Die Wahrung des Scheins einer erfolgreichen Energiewende

vor 14 Tagen

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

Die deutsche Energiewende scheitert vor sich hin, aber die Verursacher wollen es nicht wahrhaben. Große Teile der Bevölkerung halten das Vorhaben für erfolgreich, schließlich ist noch jeden Tag Strom in der Dose. Vor allem aber hilft eine umfangreiche Konstruktion an Framing, Mythen und Tatsachenverdrehung dabei, den Schein eines erfolgreichen Projekts aufrechtzuerhalten. Teil 1 der Reihe über das Framing der Energiewende beschäftigte sich mit Lügen und gezielten Falschaussagen, fehlendem Kontext und Halbwahrheiten:

Wenn der sächsische Ministerpräsident Kretschmer von „Windkraft überm Wald“ spricht, so wird absichtlich ein falscher Eindruck erweckt. Er meint, dass sich die Rotoren weit über den Baumwipfeln drehen, der Wald selbst also nicht oder kaum betroffen sei. Wer Luftaufnahmen von Windkraftanlagen im Wald gesehen hat, bekommt einen Eindruck davon, welches Maß an teils irreversibler Umweltzerstörung hier stattfindet. Je nach Länge der erforderlichen Zufahrtsstraßen, die für schwere Lasten ausgelegt sein müssen, werden ein halber bis ein ganzer Hektar Wald pro Anlage vernichtet. Die baumfreien Flächen zerschneiden nicht nur die Lebensräume von Tieren, sie sind Sonne und Wind schutzlos ausgesetzt und trocknen den Boden aus, verschlechtern die Grundwasserbildung und binden kein CO2 mehr. Die umfassende Umweltzerstörung durch Windkraftanlagen im Wald wird als Thema aktuell bleiben. Windkraft überm Wald gibt es nicht, ausgenommen die erfolglose Variante der Flugwindanlagen oder Drachen.

Die wohl dümmste Bezeichnung für die Windkraft kommt aus der FDP. Sie sei „Freiheitsenergie“. Damit kommt die Hoffnung zum Ausdruck, sie führe zur Unabhängigkeit gegenüber Russland, weil Energieimporte von dort entfielen. Die bleibende Abhängigkeit von den Launen der Natur wird strikt ignoriert, aber gerade diese würde uns in mittelalterliche Wirtschaftsverhältnisse führen. In der Realität wird die Abhängigkeit nur umgehängt – von Russland nach China. Von dort kommen 90 Prozent der Seltenen Erden und etwa die Hälfte des weiteren zum Bau der Anlagen erforderlichen Materials. Ein eventuell ausbrechender Taiwan-Konflikt mit gegenseitigen Sanktionierungen würde zum fast sofortigen Stopp des PV- und Windkraftausbaus in Europa führen. Selbst Sekundärsanktionen gegen Russland, die auch China treffen, könnten zum Mangel an Rohstoffen führen, der nicht nur die „Erneuerbaren“-Branche, sondern den gesamten Elektrobereich bis hin zur IT betrifft. Im Zuge des Zollstreits mit den USA haben die Chinesen bereits die Ausfuhr non neun Rohstoffen begrenzt, den von Graphit ganz eingestellt.

Und ob in den Wechselrichtern nicht kleine elektronische Spione oder Saboteure eingebaut sind, weiß niemand so genau. Weitere Informationen zur Sinnfälligkeit von „Freiheitsenergie“ finden sich hier.

Dann gibt es noch die Falschbezeichnungen „Säule“ oder „Arbeitspferd“ für den windigen Strom, die schon deshalb falsch sind, weil die Anlagen weder stabil laufen noch auf Kommandos reagieren. Welches Bild würde auf Windkraftanlagen zutreffen? Ich schlage vor: Luftschlösser. Sie sind groß und erfüllen die Hoffnungen nicht.

