
In einer Anhörung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages haben Sachverständige über Parteigrenzen hinweg starke Zweifel an der rechtlich sauberen Umsetzung der Pläne für ein Sondervermögen geäußert. Das berichtet der Spiegel. Dem Bericht zufolge haben selbst von der schwarz-roten Koalition benannte und parteinahe Experten ernsthafte Zweifel am gesetzgeberischen Handeln der Bundesregierung.
Offenbar missachte die Regierung unter Finanzminister Klingbeil maßgeblich die parlamentarischen Beschlüsse zum Sondervermögen. Neben dem eilig durch den vergangenen Bundestag gebrachten Sondervermögen beschloss das Parlament auch einen ergänzenden Entschließungsantrag, der verhindern sollte, dass das Sondervermögen statt für Investitionen zur Stopfung von simplen Finanzierungs- und Haushaltslücken verwendet werden würde.
Der Entschließungsantrag präzisiert, dass die vereinbarte Zusätzlichkeit der Investitionen erst gewährleistet ist, wenn der Anteil der Investitionen im Kernhaushalt die 10-Prozent-Marke übersteigt. Genau diese Marke erreiche die Koalition aber nicht und rechnet sich stattdessen die Zahlen schön, kritisierten Sachverständige, die von Union beziehungsweise SPD benannt wurden, im Haushaltsausschuss.
Désirée Christofzik, Professorin für Finanzwissenschaften an der Universität Speyer und von der Union in den Haushaltsausschuss geschickt, bemängelte, dass die Investitionsquote des Bundeshaushalts systematisch zu hoch ausgewiesen werde. So würden Investitionen, die unter die Schuldenbremse-Ausnahme für Verteidigungsausgaben fallen, zwar im Nenner der Investitionsquote herausgerechnet, nicht aber im Zähler. Bereinige man diesen Effekt, so sinkt die Investitionsquote laut Christofzik auf rund 9,6 Prozent – was dem Entschließungsantrag des Bundestages dazu widerspräche.
Nicht der einzige fragwürdige Trick, den Experten in der Ausschusssitzung bemängelten. Philippa Sigl-Glöckner, eine äußerst SPD-nahe Ökonomin, bezweifelte laut Spiegel sogar insgesamt die Zulässigkeit des Finanzgebahrens der schwarz-roten Koalition.
Dadurch, dass über Sondervermögen und eine Bereichsausnahme für die Verteidigung die Neuverschuldung an der immernoch verfassungsrechtlich geltenden Schuldenbremse vorbeilaufe, werde diese ad absurdum geführt, schilderte Sigl-Glöckner. „Das ist so, als würde man beim Frühstück haargenau auf die Kalorien achten, um die eigene Diät zu kontrollieren und dann den Rest des Tages essen, was immer einem vorgesetzt wird.“ Die Folge daraus könnte sein: Das Verfassungsgericht könnte die grobe Missachtung einer immer noch gültigen Bestimmung des Grundgesetzes feststellen.
Auch Kritik an der Nutzung der zusätzlich verhandelten Sondervermögens-Mittel für Klimaschutz wurde im Ausschuss laut. Auch hier sahen Experten eine täuschende, missbräuchliche Verwendung der Mittel. Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), war von der SPD vorgeladen worden – er verwies darauf, dass mithilfe der Zuweisungen des Sondervermögens an den Klima- und Transformationsfonds auch Gaspreissubventionen finanziert werden sollen. Dabei würden sie „keinerlei Beitrag“ zur Dekarbonisierung leisten, wird er im Spiegel zitiert.
Das Magazin zitiert auch den haushaltspolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, Sebastian Schäfer. Dieser fasst die Bewertung der Sondervermögens-Handhabe durch die verschiedenen Experten als „vernichtendes Urteil“ zusammen. „Das Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität ist verfassungsrechtlich riskant und in seiner Wirksamkeit höchst zweifelhaft“, so Schäfer. Die Grünen hatten die Schaffung des Sondervermögens mit ihren Stimmen möglich gemacht und unterstützen eine solche Vorgehensweise im Grundsatz.