
Während Anne Will es rückblickend als Fehler ansehen will, kaum AfD-Politiker in ihre Talkrunden eingeladen zu haben, rechtfertigt das Erste die Benachteiligung der Partei mit seltsamen Begründungen. Das ZDF beruft sich sogar ausdrücklich auf die längst zurückgenommene Bewertung des Verfassungsschutzes.
Seit ihrer Gründung 2013 wird die Alternative für Deutschland (AfD) vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk feindselig behandelt. Die Berichterstattung fällt fast ausschließlich zuungunsten der Partei aus, schon zu Zeiten des Gründers Bernd Lucke, von Frauke Petry und Jörg Meuthen wurde sie als „rechtsextrem“ diffamiert. Wurden AfD-Politiker in Talkshows eingeladen, was nur sehr selten der Fall war, dann um von einer Phalanx aus Gegnern inklusive des Moderators beschimpft und mit Vorwürfen der Russland-Nähe und des Rechtsextremismus überhäuft zu werden oder sich für zehn Jahre alte Zitate von Parteifreunden rechtfertigen zu müssen.
Meistens kommen sie allerdings gar nicht erst zu Wort. 2022 hatte sie etwa nur 0,4 % der Talkshow-Auftritte, obwohl sie in Umfragen bei rund 15 Prozent Wählerzustimmung lag. 2023 wertete NIUS die Auftritte von Politikern im ersten Halbjahr in den fünf führenden politischen Talkshows Markus Lanz, „Hart aber fair“, „Maybrit Illner“, „Maischberger“ und Anne Will aus. In 155 Talkshows mit insgesamt 240 Politikerauftritten entfielen gerade mal zwei auf AfD, was weniger als einem Prozent der Auftritte gleichkam (0,8 Prozent).
Im ersten Halbjahr 2023 wurden nur zwei AfD-Vertreter in die großen Talkshows eingeladen.
Im Nachhinein sieht Anne Will das als Fehler, wie sie kürzlich in ihrem Podcast erzählte. „Das entspricht nicht dem Auftrag, den öffentlich-rechtliches Fernsehen hat.“ Die Nicht-Einladung sei im Rückblick stellenweise „gar nicht mehr richtig begründbar gewesen“.
Tatsache ist: Man redet über die AfD, aber kaum mit ihr. Im Jahr 2024 machte sie in den Talkrunden gerade einmal 2,44 Prozent aus. Skandalös wenig in Anbetracht der Wählerzustimmung. Bei der Bundestagswahl 2025 nur zwei Monate später erreichte die AfD 20,6 Prozent und wurde zweitstärkste Partei. Als einzige Partei war sie damit in Talkshows dramatisch unterrepräsentiert.
Die späte Einsicht Anne Wills anderthalb Jahre nach Einstellung ihres Talk-Formats mag die ARD nicht teilen. Der Focus berichtete, der Sender habe betont, die Talkshow-Redaktionen von ‚Caren Miosga', ‚Maischberger' und ‚Hart aber fair' würden ‚weiterhin differenziert über die AfD berichten – mit journalistischer Sorgfalt und unter Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit'. Außerdem bekäme die Partei auch außerhalb von Talkshows eine Bühne, was das Erste allen Ernstes so beschrieb:„AfD-Vertreterinnen und -Vertreter sind nicht nur Teil des Diskurses in ARD-Talksendungen. Sie kommen in aktueller Berichterstattung vor, außerdem haben zahlreiche Redaktionen innerhalb der ARD in den vergangenen Jahren auch regelmäßig und intensiv Beziehungen in die extremistische Szene und extremistische Äußerungen recherchiert und darüber veröffentlicht“, heißt es. Und weiter: „Damit sind wir unserem Auftrag nachgekommen, durch eigene Recherchen zur Meinungsbildung beizutragen.“
Der gebührenfinanzierte Sender versucht also offen, das öffentlichkeitswirksame Bild der AfD in seinem Sinne zu zeichnen – indem er die Partei immer wieder so negativ wie möglich darstellt. Das soll allen Ernstes ein angemessener Ersatz dafür sein, dass die Zuschauer die Gelegenheit bekommen, den Vertretern der AfD selbst zuzuhören und sich ein eigenes Bild zu machen.
Auch AfD-Wähler zahlen Rundfunkgebühren – werden aber nicht angemessen vertreten.
Richtig daran ist nur, dass hin und wieder auch AfD-Protagonisten wie Alice Weidel, Tino Chrupalla oder Beatrix von Storch interviewt werden (und dabei eine ganz andere Behandlung erfahren als ihre politischen Gegner), aber kaum Gelegenheit haben, sich mit politischen Kontrahenten Wortgefechte zu liefern. Auch mit Statements zu politischen Fragen kommen sie in Nachrichtensendungen – wiederum anders als die anderen Oppositionsparteien Grüne und Linke – so gut wie nicht vor. Aber ausgerechnet die ausschließlich negativ motivierten Berichte in Reportagen oder Polit-Magazinen wie „Monitor“ als Begründung dafür anzuführen, man bilde die AfD doch ab, mutet schon rechtschaffen zynisch an.