Gern sprechen Journalisten von den „Erneuerbaren auf der Überholspur“ und machen das am prozentualen Zuwachs an installierter Leistung fest. Die Wahrheit ist, dass deren Zubau nicht einmal ausreicht, den Zuwachs des Energiehungers der Welt zu bedienen, geschweige denn, andere Energieträger zu verdrängen. Lag der fossile Anteil (einschließlich Biomasse) im Jahr 2013 noch bei 88 Prozent, waren es zehn Jahre später immer noch 85 Prozent – bei absolut gestiegenen Mengen. Eine Überholspur sähe anders aus.

Durch falsche Zuschreibungen soll ein gewünschter Eindruck entstehen. So wird die Windkraft oft als „wichtigste Energiequelle“ bezeichnet. Das leitet man aus der produzierten Strommenge ab, die man mit konventionellen Quellen vergleicht. Eine Technologie als die wichtigste zu bezeichnen, die zeitweise überhaupt nicht zur Verfügung steht, ist schon abenteuerlich. Es wird unterschwellig suggeriert, dass man auf andere Quellen künftig wird verzichten können, wenn man die Windkraft nur weiter zügig ausbaut.

Viele Erfolgsmeldungen gibt es zu sogenannten energieautarken Gemeinden. Diese Orte seien quasi energetisch unabhängig vom öffentlichen Versorgungssystem, teilweise erzeugen sie mit PV, Biomasse und Wind übers Jahr mehr Energie, als sie verbrauchen. Auch hier begegnet uns die Mogelei mit Durchschnittszahlen, denn in Echtzeit bleiben die Einwohner am öffentlichen Netz und schmarotzen aus diesem die Regellast und die Spannungshaltung. Autarkie heißt Unabhängigkeit, sie wäre bei diesen Gemeinden nur glaubhaft, wenn die Verbindung zum öffentlichen Netz getrennt würde.

Versucht man den reinen Inselbetrieb wie in El Hierro oder auf Pellworm, so bricht die Hoffnung ziemlich schnell zusammen. Es gibt auch keinen sogenannten Autarkiegrad, entweder man ist autark oder nicht, es ist wie mit einer Schwangerschaft. Wenn bilanziell eine Gemeinde sich in Teilen oder sogar gänzlich selbst versorgt, so passt darauf der Begriff des Selbstversorgungsgrades bezüglich der verbrauchten Energiemenge. Dennoch wird der Begriff der Energieautarkie gern verwendet, um die Illusion zu bedienen, dass die Energieversorgung des ganzen Landes auf diese Weise dezentralisiert und dekarbonisiert werden könnte.

Hin und wieder werden Gaskraftwerke und Kernkraftwerke als ideale Ergänzung zu den „Erneuerbaren“ dargestellt. Die Frage, wer hier wen ergänzt, wird dadurch auf den Kopf gestellt. Selbst die PR von Stromunternehmen nutzt diese Sicht, um die Konventionellen richtigerweise als überlebensnotwenig darzustellen. Die Wahrheit ist, dass Wind- und PV-Anlagen selbst nach Definition der Bundesnetzagentur weder netzbildend sind noch dargebotsunabhängig. Das heißt, sie speisen in ein vorhandenes Netz ein, das vorhanden sein muss, um über die Frequenzvorgabe die Einspeisung überhaupt erst möglich zu machen. Die dargebotsunabhängen Erzeuger (die konventionellen Anlagen) regeln dann auch die Launen des Wettergottes aus.

Die Realität zeigt sich also genau anders herum: Die „Erneuerbaren“ brauchen das vorhandene Netz, um überhaupt produzieren zu können, sie liefern eine zeitweise Substitution anderen Stroms, sind also selbst die schwer berechenbare Ergänzung. Was passiert, wenn konventionelle Kraftwerke nicht mehr ergänzen können, weil es zu wenige von ihnen gibt, war am 28. April in Spanien zu erleben.

