Finanzwissenschaftler Raffelhüschen: „Die Alten bekommen alles, und das auf Kosten der jungen Generation“

vor 11 Tagen

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Milliarden-Schulden und Einsparungen, Steuerentlastungen und Mindestlohn, stabile Renten und Reform der Sozialkassen - die neue Koalition aus Union und SPD verspricht im Koalitionsvertrag vieles, zum Teil sogar Widersprüchliches.

Bei „Schuler! Fragen, was ist“ bin ich mit dem Freiburger Finanzwissenschaftler Prof. Bernd Raffelhüschen den Koalitionsvertrag Punkt für Punkt durchgegangen, um nachzurechnen: Was bringt die neue Koalition und was kostet sie den Steuerzahler. Die Bilanz ist ernüchternd, sagt Raffelhüschen.

Das ganze Interview sehen Sie hier:

Es beginnt bei den neuen Schuldenpaketen von rund einer Billion Euro, die Union und SPD im Grundgesetz verankert haben. Die konjunkturellen Auswirkungen seien über den geplanten Zeitraum von zehn Jahren kaum messbar, so der Finanzwissenschaftler. Die Versäumnisse bei Infrastruktur und Verteidigung über Jahrzehnte hinweg lassen sich auch nur über Jahrzehnte wieder beheben. Klar sei vor allem eines, was die Union richtigerweise im Wahlkampfprogramm wörtlich stehen hatte: „Die Schulden von heute sind immer die Steuern oder die Schuldbelastung letztlich für zukünftige Generationen morgen.“ Im Wahlprogramm las man den Satz allerdings als Erkenntnis und Ablehnung, nicht als Ankündigung.

Prof. Bernd Raffelhüschen im Gespräch mit Ralf Schuler

Aber kommt bei den versprochenen und jetzt teilweise von Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) wieder unter Finanzierungsvorbehalt gestellten Steuersenkungen für „kleine und mittlere Einkommen“ etwas beim Bürger an? Auch da ist Raffelhüschen ernüchternd skeptisch: „Im Wahlkampf wurde versprochen, die Steuern für die kleinen und mittleren Einkommen zu senken. Das ist auch etwas, was immer schwierig ist, weil kleine Einkommen überhaupt keine Steuern zahlen. Also kann man die auch gar nicht senken. Die mittleren Einkommen sind betroffen, also der sogenannte Bauch um die, sagen wir mal 30 000, 35.000 bis 70.000 Euro.“ Hier würde sich im Falle der Umsetzung tatsächlich bei der Einkommenssteuer etwas tun.

Alle anderen sind eher durch den Solidaritätszuschlag betroffen, der ja verlängert wird und der wahrscheinlich eingearbeitet wird in den Steuertarif, plus die Reichensteuer, plus die 42 Prozent Spitzensteuersatz. Die anderen werden dann doch eher stärker besteuert in der Zukunft. Es gibt aber noch eine andere Botschaft. Denn die Belastung für die kleinen und mittleren Einkommen, die ist im Wesentlichen eine Beitragsbelastung. Und an der Front sieht es ganz, ganz böse aus. Da werden sich die Menschen auf mehr einstellen müssen, so es denn bei der bei dem jetzigen Paradigma bleibt.

Und das Paradigma hat die Koalition festgeschrieben: „Die Alten bekommen eigentlich alles und alles auf Kosten der jungen und zukünftigen Generation.“

Im Gespräch erklärt Prof. Raffelhüschen, wie die Steuerzahler künftig die Sozialkassen zusätzlich auffüllen müssen, weil die Reform der Sozialsysteme gerade nicht angefasst wurde. Auch die eigentlich gut gemeinte Idee der „Aktivrente“, bei der Zuverdienst von Rentnern künftig bis zu 2000 Euro steuerfrei bleiben soll, ist für den Finanzwissenschaftler eher ein Kuriosum: „Wir subventionieren die Rente mit 63, damit Leute früher in Rente gehen und subventionieren anschließend auch noch Leute, die länger arbeiten, weil wir deren Arbeitskraft brauchen.“

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