Zwischen Hoffen und Bangen: Hart aber fair über Trump und die neue Bundesregierung

vor etwa 6 Stunden

Blog Image
Bildquelle: Tichys Einblick

Nach einer etwa einmonatigen Pause läuft an einem Montagabend mal wieder Hart aber fair. Haben Sie es gesehen? Haben Sie es gar vermisst? Nein?

Da geht es Ihnen wie mir. Auch wenn mir das Anschauen und Rezensieren des ARD-Talkformats, ermöglicht, neben dem Studium ein paar Brötchen hinzuzuverdienen, hat sich mittlerweile eine regelrechte Hassliebe zwischen uns entwickelt. Und manchmal ertappe ich mich bei der Frage, weshalb, um alles in der Welt, ich mir freiwillig dieses in jederlei Hinsicht deprimierende 90-minütige Schauspiel zumute – vor allem, wenn ich am nächsten Tag wieder um 8 Uhr in den Hörsaal und daher eigentlich schlafen müsste.

Wenn ich Glück habe, fällt mir in solchen Momenten dann ein, dass es Ihnen vermutlich ähnlich geht (schon klar, wahrscheinlich müssen Sie nicht mehr jeden Morgen in die Uni) und Sie nur noch müde abwinken, wenn sie an Hart aber fair denken und sich unwillkürlich fragen: „Was, das schaut noch jemand?“

Ja, kann ich da nur sagen, ich schaue das noch. Nicht, weil ich Masochist wäre. Vielmehr schaue ich das für Sie, damit Sie es nicht selbst tun müssen, am nächsten Morgen aber dennoch darüber Bescheid wissen, was die üblichen Verdächtigen denn dieses Mal wieder verzapft haben. Apropos übliche Verdächtige: Alleine der Blick auf die Gästeliste gestern hätte genügt, um einzuschlafen – da hätte es der eigentlichen Sendung überhaupt nicht mehr bedurft.

Die immer selben Leute diskutieren halbaktuelle oder vermeintlich relevante Themen und hinken dabei der öffentlichen Debatte um Längen hinterher. Wirklich Neues oder Überraschendes erfährt man deshalb eigentlich nie: Die meist zweitrangigen Politiker beten zum x-ten Mal schlagwortartig die Positionen und Narrative ihrer Partei herunter, die man ebenso oft bereits gehört hat, die Journalisten erzählen das, was man schon vor einer Woche in den Zeitungen lesen konnte und die Wirtschaftsvertreter weisen auf seit Jahr und Tag bekannte Probleme hin, bei deren Lösung trotz allseits simulierten Problembewusstseins wundersamer Weise nichts so richtig vorangeht.

Letztlich ist Hart aber fair eine Art diskursive Wiederkäumaschine und Selbstunterhaltungsprogramm eines herrschenden, von sich selbst eingelullten Milieus, das ungeachtet aller Krisen und sich beschleunigender Negativ-Trends immer noch meint, im Großen und Ganzen sei doch alles eigentlich gar nicht so verkehrt und mit ein paar veränderten Stellschrauben hier und ein bisschen mehr Vertrauen und Zuversicht dort stehe Deutschland gar nicht mal so übel da.

Und weil die Debatte naturgemäß nicht besser sein kann, als die an ihr beteiligten Diskussionsteilnehmer(INNEN), ist das Resultat bei Hart aber fair regelmäßig eine oberflächliche, wenig geistreiche und intellektuell ebenso dürftige Veranstaltung, die im Grunde schon gar keine Empörung, sondern nur noch Ignoranz verdient. Nicht zuletzt liegt das auch an der phantasielosen Gästepolitik der Hart aber fair-Redaktion, bei der man spätestens nach einer Handvoll Sendungen das Gefühl bekommen muss, dass vor jeder Sendung eine feststehende Telefon- und Mailingliste abgearbeitet wird, und aus den Zusagen schließlich eine mehr oder weniger beliebige Diskussionsrunde zusammengebastelt wird, bei der nie so recht klar ist, was die einzelnen Diskutanten eigentlich in Hinblick auf das vorgegebene Diskussionsthema qualifiziert.

Dabei gäbe es in Deutschland eine ganze Reihe hochinteressanter Personen, die zu zentralen Themen der Gegenwart – sei es die Energiewende mitsamt Atomausstieg, seien es Demografie oder Migrations- und Rentenpolitik – eine Menge zu sagen hätten. Ja, sicher auch viel Unbequemes. Aber gerade das zeichnet doch eine interessante Debatte aus, dass darin möglichst verschiedene, kontroverse Standpunkte zu Wort kommen.