Beschönigend wird die Einspeisung von Strom aus den schwankenden „Erneuerbaren“ als „flexibel“ bezeichnet, mit einem positiv besetzten Begriff. Man wendet ihn sonst auf mehrfach einsetzbare Geräte an, auf qualifizierte Fachkräfte in Betrieben, die mehrere Arbeitsplätze besetzen können (sogenannte Springer), auf biegsame Materialien und Ähnliches. In Wahrheit ist diese Form der Stromeinspeisung aber nicht dem menschlichen Willen unterworfen, sondern rein zufällig. Man sollte korrekt die Adjektive volatil, erratisch oder zufällig verwenden. Flexibel müssen die anderen Stromeinspeiser sein, die die Residuallast bereitstellen und die flexibel auf den Zufallsstrom reagieren können.

Des Öfteren ist von einem Markthochlauf die Rede, für den der Staat nun endlich sorgen müsse. Speziell bei der E-Mobilität und der Wasserstoffwirtschaft wird diese Forderung erhoben. Echte Märkte laufen allerdings allein hoch, Angebot und Nachfrage sorgen dafür. Das in diesem Zusammenhang oft benannte Henne-Ei-Problem gibt es nur in subventionsgetriebenen Systemen. Wenn Unternehmen nach dem Staat rufen, der einen Markt anschieben soll, so handelt es sich immer um einen Subventionsmarkt. Die Unternehmen machen nur mit, so lange es Geld vom Staat gibt.

Ähnlich irreführend spricht man bei der Agri-PV von einer Doppelnutzung. Diese Variante der PV ist allemal besser als das flächendeckende Belegen der Landschaft mit Heizkörpern, aber das Sonnenlicht kann nur einmal genutzt werden, entweder für die PV oder die Photosynthese. Es ist also keine Doppel- sondern eine kombinierte Nutzung. Der Hintergedanke einer solchen Formulierung besteht darin, den Eindruck zu erwecken, aus der Sonneneinstrahlung sei noch mehr herauszuholen. Insbesondere Landeigentümer sollen dafür interessiert werden.

In unserer Energiewendewunderwelt gibt es hippe Kunstworte, die das ganze Vorhaben als modern und fortschrittlich erscheinen lassen sollen.

Ein Netzbooster zum Beispiel ist nichts anderes als eine Großbatterie, die an Netzengstellen installiert wird, um den zunehmenden Verlust des n-1-Kriteriums (bei Ausfall eines Netzelements muss die Versorgung über Reserven oder Umleitungen stets möglich sein) zu kompensieren. Dass solche Großbatterien überhaupt nötig sind, ist dem nachhängendem Netzausbau geschuldet. Das wird heftig beklagt, es ist aber Ergebnis eines schlechten Energiewende-Managements, das seit vielen Jahren tatenlos zusieht, wie der Ausbau der „Erneuerbaren“ deutlich schneller geht als der Netzausbau. Lassen sich Windkraft- und PV-Großanlagen in drei bis vier Jahren errichten, braucht der Bau einer 110-Kilovolt-Leitung schon acht bis 12 Jahre. Die einzig richtige Entscheidung wäre ein Moratorium des „Erneuerbaren“-Ausbaus, seine Harmonisierung mit dem Netz- und Speicherausbau. Dafür finden sich keine politischen Mehrheiten, sodass die „Booster“ irgendwie Fortschritt signalisieren sollen.

Viele Kunstworte entstehen im Bereich der Wasserstoffprojekte. H2Gen, DurchH2atmen, HYDE, TransHyDE, HyCux, HyCAVmobil, HyFri, RHYn Interco, H2@Hydro und weitere erwecken den Eindruck, dass die Kreativität der damit befassten Firmen und Einrichtungen vor allem in der PR besteht. Das vermeidet allerdings nicht das Scheitern zahlreicher Projekte wie in Kaisersesch, auch bei großen Unternehmen wie Shell, BP, Statkraft und Equinor.

Im dritten Teil der Serie geht es um Agenda-Setting, Emotionalisierung, Moralisierung und Ideologisierung.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel