
Die Zahl der Nationen, die dem Geisterfahrer Deutschland bei der Atomkraft-Frage mit hoher Geschwindigkeit entgegenkommen, wird immer höher: Großbritannien will seine 9 Atomkraft-Reaktoren nicht nur weiterbetreiben, es sollen auch 14,2 Milliarden Pfund (16,8 Milliarden Euro) in den Bau eines neuen Meilers investiert werden. Der britische Energieminister Ed Miliband sieht ein „goldenes Zeitalter“ sauberer Energie kommen.
Anders als im Wahlkampf versprochen, spielt die Rückkehr der Kernkraft in Deutschland für die Regierung Merz keine Rolle. Die Chance für eine Rückkehr zur Atomkraft sei in der Energiekrise vertan worden und „wir müssen mit der Situation jetzt leben“, hatte die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kurz nach ihrem Amtsantritt erklärt. Eine Position, die sich beim Blick ins weltweite Ausland immer mehr als Geisterfahrertum entpuppt.
Den nächsten Beleg dafür liefert nun Großbritannien: Nicht nur sollen die bestehenden Kraftwerke (die rund 15 Prozent des Strombedarfs decken) weiterbetrieben werden, die Briten wollen auch massiv in den Bau des neuen Atomkraftwerks Sizewell C in der ostenglischen Grafschaft Suffolk und auch in ein Programm für kleinere und einfacher zu errichtende Kernreaktoren – Small Modular Reactors (SMR) – investieren.
Der britische Energieminister Ed Miliband
Auch in Belgien ist der Atom-Ausstieg gerade rückgängig gemacht worden. Statt die vier Reaktoren abzuschalten, wie es ursprünglich der Plan war, stimmte das Nationalparlament in Brüssel am Donnerstag mit großer Mehrheit dafür, die Laufzeiten zu verlängern – und mehr noch: Es sollen auch neue Kernkraftwerke gebaut werden.
Auch die Niederlande haben ihren Atom-Ausstieg revidiert und will nun vier neue Reaktoren für insgesamt 14,5 Milliarden Euro bauen. Auch die Schweiz hat im August 2024 ihre Ausstiegs-Pläne aus der Kernenergie kassiert. In Spanien hat das Parlament im Februar 2025 die Regierung dazu aufgefordert, die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verlängern. Auch Schweden wollte ursprünglich aus der Atomkraft aussteigen, will stattdessen jedoch bis 2045 zehn neue Reaktoren bauen. Frankreich bezieht sowieso rund 85 Prozent seines Strombedarfs aus Kernkraft – und gibt noch einiges in Form von Exporten ab. In der Schweiz stammt ein Drittel des Stroms aus Kernkraft.
Nur in Deutschland ist sauberer, günstiger und sicherer Strom kein Thema.
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