
Saskia Esken hat in der SPD kaum noch Rückhalt. „Für die Genossin Esken sehe ich eigentlich keine weiteren Aufgaben in der Parteiführung, die letztlich für die SPD auch Fortschritt und Mehrwert bringen könnte“, sagte jetzt der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung, Deutschlands dienstältester Großstadtoberbürgermeister, dem Tagesspiegel.
Schon länger gilt die Stellung der 63-Jährigen in der SPD Gerüchten zufolge als umstritten – Jung fordert jetzt sogar den Rückzug von Esken aus dem Bundesvorsitz. „Ich glaube, dass die SPD mit der Stärkung von Lars Klingbeil durch den gleichzeitigen Partei- und Fraktionsvorsitz einen ersten richtigen, wichtigen Schritt gegangen ist“, erklärte der Fürther Oberbürgermeister.
Klingbeil sollte auch die Geschicke des Parteivorsitzes in Zukunft alleine leiten. „Willy Brandt war Vorsitzender der SPD, da hatten wir mehr als doppelt so viele Mitglieder wie jetzt, und er hat das auch gut gemacht und geschafft“, meinte Jung. Heute sei eben Klingbeil der „Hoffnungsträger für die Zukunft der SPD“ und „eine geeignete, starke Persönlichkeit.“
Auch die frühere SPD-Abgeordnete, Dagmar Freitag, die zwischen 1994 und 2021 im Bundestag saß, forderte jetzt den Rücktritt von Esken. „Es wäre sicher für uns deutlich besser gewesen, wenn es so manche Äußerung und manches Interview von Saskia Esken nicht gegeben hätte“, erklärte die 72-Jährige dem Tagesspiegel.
Freitag ging auch auf das ernüchternde Ergebnis der SPD-Chefin bei der Bundestagswahl ein. Esken unterlag in ihrem Wahlkreis in Calw mit 12,6 Prozent ihrem Kontrahenten von der CDU, der 38,5 Prozent erreichte. Auch der Direktkandidat der AfD landete mit 23,6 Prozent vor Esken, die 2021 noch 16,8 Prozent geholt hatte. Damit habe Esken „erkennbar keine Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern“, hielt Freitag deutlich fest.
Auch vor der Bundestagswahl, bei der die SPD mit 16,4 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis erlangte, gab es bereits Kritik an Esken. „Fürs Erste wäre schon einiges gewonnen, wenn bestimmte Leute grundsätzlich nicht mehr an Talkshows teilnehmen würden. Es ist nämlich unerträglich“, sagte etwa die damalige Finanz- und heutige Innenministerin Brandenburgs, Katrin Lange, im September gegenüber Bild.
Grund war damals auch das schlechte Abschneiden der SPD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Auch der Münchner Oberbürgermeister, Dieter Reiter, meldete sich in diesem Kontext zu Wort. „Saskia Esken mag Verdienste in der Vergangenheit haben, aber ihre skurrilen Auftritte häufen sich. Wer im Fernsehen sagt, aus dem tödlichen IS-Anschlag in Solingen lasse sich nichts lernen, darf nicht länger an der Spitze der SPD stehen“, erklärte der SPD-Politiker und bezog sich damit auch auf die Aussagen der Parteichefin nach dem islamistischen Anschlag auf dem Solinger Stadtfest mit drei Toten im August 2024.
Nach der Bundestagswahl hatte Esken Ende Februar angekündigt, sie wolle bei den Sondierungsgesprächen mit der Union „nerven“. Eine wirklich signifikante Rolle konnte sie bei den Gesprächen bislang aber nicht einnehmen, ihre politische Zukunft ist daher auch in Bezug auf die Ministerbesetzung unter einer möglichen schwarz-roten Regierung ungewiss.