
Nancy Faeser hat das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ offenbar nicht geprüft. Das berichtet die Bild unter Berufung auf Unions- und Sicherheitskreise. Demnach habe die Innenministerin trotz der fachlichen Zuständigkeit für den Inlandsgeheimdienst keine interne Evaluierung des neuen Gutachtens durchgeführt, bevor sie am Freitag verkündete, die AfD werde neu eingestuft.
Das hängt möglicherweise auch mit dem Zeitpunkt zusammen: Am kommenden Dienstag soll Friedrich Merz zum Kanzler gewählt werden. Faesers Amtszeit endet dann, eine Überprüfung des Gutachtens innerhalb des Innenministeriums hätte sich voraussichtlich über diesen Zeitpunkt hinausgezogen. Bereits nach der Verkündung am Freitagvormittag hatten zahlreiche Juristen und Experten vermutet, Faeser könnte den Verfassungsschutz zur Fertigstellung des Gutachtens gedrängt haben, um die Verkündung noch in ihrer Amtszeit vornehmen zu können (mehr dazu hier und hier).
Tatsächlich übte die SPD-Politikerin Druck auf den Inlandsgeheimdienst aus, berichtet die Bild. Das Gutachten war eigentlich schon für Ende 2024 geplant gewesen, wegen des Ausscheidens des damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang und der vorgezogenen Bundestagswahl entschied sich die Behörde aber, mit der Fertigstellung zu warten. Faeser habe dahingehend immer betont, sie werde das Gutachten öffentlich machen, „sobald es vorliegt“, zitiert die Zeitung weiter aus dem Umfeld der Innenministerin.
So kam es dann auch: Am 25. April stellte der Verfassungsschutz das Gutachten demnach fertig, am Montag erreichte es die Abteilung „Öffentliche Sicherheit“ in Faesers Behörde. Die SPD-Politikerin wurde dann am Dienstag informiert und erhielt am Mittwoch – zwei Tage vor der Verkündung – eine Ministeriumsvorlage des Gutachtens. Das bleibt bewusst unverändert – obwohl Änderungen durch das Ministerium möglich sind.
Der Eindruck der „politischen Einflussnahme“ sollte verhindert werden, heißt es intern. Eine genaue Prüfung wurde also nicht angeleiert und stattdessen der Verfassungsschutz noch am Mittwoch über die Entscheidung der Innenministerin informiert. Am 1. Mai wurde deshalb trotz des Feiertags gearbeitet: Die Presseerklärungen der beiden Behörden wurden vorbereitet, einen Tag später trat Faeser dann an ihrem vorletzten Arbeitstag vor die Presse und machte die Neueinstufung öffentlich. Weiterhin geheim bleibt hingegen das vollständige, 1.100 Seiten umfassende Gutachten. Nur einige unkonkrete Beispiele sind aus dem Dokument bekannt (Apollo News berichtete).
In der Vergangenheit hatte es im Innenministerium durchaus eine Prüfung der Arbeit des Inlandsgeheimdienstes gegeben: Horst Seehofer ließ das Gutachten, mit dem der Verfassungsschutz die AfD im Jahr 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufte, damals gründlich überprüfen. Das Gutachten müsse rechtssicher sein, um eine erfolgreiche Klage der AfD gegen die Einstufung zu verhindern, argumentierte Seehofer. Abgeschwächt wurden etwa Passagen zum Islam – auch, weil sie den Aussagen Seehofers ähnelten, hieß es nach einer Recherche der Süddeutschen Zeitung.