Faeser und Lauterbach weg? Wer unter Merz Minister werden könnte

vor etwa 1 Monat

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Bildquelle: Apollo News

Die Ämterverteilung bitte zuletzt: Die verhandelnde Koalition hat viel Wert darauf gelegt, das Posten-Geschacher bitte ans Ende der Verhandlungen zu stellen. Doch ebenjenes Ende nähert sich immer mehr an: Am Freitag beginnen die Gespräche der Chef-Ebene, die diverse Streitpunkte ausräumen soll.

Auch wenn es an vielen Ecken noch hakt, glaubt keiner ernsthaft an ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen. Und so laufen die qualifizierten und weniger qualifizierten Spekulationen schon auf Hochtouren: Wer wird Minister? Wer bleibt es? Und wer muss gehen?

Aus der Ampel-Regierungszeit sind diverse Sozialdemokraten noch in Amt und Würden und hoffen natürlich, weiter Minister bleiben zu können. Vier Ex-Ampel-Minister dürfen zumindest theoretisch auf eine Verlängerung in Berlin hoffen: Boris Pistorius im Verteidigungsministerium, Nancy Faeser im Innenministerium, Hubertus Heil im Arbeits- und Sozialressort, Karl Lauterbach im Gesundheits- und Svenja Schulze im Entwicklungsministerium. Doch sie bekommen aus der eigenen Partei wie aus der Union Konkurrenz – fast alle von ihnen könnten bald ohne ihr altes Amt dastehen.

Von ihnen ist Boris Pistorius der einzige, der höchstwahrscheinlich im Amt verweilen wird. Von der SPD gilt er als gesetzt, und in der Union traut sich keiner, den beliebten Minister abzusägen. Dazu kommt: Mit den geplanten Schulden für die Verteidigung wird das Verteidigungsministerium auch vom Budget her ein extrem wichtiger Posten. Den will sich die SPD weiter sichern – um zusammen mit dem Finanzministerium die vollständige Kontrolle über das schon beschlossene Billionen-Schuldenpaket zu haben. Ein massiver Machtgewinn für die Sozialdemokraten, den die Union am Ende wahrscheinlich zulassen könnte – zu stark ist Pistorius‘ Position politisch.

Dabei hatten auch die Unions-Parteien ein Auge auf das Ressort geworfen: Klassischerweise füllte unter einem Unions-Kanzler stets ein Politiker von CDU oder CSU den Stuhl im Verteidigungsministerium. Insbesondere die CSU hatte im Vorlauf Anspruch auf ein solches Ressort angemeldet. Unter anderem wird auch hier der mächtige Landesgruppenchef Dobrindt, einer der Hauptverhandler für die Union, als Minister diskutiert. Aber auch der CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul ist im Rennen.

Verwaist ist derweil das Auswärtige Amt: Das Ressort geht traditionell immer an den kleineren Koalitionspartner und war in der Vergangenheit ein prestigeträchtiger Profilierungs-Posten für den Vizekanzler. Der wahrscheinliche Vize Klingbeil schielt aber auf das Finanzministerium und in der SPD scheint man das Amt nicht so zu priorisieren. Dazu verlor das Auswärtige Amt unter Baerbock zuletzt an Prestige, außerdem will Friedrich Merz mit einem Nationalen Sicherheitsrat die Relevanz des Ministeriums weiter beschneiden.

Nicht unwahrscheinlich, dass es unter diesen Umständen an die Union gehen könnte: vor allem der Name Armin Laschet zirkuliert in Berlin. Ob er, der auch schon öffentlichkeitswirksam sein Interesse angemeldet hat, am Ende wirklich Außenminister wird, ist aber fraglich. Auch in der Union gibt es andere Namen, die ihm den Zugriff streitig machen könnten: etwa der erwähnte Johann Wadephul oder der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen.

Die SPD wird auf den Posten verzichten – auch wenn mancher den außenpolitisch aktiven Klingbeil in der Vergangenheit auf dem Posten sah. Sollte die Union Boris Pistorius allerdings wider Erwarten doch noch aus dem Verteidigungsministerium herausdrängen können, wäre das Auswärtige Amt ein wahrscheinlicher Ausweichposten für ihn, der auf internationalem Parkett bereits Erfahrung sammeln konnte.