Davon freilich ist Hart aber fair so weit entfernt wie Deutschland von einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum. Zu Gast bei Louis Klamroth waren gestern der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus, der zum Unions-Verhandlungsteam für den Koalitionsvertrag gehörte, der Bundesvorsitzende der Jungsozialisten (Jusos) Philipp Türmer, die Unternehmerin Vera Bökenbrink, die „Transformationsforscherin“ Maja Göpel, der fernsehbekannte Investor Carsten Maschmeyer und VW-Mitarbeiter und Betriebsratsmitglied bei der IG Metall Luigi Catapano.

Erstes Gesprächsthema der gestrigen Runde war die erratische Zollpolitik Donald Trumps, die ihm in den USA schon jetzt ein historisches Umfragetief beschert hat. Carsten Maschmeyer, der zuletzt in den Staaten weilte, bezeichnete Trump als Narzissten und attestierte ihm angesichts seines Hickhack-Kurses in Sachen Zölle völlige Planlosigkeit. Maja Göpel teilte zwar seine persönliche Charakterisierung Trumps, widersprach ihm aber in Sachen Planlosigkeit. Ohne sich dessen bewusst zu sein, driftete sie geradezu in einen verschwörungstheoretischen Sound ab, wenn sie Trump unterstellte, dieses Hin und Her als bewusstes Ablenkungsmanöver zu inszenieren, in dessen Windschatten der innenpolitische Radikalumbau der USA nach Plänen des „Project 2025“ vorangetrieben werden könne.

In diesem Zusammenhang sprach sie davon, dass Trump mit „Attacken auf die unabhängige Wissenschaft, die unabhängigen Medien und die Gerichte“ darauf abziele, die „demokratische Verfassung“ der USA zu unterminieren. Doch damit nicht genug: Mit seinen „imperialistischen Zielen“ würde Trump „die ganze Weltordnung, wie wir sie vorher hatten“, torpedieren. Aus ihrer Sicht, so Göpel, sei es daher falsch, Trump nach wie vor als einen demokratischen Staatsmann anzusehen.

Diesen spekulativen, aber durchaus bedenkenswerten Ansichten zu den Vorgängen in den USA vermochte mangels US- oder Trump-Expertise niemand der Anwesenden etwas entgegenzusetzen. Weitgehende Einigkeit zwischen den Diskutanten bestand gestern dann bei der Frage nach der gesamteuropäischen Reaktion auf die Zollankündigungen der USA. Vera Bökenbrink lobte in diesem Zusammenhang das geschlossene Auftreten der EU und deren besonnenes und abwartendes Verhalten, das darin bestanden hatte, auf die Zölle der USA nicht reflexhaft mit Gegenzöllen zu reagieren.

Interessanterweise wurde hier das Unterlassen einer Reaktion als Stärke interpretiert. Interessant deshalb, weil unter einem starken Staat im Innern ja in der Regel ein handlungsfähiger, möglichst umfassend regulierender Staat verstanden wird – eine Haltung, die sich auch in der anschließenden Diskussion des Koalitionspapiers zeigte. Womit wir beim zweiten großen Themenblock der gestrigen Sendung wären.

Zunächst ging es dabei vor allem um die personelle Besetzung der unionsgeführten Ministerien, die gestern bekannt geworden ist. Der allgemeine Tenor dabei war dabei eine Mischung aus Zweckoptimismus und Durchhalteparolen und lautete in etwa so: „Gut, dass wir nach einem halben Jahr endlich wieder eine handlungsfähige Regierung bekommen, lasst uns sie nicht schon im Vorhinein kaputtreden.“ Dass die künftige Bundesregierung, insbesondere die Union, die im Rahmen der Regierungsbildung beinahe sämtliche inhaltlichen Wahlversprechen über Bord geworfen hat, weitgehend selbst für ihre grottige Außendarstellung gesorgt hat, blieb dabei völlig unbeleuchtet.

