
Es sind bemerkenswerte erste Wochen der Kanzlerschaft von Friedrich Merz: Während die innere Sicherheit durch Vorfälle wie in Bielefeld oder Berlin-Spandau erschüttert wird, weigert der Kanzler sich, diese Delikte zu adressieren. Stattdessen firmiert Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) als neuer Grenzzar. Und Merz? Der begibt sich auf die große Bühne, bricht zu Reisen in Europa auf, will Außenpolitik zur Chefsache machen. Das Problem: So recht Tritt gefasst hat Merz in diesem Metier noch nicht.
Es begann gleich nach Amtsantritt, als Merz in Warschau erklärte, er habe mit seinem Innenminister telefoniert, um Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze zu verhindern. Im Bundesinnenministerium wusste man allerdings nichts von einem Telefonat. Außerdem zeigte sich Polens Regierungschef Donald Tusk alles andere als besänftigt und forderte Merz auf, lieber an der polnischen Ost-Grenze bei der Sicherung gegen illegale Einwanderer zu helfen.
Merz versicherte in Warschau, er habe mit seinem Innenminister telefoniert, um Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze zu verhindern. Das stimmte aber nicht.
Auch die „Koalition der Willigen“, die Merz noch bei seinem Treffen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Großbritanniens Premier Keir Starmer und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew inklusive Telefonat mit US-Präsident Donald beschworen hatte, beeindruckte Russlands Präsident Putin nicht wirklich. Auch, dass Merz hier wiederum ein Ultimatum gegenüber Russland formulierte, das dann im Nachgang keines gewesen sein soll und folgenlos verstrich, war keine Erfolgsgeschichte.
Von der „Koalition der Willigen“ in Kiew (gemeint sind u.a. Bundeskanzler Friedrich Merz, Präsident Emmanuel Macron, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, Großbritanniens Premier Keir Starmer) ließ sich Russlands Präsident Putin nicht wirklich beeindrucken.
Als Außenminister Johann Wadephul (CDU) beim Nato-Außenministertreffen in der Türkei hinter die amerikanischen Forderungen stellte, nicht mehr nur zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, sondern fünf Prozent, überraschte er die eigene Koalition und vor allem Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), der sogleich daran erinnerte, dass davon nichts im Koalitionsvertrag stehe.
Beim Besuch der Litauen-Brigade am Donnerstag stellte sich „Außenkanzler“ Merz nun hinter seinen Verteidigungsminister, wie Politico schrieb. Er unterstütze das Fünf-Prozent-Ziel der Nato dergestalt, dass 3,5 Prozent für die Bundeswehr ausgegeben werden sollten und 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur. Diese Zahlen seien „vernünftig“, so Merz, und seien bis 2032 erreichbar. Deutschland dürfte zu den wenigen Ländern gehören, die normale Straßen und Brücken in den Verteidigungsetat einrechnen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius und Bundeskanzler Friedrich Merz heute in Litauen.
Auch und gerade in der Außenpolitik verändert man in zwei Wochen nicht die Welt. Erkennbar ist allerdings, dass ein milliardenschweres Schuldenpaket allenfalls eine Zusage für die Zukunft ist, das außenpolitische Gewicht Deutschlands und Europas aber noch nicht wirklich erhöht. Der Erkenntnis, dass Europa sich von den USA unabhängiger machen müsse, äußerte Kanzlerin a.D. Angela Merkel bereits 2018. Geschehen ist seitdem so gut wie nichts.
Während die Merz-Koalition noch an ihrem 70-Tage-Programm arbeitet, bestimmen in diesen Tagen Messerkriminalität und islamistischer Terror wieder die politischen Schlagzeilen in Deutschland und machen zusätzliche Baustellen für den Regierungschef auf. Ein brutaler Kaltstart für den Kanzler.
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