Habecks Vermächtnis im Wirtschaftsministerium rückabwickeln: Das dürfte für die Union ein Top-Anliegen sein. Wahrscheinlich, dass die CDU daher auch einen Spitzenmann mit dieser Aufgabe betrauen würde: Als Kandidat Nummer eins gilt Generalsekretär Carsten Linnemann. Der Politiker vom Wirtschaftsflügel der Union hat sich zum smarten Gesicht der „Wirtschaftswende“-Rhetorik seiner Partei gemacht. An dieser Wende zweifeln immer mehr, aber Linnemann könnte auf ihrem Ticket Habecks Amt übernehmen.

Neben dem Wirtschafts-Ressort würde er so auch die Zuständigkeit für Energie übernehmen – ein weiteres Thema, zu dem die Union lauten Wahlkampf gemacht hatte. Es gibt wenige Kandidaten, die Linnemann hier ausstechen könnten: Mit Julia Klöckner wurde die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union in der letzten Legislatur auf den Posten der Bundestagspräsidentin „wegbefördert“.

Allenfalls noch Jens Spahn, zuletzt in der Fraktion auch für Wirtschaft und Energie zuständig, könnte Ansprüche anmelden. Er wird allerdings, zusammen mit dem Merz-Vertrauten Torsten Frei, auch als Name für den Fraktionsvorsitz gehandelt. Letzterer könnte auch Kanzleramtsminister werden.

Pistorius‘ Genossinnen und Genossen wackeln jedoch. Langzeit-Minister Hubertus Heil etwa steht nicht auf sicherem Posten. Die Union würde sein Ministerium gerne zerschlagen oder zumindest selbst übernehmen – als Anwärter gilt hier vor allem CDU-Generalsekretär Linnemann. Stets gehandelt wird für den Posten auch NRW-Sozialminister Laumann – doch der Zugriff des Schwergewichts vom innerparteilich linken Arbeitnehmer-Flügel der CDU gilt als Theorieübung und eher unwahrscheinlich.

Die SPD wird hart um das für sie wichtige Ressort kämpfen – weil aber mit Klingbeil und Pistorius schon zwei Niedersachsen auf sichere Kabinettsposten schielen, könnte Heil leer ausgehen. Als sozialdemokratische Anwärterin auf seinen Posten wird die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas gehandelt.

Auch Nancy Faesers Amt als Bundesinnenministerin ist in Gefahr: Nicht nur angesichts der bisher vermuteten Ämterverteilung dürfte es schwer für die Hessin werden, ihren Posten im Bundesministerium des Innern und für Heimat zu verteidigen. Weil die SPD wohl auf die gewichtigen Ressorts Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Verteidigung zugreifen will, dürfte das Innenministerium wiederum an die Union gehen. Als Kandidat gilt hier unter anderem der mächtige CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die SPD rechnet schon mit seinem Zugriff auf das Amt, berichtet Bild. Die profilierte CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz fällt weg, weil sie für die Christsozialen als Vizepräsidentin ins Bundestagspräsidium gewählt wurde.

Faeser gilt derweil auch wegen der schlechten Sicherheitsbilanz, ihrer verlorenen Landtagswahl als Spitzenkandidatin in Hessen und wegen des im Eilverfahren gescheiterten, umstrittenen Verbots des Magazins Compact vielen als vorbelastet. Für einen Neuanfang steht sie so oder so nicht.

Sie könnte sich noch Hoffnungen auf das Justizressort machen – dies wird nicht nur traditionell als „Ausgleich“ gegen das Innenministerium gestellt und wäre daher in einem solchen Szenario erwartbar ein SPD-Haus, sondern könnte auch fachlich eine Heimat für die Juristin bieten. Doch insbesondere unter den Kandidatinnen für Ministerämter ist der Konkurrenzkampf in der SPD eng.

Im Justizressort könnte beispielsweise die Brandenburger Abgeordnete Sonja Eichwede den Stich machen: Die junge Frau gilt als aufsteigender Stern in ihrer Partei und war vor ihrem Bundestagsmandat als Richterin in Brandenburg tätig. Auch wenn sie gebürtige Bremerin ist, könnte die Wahl-Ostdeutsche neben ihrer Weiblichkeit noch den Ost-Faktor für sich geltend machen und West-Kolleginnen wie Faeser ausstechen.

Diskutiert wird aber auch ihr Fraktions-Kollege Dirk Wiese, der die Verhandlungen zum Themenkomplex Innen und Recht für die SPD geführt hat. Gegen ihn spricht in der Parteilogik nur sein männliches Geschlecht.

Als sicherer Kandidat für einen Abschied gilt vielen Karl Lauterbach. Der Gesundheitspolitiker war im Amt stets umstritten: Minister wurde er 2021 hauptsächlich wegen seiner exponierten Rolle in der Coronazeit. In ebenjener war er als Hardliner aber auch immer Reizfigur.

