
Zuvor hatte General Motors durch Verkauf seiner traditionsreichen, aber ergebnisarmen Tochter Opel an den französischen Mischkonzern Stellantis im Januar 2021 den Kontinent verlassen. Wenn auch Ford geht, ist nur noch der US-Elektroautobauer Tesla in Grünheide (Brandenburg) übrig. Und wird zum „One-hit-wonder“, denn bei Tesla-Absatzeinbrüchen zwischen aktuell 30 bis 70 Prozent in Europa ist für Experten nicht mehr die Frage nach dem „Ob“, sondern nur noch nach dem „Wann“ und „Wie“.
Bei Ford in Köln jedenfalls scheint Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes – „Et hätt noch emmer joot jejange.“ – an seine Grenzen gelangt zu sein, und durch Artikel 2 abgelöst zu werden: „Et kütt wie et kütt.“ Inzwischen ist der Konflikt um die Zukunft des Kölner Ford-Werks zwischen Belegschaft und Geschäftsführung eskaliert, der Betriebsrat hat zum Streik aufgerufen. Ausschlaggebend dafür ist vor allem ein Schritt des amerikanischen Mutterkonzerns, der das Vertrauen der Ford-Beschäftigten nachhaltig erschüttert hat.
Auslöser für den offenen Konflikt ist die Aufhebung der sogenannten Patronatserklärung des Mutterkonzerns in Dearborne (Michigan,USA) für seine europäische Tochter am Rhein, die die Ford-Führung am 10. März verkündet hatte. Von nun an muss der Mutterkonzern nicht mehr für weitere Schulden seiner Europa-Tochter aufkommen. Zugleich hatte die Ford-Mutter ihrer Europa-Tochter letztmalig mit 4,4 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen, um aufgelaufene Schulden zu bezahlen. Damit ist ab jetzt Schluss. Über den Zugriff auf ein Sondervermögen, wie inzwischen in der Politik gang und gäbe, verfügt die Ford-Tochter nicht.
Fürderhin ist eine Insolvenz von Ford nicht mehr auszuschließen! Experten sind sich sicher, dass Ford Köln als Autohersteller aus eigener Kraft am Markt nicht bestehen kann. Die Liste der strategischen Fehlentscheidungen in den letzten 20 Jahren ist lang, die Fehler sind irreversibel. Dazu gehören unter anderem Personalabbau auf nur noch ein Drittel, Werksschließungen, Verlust der Selbständigkeit, völlige Aufgabe der Produktion beliebter Verbrennermodelle und Ersatz durch Produktion von – schwer verkäuflichen – Elektroautos (siehe dazu Tichys Einblick und eine Analyse zu den Versäumnissen von Ford in Europa in der Automobilwoche).
Mit der Aufhebung der Patronatserklärung und einer möglichen Insolvenz wäre gleichzeitig auch die Zusage an die Belegschaft ausgehebelt, wonach bis 2032 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Ernsthafte Gegenwehr der Gewerkschaften und Belegschaften waren bisher ausgegblieben (siehe Rheinisches Grundgesetz Artikel 3), jetzt kam es zu ersten Warnstreiks. „Die Kündigung der Patronatserklärung hat das Vertrauen unserer Kolleginnen und Kollegen in das Unternehmen nachhaltig erschüttert“, so David Lüdtke, Vertrauenskörperleiter der Ford-Werke in Köln (Warnstreik bei Ford in Köln | Automobilwoche.de).
Nach bislang ergebnislosen Verhandlungen mit der Unternehmensführung über einen Sozialtarifvertrag hat die IG Metall bei Ford in Köln die erste Eskalationsstufe gezündet. Am Dienstagabend (1. April) begann die Nachtschicht mit einem Warnstreik. Angesichts der ohnehin hohen Unterauslastung der Kapazitäten verlieren allerdings solche Arbeitskämpfe an Wirksamkeit.