
Seit langem hat man das Paul-Löbe-Haus im Berliner Bundestagskomplex nicht mehr so voll gesehen wie am Tag der Präsentation des Koalitionsvertrags. Und das gewählte Haus gleicht eigentlich einer riesenhaften, nicht enden wollenden Empfangshalle. Hinz und Kunz und Krethi und Plethi waren gekommen und wohnten dem Geschehen bei. Im Publikum mischten sich neugierige Journalisten und Parteiprominenz – ganz so, wie auf einem monumentalen Historiengemälde. Man sollte diese Szenen malen, aber es bräuchte auch die Ironie eines Adolph Menzel dafür, um alle, die es verdienen, hinreichend zu überzeichnen. In dieser Hinsicht ist die entstehende dann eben doch eine „große“ Koalition – der Klienten-Anhang, die Parteiapparate, die nun hoffen, wieder zu Macht und Titeln zu kommen, sind noch immer gewaltig.
Doch nun sagte bei eben diesem Historienbildnis-Termin ein Friedrich Merz das Folgende: Acht Prozent der Stellen will man mittelfristig in der Bundesverwaltung einsparen, zwei pro Jahr über die Legislaturperiode verteilt, und dann soll es hoffentlich so weitergehen. Und auch an der Spitze, setzte Söder hinzu. will sich die neue Bundesregierung erheblich schlanker präsentieren, weniger Beauftragte benennen etwa. Nur, welche wird man denn streichen? Den Queerbeauftragten? Den/die für Antidiskriminierung? Da gibt es so einige heiße Eisen, von denen man erst glaubt, dass sie angefasst werden, wenn es auch wirklich passiert.
Insofern ist die Frage erlaubt und verpflichtend: Stimmt das alles wirklich und wird es so kommen? Die äußeren Daten und Maßgaben sprechen schon jetzt dagegen, angefangen beim großen Werkeln an Ministerien und Fachabteilungen, das vermutlich nicht ohne Mehraufwand ablaufen wird.
So soll der Klimaschutz nun vom vorübergehenden Klima- und Wirtschaftsministerium wieder zurück ins Umweltministerium versetzt werden. Solch ein Schritt führt meist die Chance mit sich, mindestens die führenden Stellen neu zu besetzen. Und dafür stehen natürlich schon genügend Anwärter bereit – siehe das volle Paul-Löbe-Haus.
Die Digitalpolitik soll aus dem Verkehrsministerium ausgegliedert werden und ein eigenes Ministerium bekommen. Gleichzeitig bekommt das Forschungsministerium eine söderisierende Raumfahrtabteilung. Das Bundesbildungsministerium wird dafür in weiser Einsicht aufgelöst (Trump lässt dann doch ganz sachte grüßen). Die Reste werden allerdings ins Familienministerium integriert und staken daneben als Forschungsministerium im unendlichen Weltraum herum.
Derweil soll die Heimatabteilung, die Horst Seehofer einst so wichtig war, dass er sie in sein Innenministerium aufnahm, ins Ernährungsministerium hinüberwandern, das ja auch nur ein ehemaliges Landwirtschafts- und Bauernministerium war, bevor Cem Özdemir es mit einem höheren (grünen) Sinn erfüllte. Aber eine solche Heimatabteilung hat es eben doch noch nie unter seinem Dach beherbergt. Insofern werden auch hier Stellen aufwachsen – so, wie es eigentlich nach jeder neuen Regierung geschieht.
Man weiß ja eigentlich gar nicht, wozu diese Heimatabteilung gut sein soll, hat noch nirgendwo ihr segensreiches Werk bemerkt, unter Nancy Faeser sicher nicht. Heute ist die Abteilung unter anderem für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Demographie, gesellschaftlichen Zusammenhalt, Integration oder auch „gleichwertige Lebensverhältnisse“ zuständig. Das sind ohnehin zusammengeschusterte Spiegelstriche aus Seehofers Zeit und Ideen seiner Nachfolgerin und ergibt als Ganzes kaum Sinn. Was es nun im Ernährungsministerium soll, erschließt sich aber überhaupt nicht. Wird dort dann eine Ministerin für Bauern, Kuh und Kirche regieren? Regieren als Folklore-Übung? Laut TE-Informationen könnte die gerne volksnah auftretende Michaela Kaniber den Zuschlag bekommen.
Hinzu kommt ein vermutlicher Wechsel der Verbraucherschutzabteilung vom Umwelt- ins Justizministerium, wo sie seit Menschengedenken nicht war. Natürlich, man kann sich das alles auch irgendwie plausibel reden. Aber letztlich besagen solche Abteilungsversetzungen nur, dass einem Minister noch etwas zur Machtfülle fehlte oder eine Partei ein bestimmtes Feld beackern will. Es herrscht hier kein Ordnungsstreben vor, sondern das Bestreben, den Kuchen so zu verteilen, wie es die Macht erfordert. Idealtypisch exemplifiziert war das in Habecks absurdem Doppelministerium aus „Klima“ und (zerfallender) Wirtschaft. Obwohl das ja auch wieder einen perversen Sinn ergab, immer nach dem Motto: Mit welchen Maßnahmen zerschieße ich meine Industrie am schnellsten?
Also, den Sparwillen kann man der wohl kommenden Regierung noch nicht ganz abnehmen. Auch die Zahl der Ministerien hat sie ja nicht senken können. Statt 16 wird es 17 geben. Also eins mehr – hoppla. Warum? Das Digitalisierungsministerium ist schuld, das uns allen eine gläserne Identität schenken soll und bei dem man nicht versteht, warum es nicht mit dem Forschungsministerium ein gemeinsames, dann sparsameres (und weniger anmaßendes) Haus bilden kann.
Und auch das Verpulverministerium schlechthin, das Welt-Entwicklungsamt und Fahrradwegbaubehörde von Svenja Schulze, wird am Ende wohl unter derselben Leitung weiterbestehen. Der Bürger und Wähler, dem derlei überschüssige Ausgaben und woke Eskapaden schon lange auf die Nerven fallen, wird ignoriert. Hauptsache, die Großen und Kleinen der eigenen Fraktion sind versorgt – womit wir wieder beim vollen Paul-Löbe-Haus wären.