Und mit dem Ende der Pandemie-Maßnahmen 2022, die er bis zuletzt mit Härte vorantrieb, verlor er auch seine Rolle als „Seuchenpapst“. Mit einer umstrittenen Krankenhaus-Reform oder der von vielen kritisierten Umsetzung einer Cannabis-Legalisierung konnte Lauterbach keine bleibende, positive Reputation als Minister aufbauen.

Auch die Apotheker in Deutschland sind nicht gut auf Lauterbach zu sprechen. Das Verhältnis von Friedrich Merz zu ihm gilt darüber hinaus als schlecht, nachdem Lauterbach diesen wiederholt öffentlich beleidigt hatte. Zuletzt hatte Lauterbach den CDU-Chef am Auschwitz-Gedenktag wegen seiner Abstimmung mit der AfD mit den Nazis und dem Vernichtungslager in Verbindung gesetzt. Dass Merz Lauterbach weiter in seinem Kabinett haben will, gilt als ausgeschlossen.

Ihm nachfolgen könnte die sächsische Sozialministerin Petra Köpping, ebenfalls eine Sozialdemokratin. Bärbel Bas könnte sich auch hier Hoffnungen machen – die ehemalige Bundestagspräsidentin saß für die SPD lange im Gesundheitsausschuss.

Unter den Unionspolitikern wären theoretisch der Gesundheitspolitiker Tino Sorge aus der Bundestagsfraktion oder der ehemalige bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek vorstellbar, der inzwischen CSU-Fraktionschef im Landtag ist. Genauso könnte der NRW-Sozialminister Laumann, der in seinem Mega-Ressort in Düsseldorf auch für Gesundheit zuständig ist, hier ins Amt kommen, um den linken Parteiflügel zufriedenzustellen.

Auch Svenja Schulze muss um ihr Amt zittern – ihr Entwicklungshilfe-Ministerium könnte gar ganz eingestampft werden. Die Münsteranerin kämpft verbissen, um die Öffentlichkeit und Kollegen von der Wichtigkeit ihres Ressorts zu überzeugen, doch die Union denkt eigentlich an eine Eingliederung des offiziell bezeichneten Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit in das Auswärtige Amt.

Die Langzeit-Ministerin (diente schon unter Merkel) hat auch Erfahrung im Umwelt-Ressort, auf das sie theoretisch hoffen könnte. Auch bei ihr gilt aber: Als Merkel- und Ampel-Ministerin steht sie nicht gerade für einen Neuanfang, den sich nach der Wahlniederlage auch viele Genossen wünschen.

Weitere Sozialdemokraten werden ins Kabinett drängen: Vor allem über Parteichefin Saskia Esken wird spekuliert. Ihr rechnet man vor allem ein Digital- oder Bildungsministerium zu. Ob ersteres als eigenständiges Ressort aber überhaupt kommen wird, ist offen und galt zuletzt als unwahrscheinlich. Und im Bildungs-Ressort sehen viele eigentlich die CDU-Ministerin aus Schleswig-Holstein, Karin Prien, als gesetzt. Sie kommt vom linken Flügel der Union und gilt als Merz-Vertraute. Die CSU könnte allerdings auf Dorothee Bär als Bildungsministerin pochen – sie gilt für die Christsozialen wiederum als gesetzte Ministerin.

Das Familienministerium war zuletzt unter der Grünen Lisa Paus eines der relevantesten Ampel-Ministerien, verantwortete unter anderem das umstrittene „Selbstbestimmungsgesetz“. Es gilt als wahrscheinlich, dass die SPD sich dieses Ministerium sichern wollen wird. Als Top-Anwärterin wird hier die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli gehandelt.

Midyatli verhandelt den Themenbereich des Familienministeriums und könnte darüber hinaus die einzige Ministerin mit Migrationshintergrund im Kabinett Merz werden – im identitätspolitischen Postenspiel innerhalb der SPD eine Trumpfkarte.

Auch die ehemalige Amtsinhaberin Franziska Giffey könnte von Landes-Berlin wieder nach Bundes-Berlin wechseln, ihren Job als Wirtschaftssenatorin der Hauptstadt aufgeben und an vertrauter Stelle im Bundeskabinett zurückkehren.

Die Personalrochade läuft hinter den Kulissen schon: Geschlechter-Proporz, Länder-Repräsentation, Machtkampf und Identitätspolitik bestimmen die Debatte oberflächlich mehr als die fachliche Eignung der einzelnen Kandidaten.

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