Explosion der Gewalt in Praxen und Kliniken, aber die Bundesregierung hat keinen blassen Schimmer

vor 6 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Die Gewalt in Arztpraxen und Kliniken hat deutlich zugenommen. Das zeigen immer wieder schockierende Berichte und Aufzeichnungen von Überwachungskameras, aber auch Befragungen unter Ärzten und Pflegern. Der zuständige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte bereits angekündigt, härter gegen solche Angreifer vorgehen zu wollen – nur weiß die Ampel überhaupt nicht, wie groß das Problem eigentlich ist.

Das zeigt eine Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die NIUS exklusiv vorliegt:

„Die Bundesregierung hat keine eigenen belastbaren Erkenntnisse und führt keine Statistiken im Sinne der Fragestellung“, heißt es wörtlich. Dementsprechend kann die Regierung auch nichts zu der Entwicklung der Gewalt in Kliniken und Praxen sagen und auch nicht dazu, wie sich das auf den Fachkräftemangel auswirkt, wenn Ärzte, Pfleger oder Medizinische Fachangestellte aus Angst den Job wechseln.

Heißt zusammengefasst: Die Gewalt in Kliniken und Praxen explodiert und die Bundesregierung hat keinen blassen Schimmer.

Tino Sorge, Gesundheitspolitiker der CDU, wirft der Ampel mangelnde Ernsthaftigkeit bei dem Thema vor: „Zu möglichen Konsequenzen aus dieser Misere befragt, stellt die Bundesregierung lapidar einen Mangel an Erkenntnissen fest und verweist auf die anstehende Rechtsprechung. Damit wird sie dem Ernst der Lage mitnichten gerecht, sie muss dem Schutzbedürfnis der in den Praxen tätigen Berufsgruppen Rechnung tragen.“

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Die einzige Datenquelle, die Lauterbach-Staatssekretärin Sabine Dittmar nennen konnte, war eine Ärzte-Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung unter knapp 7600 im Gesundheitswesen tätigen Menschen, die im September veröffentlicht worden ist.

Die Frage der KBV lautete: Sind Sie persönlich im letzten Jahr bei Ihrer Praxistätigkeit beschimpft, beleidigt oder mit Worten bedroht worden? Wie häufig?

Mehr als drei Viertel gaben an, dass Bedrohungen und Beleidigungen ein großes oder sehr großes Problem darstellten, 85 Prozent gaben an, dass die Gewalt in den Praxen in den vergangenen fünf Jahren zugenommen habe. 43 Prozent der Befragten haben in den vergangenen fünf Jahren auch körperliche Gewalt bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erlebt. Im Jahr 2023 wurden 60 Prozent von ihnen Opfer. „Die Fälle reichen von Tritten gegen das Schienbein, Schubsen und Spucken bis hin zu schweren Angriffen“, heißt es wörtlich.

Die Frage der KBV lautete: Haben Sie (oder die/der Praxisinhaber/in) deswegen die Polizei eingeschaltet oder Anzeige erstattet?

Ein eindeutiger Hinweis, dass die Gewalt in Praxen zugenommen hat, jedoch eine Befragung, die den Bereich Klinik gänzlich auslässt, auf deren Basis eine Bundesregierung nicht arbeiten kann.

Das Problem: Obwohl seit 2020 die Tatörtlichkeiten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) bundesweit erfasst werden, gibt es auch beinahe vier Jahre nach Einführung noch immer kein valides Bild, weil die Länder die Tatörtlichkeiten sehr unterschiedlich erfassen und die Erfassung zudem keine Pflicht ist. Die Ankündigung der Regierung lautete: „Ab dem Berichtsjahr 2024 werden valide Daten unter anderem zur Tatörtlichkeit ,Arztpraxis‘ in der PKS vorliegen.“

Und deshalb – weil keine validen Daten vorhanden sind – will die Bundesregierung neben der Strafverschärfung für Angriffe auf Retter, Polizisten, Ärzte und Pfleger keine weiteren Maßnahmen ergreifen. Wörtlich heißt es: „Derzeit fehlen valide Erkenntnisse zu Umfang, Ursachen und Auswirkung von Gewalt und verbalen Angriffen in ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen.“ Erst weitere Erhebungen zum Ausmaß der Gewalt in Praxen und Kliniken könnte „gegebenenfalls die Grundlage für Beratungen der Bundesregierung mit den Ländern sein, die auf ein einheitliches Vorgehen für einen noch wirkungsvolleren Schutz in diesem Bereich abzielen“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung weiter.

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