Laut Focus habe auch das ZDF Stellung genommen und sich dabei – wie auch der ARD-Journalist Georg Restle, der meinte, die AfD sei „gesichert rechtsextremistisch“ und der öffentlich-rechtliche Rundfunk könne das nicht ignorieren – explizit auf die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz berufen: „Diese nehme der Sender ‚sehr ernst‘. Hier lässt sich eine womöglich restriktivere Linie erkennen: ‚Das ZDF ist sich der Verantwortung sehr bewusst, keine Plattform für verfassungsfeindliche Positionen zu bieten.‘ Sollte es in Talkshows zu diskriminierenden oder verfassungsfeindlichen Aussagen kommen, ‚bleiben diese nicht unwidersprochen, sondern werden für die Zuschauerinnen und Zuschauer eingeordnet‘“.
Bedeutet im Klartext: Die Journalisten des Zweiten geben zu jeder Aussage, die ihnen nicht passt, ihren eigenen Senf dazu. Offensichtlich spielt für das ZDF keine Rolle, dass der Verfassungsschutz eine „Stillhaltezusage“ abgegeben hat, die Behauptung, die AfD sei eine „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“, nicht öffentlich zu wiederholen. Offiziell führt der Nachrichtendienst die Partei die AfD bis auf Weiteres (also bis zu einem Urteil) nicht offiziell als extremistisch, sondern wieder als „Verdachtsfall“. Auch dass die Pressemitteilung, in der das BfV die Hochstufung vom Verdachtsfall verkündet hatte, von der Homepage gelöscht wurde, wird vom ZDF offenbar ignoriert.
Das ZDF lässt sich von der Sachlage nicht beirren.
Als Begründung für die offensichtliche Benachteiligung der derzeit zweitstärksten Partei verweisen die öffentlich-rechtlichen Sender auf die redaktionelle Freiheit („Die Redaktionen entscheiden weiterhin frei und im Einzelfall, ob und zu welchen Themen sie Vertreterinnen und Vertreter der AfD in Talkshows oder vergleichbare Formate einladen“) und journalistische Kriterien. Als Ausrede für die Weigerung, demokratische Meinungsvielfalt ausreichend widerzuspiegeln, führen sie zudem man seit Jahren an, Talkshows seien „keine Ersatz-Parlamente“. Die AfD werde in anderen Formaten wie Nachrichten oder Dokumentationen ausreichend abgebildet, um den Programmauftrag der angemessenen Repräsentation zu erfüllen.
Denn: diesen Programmauftrag gibt es. Der Medienstaatsvertrag fordert, dass öffentlich-rechtliche Sender unabhängig und neutral berichten. Nach § 26 MStV müssen sie bei ihrer Berichterstattung und Programmgestaltung „die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit“ wahren. Dies bedeutet, dass sie keine einseitige Parteinahme für oder gegen bestimmte politische, weltanschauliche oder gesellschaftliche Gruppen zeigen dürfen. Die Berichterstattung soll sachlich und ausgewogen sein, um eine freie Meinungsbildung zu ermöglichen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gemäß § 25 MStV verpflichtet, „die Vielfalt der Meinungen“ im Programm widerzuspiegeln. Dies umfasst die Pflicht, unterschiedliche politische, gesellschaftliche und weltanschauliche Strömungen angemessen zu berücksichtigen. Konkret heißt es, dass „maßgebliche politische, weltanschauliche und gesellschaftliche Kräfte“ im Programm zu Wort kommen sollen.
Beatrix von Storch (Mitte) als einer der seltenen AfD-Gäste bei „Hart aber fair“.
Dabei gibt es keine gesetzliche Verpflichtung, alle politischen Parteien proportional oder gleich oft einzuladen, aber davon sind sowohl ARD als auch ZDF (und selbstverständlich auch der Deutschlandfunk) ohnehin weit entfernt. Wenn jeder fünfte Wähler sein Kreuzchen bei der AfD macht, hat das eine Relevanz, die Grund genug sein dürfte, die Verpflichtung, „die Vielfalt der Meinungen“ im Programm widerzuspiegeln, endlich ernst zu nehmen.
Dabei sind nicht kritische Beiträge das Problem oder ein gesunder Abstand zu Personen, die wirklich extremistische Positionen vertreten – sondern die Agenda, die Partei zu diffamieren und für „anständige Bürger“ unwählbar zu machen, weshalb man sich im ÖRR immer wieder fragt, wie es denn nun anzustellen sei, dass die AfD endlich wieder marginalisiert wird. Ein ARD-Sprecher wurde zu Jahresbeginn von der Jungen Freiheit mit den Worten zitiert: „Im Übrigen bedeuten Ausgewogenheit und Meinungspluralität nicht, dass in jedem politischen Format alle Parteien zu Wort kommen müssen.“Wie aktuelle Umfragen zeigen, schmälert die fortgesetzte mediale Abwertung das starke Abschneiden der AfD in der Wählergunst, das vor allem der miserablen Performance der etablierten Parteien geschuldet ist, nicht. Womit sich für die öffentlich-rechtlichen Sender, unabhängig von ihrer eigenen Einstellung zum Medienstaatsvertrag, eigentlich die Frage stellen müsste, ob die Strategie, der ungeliebten Rechtspartei „keine Bühne bieten“ zu wollen, weil man sie inhaltlich nicht „stellen“ kann, gescheitert ist. Ob also jeder mit Diffamierungen der AfD gespickte Beitrag dieser noch mehr Wähler zutreibt. Die jüngsten, unverändert uneinsichtigen Reaktionen der Gebührensender deuten allerdings nicht darauf hin.
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