden. Und wenn die AfD erstmal weg ist, kommen die ganzen Wähler bestimmt zur SPD zurück – daran wollen die Genossen arbeiten. „Der Parteivorstand wird deshalb beauftragt, in unserer Partei eine dauerhafte Struktur zu schaffen, die die Ursachen des AfD-Zuspruchs sowie deren politische Methoden systematisch analysiert“, heißt es im Antrag des Parteivorstandes.

„Dazu soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die zentrale Motive, Milieus undNarrative untersucht – und auf dieser Grundlage ein Konzept entwickelt, wie wir Menschenmit unserer Politik (…) wieder besser erreichen“, ist dort zudem zu lesen. Genau – wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. Altes Politikermotto.

Schön, dass die SPD nach Jahren des steten Wählerverlusts an die AfD langsam mal überlegt, warum ihre Wähler sie verlassen. Wer aber jetzt noch eine Arbeitsgruppe braucht, um „die Ursachen des AfD-Zuspruchs“ zu untersuchen und zu analysieren, wird auch nach drei Monaten umfangreicher Arbeitskreise nicht schlauer sein.

Warum die SPD abstürzt, liegt doch auf der Hand: Sie ist von einer Arbeiterpartei zu einer Partei der urbanen Eliten mutiert. Die Herzkammer der Sozialdemokratie ist nicht mehr Gelsenkirchen oder sonstige Arbeiterstädte. Stattdessen ist die SPD vor allem strukturell vergrünt und dient sich einer jungen, urbanen, linken Wählerschaft an, die neben den Sozialdemokraten auch von den Grünen und Linken umworben wird.

Die Lektionen der dänischen Sozialdemokratie, die in der Parteispitze einige schon verstanden haben, will die Partei an sich beharrlich nicht lernen. Im nördlichen Nachbarland sind die Sozialdemokraten vor allem erfolgreich, weil sie eine klare Migrations- und Integrationspolitik der Härte verfolgen.

Statt sich der Realität zu stellen, bleibt die SPD aber lieber im linken Phantasialand stecken. Und nicht nur bei Migration: Der gesamte Parteitag erscheint wie ein Aufmarsch wider die Realität. Das geht mit Personalfragen los: Klingbeil, der die Wahl historisch vergeigt hat, soll als Parteichef bestätigt werden. Und dann einer Partei vorstehen, die die Gegenwart einfach politisch ablehnt.

Migration ist das Top-Thema für die Deutschen: Ein Antrag zum Parteitag beklagt aber, man sei in dieser Frage nur „getrieben“ von „rassistischen und spalterischen Kampagnen“. An anderer Stelle werden „solidarische Kommunikations- und Arbeitsformen“ oder auch Ansprechpartner gefordert, um „Arbeitnehmer*innen“ wieder näherzukommen. Heißer Tipp: Ein erster Schritt wäre da mal die Streichung des Gender-Sterns. Wer Arbeiter und Beschäftigte oder überhaupt Bürger ansprechen will, sollte sie vielleicht auch so nennen – und nicht „Arbeitnehmer*innen“ oder „Bürger*innen“. Doch auf diese Idee kommt die SPD noch nicht.

Stattdessen gilt die alte Sozen-Parole: vorwärts! Und notfalls auch gegen die Wand. Die Konkurrenz im Zweifel verbieten, oder es zumindest beantragen. Dass ein AfD-Verbot weder in der Vorbereitung noch in der tatsächlichen Bewertung durch das Verfassungsgericht eine ernsthafte Chance hat und der Verfassungsschutz in seinem lachhaften Gutachten auch keine Grundlage für ein Verbot liefert, ist egal – der Parteitags-Antrag ist eher eine Selbstversicherung, ein bisschen antifaschistische Folklore.

Vielleicht wird zur Annahme „Bella Ciao“ gesungen und die Faust gereckt. Einen Einfluss auf die Realität hat diese Veranstaltung aber nicht – genauso, wie die Realität keinen Einfluss auf diese Veranstaltung zu nehmen scheint. Die SPD ist vor allem mit sich selbst beschäftigt und verkennt in ihrer Gesamtheit nach wie vor die Probleme im Land.

Gegenderte Arbeitskreise werden die „Arbeiter*innen“ nicht zurückholen, ein AfD-Verbot wird nicht funktionieren und darüber hinaus auch kein Problem lösen – das ist die Realität, aber die ist egal. Und weil das so ist, wird für die SPD auch kein Signal des Aufbruchs von diesem Parteitag ausgehen. Mit dem Wahlverlierer Klingbeil an der Spitze und den gleichen realitätsfeindlichen Debatten im Kopf sind 16,4 Prozent eben nur eine Wegmarke auf der Reise bis ganz nach unten.

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