Stattdessen wurde Zweckoptimismus verbreitet, der an den kindlich-naiven, treuherzigen Glauben erinnerte, wonach es die Eltern trotz aller Mankos letztlich doch schon gut mit einem meinten. Bökenbrink etwa entgegnete auf die Frage, ob ihr die designierte Wirtschaftsministerin Hoffnung für die deutsche Wirtschaft mache, schlicht, dass sie als Unternehmerin immer Hoffnung und Zuversicht haben müsse, schließlich könne sie es sonst gleich sein lassen. Maschmeyer argumentierte in eine ähnliche Richtung und brachte seine Freude über die Entscheidung der CDU zum Ausdruck, Katharina Reiche als neue Wirtschaftsministerin zu nominieren. Zudem verbot er – der im Wahlkampf noch jeweils 200.000 Euro an Union und FDP gespendet hatte – sich eine vorschnelle Vorverurteilung und mahnte an, die Regierung frühestens nach hundert Tagen einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Spannend war, wie substanzlos und wie wenig rückgebunden an die Realität die Ausführungen von Bökenbrink und Maschmeyer waren. Beide bezogen sich im Grunde nicht auf etwaige konkrete inhaltliche Vorschläge oder möglicherweise im Koalitionsvertrag festgehaltene Reformvorhaben. Damit brachten sie geradezu plastisch zum Ausdruck, worauf all ihre Hoffnungen auf Besserung durch die designierte Regierung beruhen: auf exakt gar nichts.

Alles was man in diese Richtung zu hören bekam, war losgelöst von jeder reellen Grundlage, von jeder Entsprechung in der politischen Realität und entsprang einzig und allein dem Prinzip Hoffnung. Getreu dem Motto: „Es wird besser werden, weil es besser werden muss.“ Oder mit anderen Worten: Der gestrigen Runde fehlte einfach das Vorstellungsvermögen dafür, dass die neue Bundesregierung imstande ist, die alte in Punkto Wirtschaftspolitik noch zu unterbieten.

Deutlich wurde das auch in Maschmeyers Ausführungen zu Katherina Reiche, zu deren inhaltlich-programmatischer Ausrichtung er wortwörtlich nichts, wirklich nichts zu sagen wusste, die er aber aufgrund ihres mustergültigen Lebenslaufs lobte. Letztlich wirft das ein grelles Schlaglicht darauf, wie radikal niedrig in Deutschland – zumal nach einem Wirtschaftsminister wie Robert Habeck – mittlerweile die Anforderungen an Regierungspolitiker sind: Es reicht schon, einen Abschluss und ein paar Jahre in der Wirtschaft gearbeitet zu haben, um im Fernsehen als vortrefflich geeignet gefeiert zu werden. Um es noch einmal zu sagen: Die durch nichts hinterlegten Hoffnungen in Reiches Wirtschaftspolitik sagen zwar nichts über ihre Fähigkeiten, dafür aber eine Menge darüber aus, wie sehr in Deutschland jeglicher Beurteilungsmaßstab verrutscht ist.

Abgesehen von Maschmeyers und Bökenbrinks vagen Hoffnungen, die Ralph Brinkhaus zu unterfüttern suchte, äußerten sich Philip Türmer und Maja Göpel kritisch zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages. Türmers Jusos stimmen im Rahmen einer Mitgliederbefragung am Dienstag über den Vertrag ab und behalten sich vor, diesen abzulehnen – Ausgang und Ergebnis sind offen. Während er sich noch für eine Abkehr von der Exportorientierung der deutschen Wirtschaft, einen höheren Mindestlohn, stärkere Reichenbesteuerung und Umverteilung aussprach, monierte Göpel eine aus ihrer Sicht zentrale Leerstelle des Koalitionsvertrages: Den „Klimaschutz“.

„Ich glaube das ist vielen nicht klar: Europa ist der sich am schnellsten erwärmende Kontinent, wir haben jetzt schon eine Dürre“, sagte sie in der Sendung. Mit etwas verklausulierten Begriffen und Phrasen wie „ökologische Resilienz“, „kreislauforientierter Umgang mit Ressourcen“, „ein Restabilisieren dessen, was wir aus Grund und Boden herausholen“ und „Klimaschutz“ als einem „übergeordneten Ziel“ verdeckte sie rhetorisch nur etwas halbherzig, worum es ihr geht: eine umfassende planwirtschaftliche Steuerung der Wirtschaft im Namen des „Klimaschutzes“. Auch hier zeigt sich: In Deutschland befinden sich nicht nur die Anforderungen an führende Politiker, sondern auch an führende „Expert*innen“ auf einem historischen Tiefpunkt.

Publisher Logo

Dieser Artikel ist von Tichys Einblick

Klicke den folgenden Button, um den Artikel auf der Website von Tichys Einblick zu lesen.

Weitere Artikel