
Mit Spannung wird heute das Urteil im monatelangen Betrugsprozess gegen Querdenken-Gründer Michael Ballweg erwartet ...
Die Verhandlung von Wirtschaftsstrafsachen mag mitunter dröge sein, schließlich geht es um viele Zahlen und komplexe Sachverhalte. Dem Betrugsprozess gegen Querdenken-Initiator Michael Ballweg mangelte es hingegen nicht an Spannung! Der Prozess wurde von einem Machtkampf zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung geprägt.
Michael Ballweg ist 50 Jahre alt, IT-Unternehmer aus Stuttgart. Im April 2020 gründete er die Corona-Protestbewegung Querdenken 711, benannt nach der Stuttgarter Vorwahl 0711. Die Bewegung entwickelte sich rasch zu einer bundesweiten Plattform gegen Lockdown, Masken- und Impfpflicht. Ballweg organisierte Demonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern. Die Demonstrationen wurden vor allem von ganz normalem Bürgern besucht, die ihre Angst und Sorge hinsichtlich der staatlichen Corona-Maßnahmen und Grundgesetz-Einschränkungen zum Ausdruck bringen wollten.
Zu den Versammlungen kamen auch Menschen mit schrägen und streitbaren Ansichten. Impfkritiker, Esoteriker, Gruppen mit aus dem rechten politischen Spektrum. Obwohl diese Einstellungen und Meinungen nicht verboten sind und sie den Charakter der Querdenken-Demonstrationen nicht prägten, nahm der Verfassungsschutz die Bewegung wegen angeblich verfassungsfeindlicher Äußerungen in den Blick. Worum geht es in dem Prozess?
Ballweg während des Prozesses im Februar 2025
Die Staatsanwaltschaft wirft Ballweg versuchten Betrug und Steuerhinterziehung vor. Er soll durch öffentliche Aufrufe mehr als eine Million Euro von Tausenden Menschen für die Organisation eingeworben, die Spender aber über die Verwendung von Geldern getäuscht haben. Deshalb saß er sogar einige Monate in Untersuchungshaft. Die Ankläger werfen ihm vor, 575.929,84 Euro für private Zwecke verwendet zu haben. Dokumentiert sind belegbare Ausgaben für die Querdenken-Bewegung in Höhe von 843.111,68 Euro.
Ballweg soll außerdem seine Steuererklärung nicht fristgerecht eingereicht haben – in der Zeit, in der er sich in Untersuchungshaft befand. Ursprünglich stand auch der Vorwurf der Geldwäsche gegen Ballweg im Raum, das Landgericht ließ den Anklagepunkt jedoch fallen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und die Einziehung von mehr als einer halben Million Euro – dabei soll es sich um Gelder handeln, die Ballweg für seine Bewegung eingeworben, aber für eigene Zwecke verwendet haben soll. Die Ankläger werfen Ballweg Lügen und „gezielte Verschleierung“ vor.
Ballwegs Anwälte weisen alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seit Beginn des Verfahrens scharf zurück. Sie plädieren auf Freispruch und Haftentschädigung für den 50-jährigen Unternehmer. Der Angeklagte selbst betont, dass er in den Jahren 2020 und 2021 in Verbindung mit Querdenken 80.000 Euro Verlust gemacht habe. Warum gilt ein Freispruch als wahrscheinlich?
Die Vorsitzende Richterin lässt seit Monaten durchblicken, dass sie die Sache ganz anders einschätzt als die Staatsanwaltschaft. Bereits im Frühjahr hatte das Landgericht eine Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen – wegen Geringfügigkeit. Ungereimtheiten, die die Staatsanwaltschaft anprangerte, hatten sich während der Beweisaufnahme immer wieder als plausibel herausgestellt, sodass die Anklage schon früh in sich zusammen fiel. Die Richter argumentierten, dass man Ballweg schlicht keinen Vorsatz nachweisen könne.
Der Angeklagte mit seinen Anwälten
Die Staatsanwaltschaft lehnte allerdings überraschenderweise ab. Eine Verurteilung sei weiterhin wahrscheinlich, hatten die Ankläger damals angeführt – und sogar die Feststellung der Befangenheit der Berufsrichter beantragt. Ohne Erfolg. Im Juni erkundigte sich die Staatsanwaltschaft dann noch laut Landgericht, ob auch eine Einstellung unter Auflagen in Betracht komme. Obwohl sich das Gericht dazu bereit zeigte, teilte die Anklagebehörde später mit, dass sie einer Einstellung weiterhin nicht zustimmen würde. Trotz der Signale der Kammer bleibt die Anklagebehörde auch zum Prozessende bei ihrer harten Linie. In ihrem Plädoyer vergangene Woche räumte die Staatsanwältin ein, dass die Linie der Kammer in keiner Weise mit der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft übereinstimme.
Auf den Querdenken-Demonstrationen, wie hier im November 2020, kam es auch zu Polizeigewalt.
In die Aufarbeitung der Steuer- und Betrugsvorwürfen mischt sich der politische Hintergrund. Es geht in dem Verfahren immer wieder auch um die schwierigen Jahre der Corona-Pandemie und die Frage, wie weit der Staat in Krisenzeiten in Bürgerrechte eingreifen darf. Ballweg sieht sich als politisch Verfolgter mit einer unbequemen Meinung, als Opfer der Justiz. Die Staatsanwaltschaft wirft seinen Verteidigern vor, Verschwörungstheorien zu verbreiten und Zweifel zu säen an der Legitimität des Verfahrens. Die Fronten in dem Verfahren sind nach 43 Verhandlungstagen verhärtet.
Nun warten alle gespannt auf den Urteilsspruch der Richterin.